JFK: Isch bin jetzt ein Augsbörger! Diese affenscharfe Oper erregte uns!


Ich geb's zu, manchmal beschäftigte mich in der 10. Sitzreihe die Frage: Wer steckt wohl unter der goldenen Maske des Cowboys der den Tod in Texas bei der Oper "JFK" verkörperte? Das war gleich nach der Begrüßung durch den Operndirektor, Daniel Herzog, des Augsburger Staatstheater, der dabei einen unheilvollen Ton mitschwingen ließ. Naja, es ging schließlich um die Oper, deren Inhalt sich um die Ermordung des beliebten US-Präsidenten John F. Kennedy, kurz JFK, hauptsächlich drehte. 


Oh, Schreck, Opern-Herzog ließ uns gruseln: "Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass unsere Sängerin Kate Allen krank ist ..." Pause. Totenstille. Auch ich rechnete mit einer Absage der Oper. Pech gehabt, da überwinde ich mich mal und will mir so ein pompöses Tamtam anschauen, dann ist der weibliche Star nicht auftrittsfähig. "... aber sie wird heute trotzdem für Sie auftreten und bittet Sie alle um schon vorab um Entschuldigung." Was soll ich sagen, ich stimmte natürlich in den tosenden Applaus für die heldenhafte Kate Allen mit ein.



Doch schnell wurde ich abgelenkt, nachdem der Cowboy Tod mit den Augsburger Domsingknaben und ihren US-Wahlkampfplakaten vor uns aufmarschierten. Gleich von Anfang an gab es ein tolles Feuerwerk der Einfälle bei den Szenen, den Kostümen, Frisuren, Masken und auch ganz stark bei den durchdachten, kreativen und daher faszinierenden Projektionen.

Das Bühnenbild war in ständiger Metamorphose. Applaus! Dieses Bühnenbild machte die Bühne wild. Auf dem russischen Bär und auf einem US-Bison wurde tüchtig herumgeritten. Eine Texas-Nutte ritt hingegen auf dem Präsidenten, dessen Lieblingsplatz aber nicht unbedingt das Bett ist, sondern die Badewanne. Wer hat's gesehen?: Diese strippende Nutte durfte sich nach ihrem Bett-Job in den Dollars baden!



Doch weiter bei den Show-Sensationen auf der Bühne vor mir: Der russische Präsident wurde als Indianer erschossen. Kennedy als Jeans-Jesus präsentiert, mit rosaroter Jackie nebendran am legendären Abendmahltisch. Echt witzig, wie diese aufgedrehte crazy Schwester, Olena Sloia, in die Präsidenten-Wanne patschte, dass es nur so - splish splash taking a bath - orgiastisch rausspritzte. Schade, dass sie dann doch nicht ganz in seine Wanne stieg. Kastrierte Inzest-Andeutung?



Pfui: Die Texaner hauten den katholischen Demokraten JFK als Pappfigur, wie in einem Western, rabiat um. Erinnerte mich an Maos Spruch vom Papiertiger. Doch Kennedy hat immerhin mit seinen Raketen gedroht, als die Russen ihre auf Kuba, unweit der USA, stationieren wollten. Knapp am Atomkrieg sind wir damals vorbeigerauscht. Doch: The Show must go on!

Logo, der erste TV-Präsident der USA, das Land der Shows, wird mit Alejandro Marco-Buhrmester auf der Bühne im martini-Park schwer aufgedonnert rübergebracht. Die Zuschauer waren vergnügt gebannt. Die packende Musik klang ab und zu, als hätte Richard Wagner was für "Star Wars" komponiert. Vielleicht auch Mozart was für "Spiel mir das Lied vom Tod"? Wenn zu Bayern die Lederhose gehört, dann gehört zur USA der Cowboyhut. Davon wimmelte es wie in einem Hut-Laden in Dallas. Bei den glitzernden Kostümen und toupierten Frisuren wurde alles aufgefahren, was mich in die Vereinigten Staaten von Amerika der frühen 1960er Jahre rüberbeamte.



Und wieder faszinierte mich eine Nebenrolle, dieses Mal im Orchester: Dieser Percussionist, rechts, der mit einem roten Schlauch auf ein Gestell trommelte und seltsam blubbernde Laute erzeugte. Sie brachten was Mysteriöses in den Orchestersound rein.

Wenn ich ganz ehrlich bin, muss ich zugeben, dass Kate Allen, die Darstellerin der Jackie Kennedy, Gattin des erschossenen US-Präsidenten, natürlich auf die Männer im Augsburger Publikum weitaus erotischer wirkte mit ihren weiblichen Rundungen, als die echte Kennedy-Gattin. Diese echte Jackie war für uns damals eher eine luxuriöse Bohnenstange, eine Habergeiß, wie wir Augschburger über eine etwas zu dünn geratene Frauenfigur sagen.



Ok, die Movie-Queen Marylin Monroe, die als Megablondie mit JFK wohl was Intimes anstellen durfte, war auch nicht unbedingt eine totale Sexbombe, aber wohl eher erotisch, als seine durch kühle Eleganz frigid scheinende Gattin. MM war wahrscheinlich ein schönes aufgeilendes Ablenkungs-Spielzeug aus Hollywood für den mächtigsten Mann der Welt, der sich mit Morphiumproblemen und Rückenschmerzen herumplagen musste. Well, wie war das bei Bill Clinton mit den Frauen Hillary und Monika?


"Das ist vielleicht die Intention", flüsterte mir mein Sitznachbar zu, der während der Vorstellung emsig Notizen auf einem kleinen Zettel machte, nachdem ich zu ihm bemerkte: "Schade, dass der Kennedy vor uns auf der Bühne auf mich garnicht wie der große Polit-Star wirkt, der damals als Hoffnungsträger der friedenshoffenden- und -willigen Jugend der Pop-Präsident der 1960er Aufbruchszeit mit den Beatles und Stones war. Ich hätte die Oper eher Jackie genannt", fügte ich leise hinzu.

Kate Allen als Jackie war die Person auf der Bühne, die mit ihrer Rolle, ihrem Gesang, meistens alle Ohren und Augen auf sich zog. Rauchend im Morgenmantel auf der Bettkante sitzend, na, das ist doch heutzutage fast schon ein Skandal.



Während meine Begleiterin hinterher immer wieder besonders auf diese innere Zerrissenheit der Jackie einging, die - zumindest in dieser Oper - über die Seitensprünge ihres Gatten tief enttäuscht war, hatte ich davon nicht viel mitbekommen. Da siehst du mal wieder, wie verschieden Mann und Frau empfinden können. Überall, auch im Theater.



Es war keine Frage, die mich mit der Rolle von Sally du Randt beschäftigte. Nein, ich war gespannt, ob sie sich geschickt genug durch das Orchester zur Bühne hoch schlängelte. Das tat sie manchmal. Sie saß anfangs am  Regie-Pult, mitten unter uns Zuschauern, wo sie neben dem Kollegen, Wolfgang Schwaninger, saß, mit dem sie ab und zu aufstand, sich umdrehte und mich und das restliche Publikum wunderschön ansang. Seine Stimme: klar wie ein Bergsee. Wenn sie dann ihr Pult verließ, um zur Bühne zu gelangen, befürchtete ich, dass sie vielleicht mit einem Hüftschwung einem Geiger im Orchester das Instrument aus den Händen riss. Ist nicht passiert. Uff! Noch immer habe ich eine wunderbare Tonschleife mit ihrer Stimme in meinem Ohr, wenn ich an diesen Open-Abend denke.



Sie war soooo berührend, so schmetterlingshaft, diese kleine Ballerina, die ganz in Weiß über die Bühne schwebte. Doch nicht bemüht perfekt, sondern mädchenhaft, kindlich, spielerisch, einfach so mit Spaß. Ganz, ganz zauberhaft. War das der Geist der Arabella Kennedy, die im August 1956, drei Jahre nach der Ehe, als Tochter von John Fitzgerald Kennedy und Jacqueline Lee Bouvier Kennedy als Totgeburt im Newport Hospital, zur Welt kam? Well, ein Programmheft kaufen und es dann lesen, sind zwei ganz verschiedene Dinge. Wer war diese kleine Ballerina an diesem Abend, Susanne Dragon oder Anne Lohrum?


Mich als alten Punkrocksack hat auch die Frage beschäftigt: Wäre das nicht ein Stoff für ein rockiges Musical? So eine fette Ausstattung auf meiner Impotenz-Bühne wär doch mal saustark. Besonders bei unserem Song: "Wenn der Mohamed den Jesus küsst ... wenn sich die Gräber öffnen und die Toten alle Herrscher fressen ..."



Ich muss dem Opern-Direktor, Herzog, der so cool wirkt, aber so euphorisch über sein Team und seine Opern losfetzen kann, durchaus zustimmend auf die Schulter klopfen: Mann, das ist echt eine saustarke Oper, die hypnotische Momente hat, die aus einer poppigen Las Vegas Show mit Elvis stammen könnten.



Irgendwie habe ich mir in der Pause einen Popcorn- , Ice-Cream und Hot-Dog-Stand gewünscht. Hatten wir nicht mal in Augsburg ein Deutsch Amerikanisches Volksfest mit solchen US-Leckereien? Immerhin kam dadurch die NdW-Combo DAF heraus. Ja, einer von diesem Elektro-Duo studierte mal in Augsburg am Konservatorium, ich glaub Percussion, und feierte auch auf diesem Fest, von dem er den Namewn übernahm, das von Charly Held, dem ehemaligen Promotor von Roy Black & his Cannons, in den Clubs der Augsburger Ami-Kasernen war.

Bin ich abgeschweift? Sollte ich was zum zweiten Teil der JFK-Oper nach der Pause sagen? Muss nicht sein, davon ist mir nicht viel hängen geblieben. Außer, dass die Sängerinnen Kate Allen, Sally Durandt und Natalya Boeva hier jedenfalls zeigen konnten zu welch großartigen Sangesleistungen sie mit ihren artistischen Stimmbändern in der Lage sind. Das ist völlig unironisch gemeint. Bravo, Mädels, ihr habt alles gegeben, eure herrlichen Stimmen, ich nenn's mal Opern-Soul, kneteten unsere Herzen weich, selbst das härteste in unseren gut gefüllten Sitzreihen habt ihr noch in Chewing Gum verwandelt.



Ich berichte daher lieber mal wie diese Oper, der Autoren David T. Little und Royce Vavrek, losging: Die Kennedys fahren im offenen Straßenkreuzer durch Dallas. Der Kopf von JFK wird von einer Kugel getroffen. Seine Gattin Jackie krabbelt im schicken Kostüm am Sterbenden vorbei nach hinten. Warum? Manche meinen, sie hätte ganz einfach Angst davor gehabt, auch erschossen zu werden. Manche verurteilen sie, weil sie sich nicht genügend um ihren tödlich getroffenen Gatten im Auto kümmerte. Die über das Bühnenbild flimmernden Filmszenen jener Minuten werden wie ein unendlicher Albtraum wiederholt. Es sind später auch die Albträume von Jack und Jackie, die auf der Bühne für ein bisschen Opern-Horror mit dämonenhaft maskierten Gesichtern sorgen.

Beinahe hätte ich es vergessen: Ich war ziemlich überrascht als beim langen und lauten Schlussbeifall endlich Cowboy Tod seine goldene Maske abnahm. Ein langhaariger, sehr langhaariger Bursche tauchte auf. Jetzt quälte mich die nächste Frage: Wie bekam der seine mächtige Mähne unter den Hut? Oder sollte ich lieber den Opern-Direktor Herzog fragen: "Wann kommt denn bald wieder so eine affenscharfe Turbo-Oper?"

Wie tobten einst The Who im brutalen Beat bei "My Generation": "I hope I die before I get old!" Der JFK hat das durchgezogen. Wenn auch nicht freiwillig. Für uns war damals dieser JFK schier ein Teenager gegen unseren Polit-Greis Adenauer.



P.S. Andere Leute quälen andere Fragen an Herzog: Zum Beispiel: Wer hat jetzt wirklich den JFK in Dallas in seinem Auto eine Kugel durch den Schädel gejagt?  Also, nach dieser Oper, bei der der Texas-Mann Lyndon B. Johnson, US-Vizepräsident bei Kennedy, solches Cowboy-Machomachtzeugs abfeuerte, würde ich antworten: der war's, um endlich Präsident zu werden, oder?

P.P.S: "Meine Begleiterin fragte mich: War die Kate Allen wirklich krank? War das nur PR? Oder Lampenfieber? Die hat doch einen supersuperstarken Auftritt hingelegt!"

P.P.P.S. Eine Sängerin aus dem fantastischen Chor, der auch mal links von den Zuschauerreihen stand und emotionsgeladen den Raum durch voluminösen Gesang vibrieren ließ, war ganz traurig als ich sie fragte, ob diese Mega-Oper später mal wieder ins Staatstheater-Programm genommen würde, denn "JFK" gehöre mit dieser wahnsinnigen Oper in der europäischen Erstaufführung doch jetzt zum Augsburger Kulturgut. Nein, sie weinte nicht, aber schade, liebes Inszenierungs-Team mit Lancelot Fuhry, Roman Hovenbitzer und Natalia Orendain del Castillo - oder?

Aaron Bloed 


Frage an den Opern-Direktor des Staatstheater Augsburg, Daniel Herzog:
Was ist denn ihr Lieblingssong bei Queen, mit Freddie, dem Opernrocker, der im Jahr des JFK-Attentats von Sansibar nach London flüchtete?


Einige weitere Mitwirkende bei der Oper JFK
Regierungschef der UdSSR: Roman Poboinyi
Lyndon B. Johnson: Irakli Gorgoshidze
Texanische Politiker: Gabor Molnar, Oliver Scherer, Gerhard Werlitz, Lazslo Papp, Andre Wölkner, John Dalke
The Cutter/ein Kennedy-Bruder: Jan Plausteiner
Marylin Monroe/Stipperin: Sanka Kyselicova
Jacks Vater: Till Schuster
Jacks Mutter: Ilonka Batscheider
Kennedy-Geschwister: Alexander Hofmann, Ana Hahn, Lukas Mußmann, Camilla Scheider, Patricia Thoma, Jonas Wurm

Musikalische Leitung: Lancelot Fuhry
Bühnenbild und Video: Paul Zoller
Natalia Orendain del Castillo
Kostüme: Bernhard Niechotz
Dramaturgie: Sophie Walz
Einstudierung der Chöre: Carl Philipp Fromherz
Augsburger Philharmoniker
Opernchor des Staatstheater Augsburg
Extrachor: Extra-Chor des Theaters Augsburg
Knabenchor: Knabensolisten der Augsburger Domsingknaben
Statisterie: Statisterie

Bühne und Video: Natalia Orendain del Castillo & Paul Zoller
Regieassistenz & Abendspielleitung: Florian Mahlberg
Nachdirigat: Ivan Demidov
Musikalische Einstudierung: Piotr Kaczmarczyk, Theodore Granger, Michael Wagner
Choreinstudierung: Carl Philipp Fromherz
Einstudierung Knabenstimmen
(Augsburger Domsingknaben): Stefan Steinemann
Bühenbildassistenz: Vittorio Greco
Kostümassistenz: Madeleine Folger
Regiehospitanz: Maria Elena Santuccio
Inspizienz: Sibylle Schmalbrock
Soufflage: Lavinia Tarara, Anke Musetescu-Burmester
Bühnenmeister Claus Walch
Ton: Matthias Galster
Video: Andreas Füg, Robert Zorn
Maske: Barbara Bodenmüller-Blind, Denise Dietrich, Anneliese Leder
Requisite: Anita Aichinger, Petra Klas
Übertitel: Timm Gutfleisch, Caroline Klassen, Christoph Oebels, Linde Wang, Judith Werner



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Unsere meisten Bilder sind  Screen-Shots aus dem Trailer des Staatstheater Augsburg zur Oper JFK.

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