Chaos oder optimaler Plan? Augsburger Theater-Finanzierung: "Augen zu und durch!"

Gespräch mit der Stadträtin Regina Stuber-Schneider zur umstrittenen Sanierung des Augsburger Staatstheaters, die nach neuesten Schätzungen plötzlich über 300 Millionen und mehr kosten soll ...

Augsburger Stadträtin Regina Stuber-Schneider von den Freien Wählern mit ihrem Kollegen Peter Hummel im Hintergrund.

Frage: Warum stehen die Augsburger Freien Wähler, also Peter Hummel, Hans Wengenmeir und Sie, Frau Regina Stuber-Schneider, der Renovierung des Augsburger Staatstheaters so kritisch gegenüber? Selbst der Redakteur Florian Fuchs, von der Süddeutsche Zeitung, kommentierte die Umbaukosten von geshchätzten 320 Millionen Euro als "Das ist es wert".

Regina Stuber-Schneider: Dieser Kommentar endet mit dem Rat: Die neue schwarz-grüne Stadtregierung wird sich allerdings an der Ankündigung messen lassen müssen, dass dafür keine Ausgaben für Bildung, öffentlichen Nahverkehr und andere wichtige Themen hinten runterfallen. Welch weiser Rat der SZ: Andere Projekte dürfen nicht hintenüber kippen. Ja, wie denn?
Wir sind in Bayern eine der ärmsten Kommunen.

Frage: Wie können Sie das einfach so sagen? Das tut doch jedem ehrlich arbeitendem Augsbürger weh.

Regina Stuber-Schneider: Man braucht nur einen Blick in die offiziellen Statistiken zu werfen. Außerdem stehen von den 1,1 Milliarden Haushaltsvolumen stehen doch nur ein paar Millionen noch zur "freien " Verfügung.

So sah früher die Schreinerei des Augsburger Theaters aus. 

Frage: Aber wir haben doch die frühere Finanzreferentin Eva Weber jetzt als Oberbürgermeisterin, die wird unseren geplagten Haushalt schon schaukeln.

Regina Stuber-Schneider: Glauben Sie? Alles andere ist doch bereits gebunden, Sozialausgaben, Personalkosten usw. Und jetzt binden wir weitere Millionen auf Jahre hinaus!

Frage: Was musst die Stadt Augsburg denn sonst noch so finanzieren?

Regina Stuber-Schneider: Der Bedarf allein bei den Schulen liegt bei mindestens 750 Mio - das ist die offizielle Zahl. Inoffiziell wird von ganz anderen Beträgen gesprochen.

Frage: Ist das nicht Schwarzmalerei?

Regina Stuber-Schneider: Nein, das sind die Zahlen des Augsburger Schulreferenten a.D. Auch ein Blick auf den Zustand unserer Infrastruktur wäre sehr erhellend!

Frage: Aber es sind doch nur Theater-Banausen und Kultur-Muffel, die gegen eine notwendige Renovierung des Augsburger Staatstheaters sind. 

Regina Stuber-Schneider: Nein, wir sind nicht gegen die notwendige Renovierung. Es ist einfach unfair, immer wieder zu suggerieren, alle, die Bedenken haben, sind nur blöde Kulturmuffel.

Der Theatersaal in der Komödie wurde von der Stadt aufgegeben.

Frage: Aber das sind die Theaterkosten-Kritiker doch, oder? 

Regina Stuber-Schneider: Das sind sie nicht. Sie versuchen nur, umfassender zu denken!

Frage: Wir haben gehört, der Freistaat Bayern beteiligt sich enorm an den Kosten seines Staatstheaters am Kennedy-Platz. 

Regina Stuber-Schneider: Und immer nur zu sagen: was regt ihr euch auf - das zahlt doch eh der Freistaat, ist so unfassbar kurzsichtig, dass man es schon nicht mehr nachvollziehen kann! 

Frage: Naja, aber der Freistaat zahlt doch mit ...

Regina Stuber-Schneider: Wer, bitte, ist denn der Freistaat?? 

Frage: Erklären Sie es uns!

Kommt der beliebte Hoffmanns-Keller wieder?

Regina Stuber-Schneider:  Ich dachte immer: Wir! Wir, die wir in Bayern leben, sind der Freistaat Bayern. Der Steuerzahler, also wir. Offensichtlich nicht.

Frage: Wollen Sie eigentlich ein Theater?

Regina Stuber-Schneider: Die Freien Wähler in Augsburg wollen durchaus ein Theater, wir haben ja der Sanierung des Großen Hauses zugestimmt, obwohl auch hier die Kosten durchaus noch steigen können.

Frage: Aha. Schauen wir ein bisschen in die Zukunft, was sehen Sie?


Auch die Freie Wählerin Angelika Lippert aus Oberhausen war beim ersten Bügerbegehren gegen zu hohe Kosten bei der Augsburger Theatersanierung dabei.

Regina Stuber-Schneider: Das ist wie ein Blick durch eine Camera Obscura: Wie das Bild entsteht, weiß man manchmal nicht so genau und ob es in vier Wochen oder nach zwei Jahren immer noch das gleiche ist, erst recht nicht. Als die erste Kostenschätzung des ambitionierten Theaterprojektes auf den Markt kamen, verfielen alle kurzfristig in eine Art Schockstarre. 300 Millionen Euros? Nicht auszudenken! Man quirlte, rührte und mixte - und siehe da, für 186 Mio würde es auch gehen.

Frage: Bravo, die Bürger waren wieder beruhigt. 

Regina Stuber-Schneider: Ja, alle waren es zufrieden. Doch schon bald kamen Zweifel auf. A bissle mehr könnts scho wern. Vielleicht sogar a bissle mehr als mehr. Für die SPD eine missliche Lage.
In ihrer Verzweiflung erfanden unsere roten Brüder im Herrn den Begriff "atmender Deckel".

Frage: Das lassen wir uns auf der Zunge zergehen: atmender Deckel.

Vorschau aufs Programm des Augsburger Staatstheaters.


Regina Stuber-Schneider: Ich finde diese poetische Begrifflichkeit toll. Sie passt zu Kultur. Sie wollten damit sagen: Wir sind Teil der Regierung, also ganz laut schreien dürfen wir nicht, nur ein bisschen. Wir wollen eine Obergrenze, aber mit Spielraum. Ein atmender Deckel ist aber kein hyperventilierender Dampfkessel. Die SPD rechnete mit lediglich ein paar Milliönchen mehr - und das taten alle.

Frage: Alle?

Regina Stuber-Schneider: Nein, einer nicht: Volker Schafitel, das enfant terrible, unser ehemaliger Mann im damaligen Stadtrat, sagte damals schon die erste Kostenschätzung von rund 186 Millionen ist nicht zu halten. Er vermutete, das wird mindestens 300 Millionen kosten. Und jetzt so zu tun, 300 Millionen sei immer klar gewesen, ist gelogen. Nun wäre eine Entschuldigung für ihn fällig. Und was die Zukunft betrifft: Ob die jetzt angenommene 6%ige Kostensteigerung reichen wird, ist offen.


Das ursprüngliche Große Haus des Augsburger Staatstheaters, nachdem die vorherige Spielstätte in der Jakober Vorstadt abgerissen wurden. Damals war schönes Flanieren auf einem kleinen Park vor den Eingängen möglich und angesagt.  

Frage: Ja, so eine Entschuldigung hätte Herr Schafitel wirklich verdient.

Regina Stuber-Schneider: Nach der Schockstarre über die erste Zahl, nämlich 300 Millionen, wurde wild gerechnet, sonst hätte nämlich keiner zugestimmt! Die Regierungsmehrheit hat leider beschlossen, am Projekt ohne neuerliches Nachdenken festzuhalten.

Frage: Was geschah?

Regina Stuber-Schneider: Es musste weniger werden. Und jeder, der, so wie die Freien Wähler, gesagt hat, dass 186 Mio nicht zu halten sind, wurde ausgelacht und für blöd erklärt. 

Frage: War das echt so?

Regina Stuber-Schneider: Ja, man sollte doch bei der Wahrheit bleiben. Wir wissen nicht, welche Überraschungen im denkmalgeschützten Bauteil I des Theater-Gebäudes noch warten.

Frage: Und wie ist das mit der Förderung durch Bayern?

Der Augsburger Stückeschreiber Bert Brecht hatte nur Ärger mit dem Augsburger Theater. Seine Stücke wurden damals nicht dort uraufgeführt. Er wurde sogar von Theater-Leuten wegen Beleidigung angezeigt, als er eine scharfe Kritik zu einem Stück verfasste.

Regina Stuber-Schneider: Bezüglich der Förderung wissen wir nur, dass gefördert wird, aber nicht, was genau gefördert wird. Dies sei aber normal, denn Förderanträge werden erst gestellt, wenn Kosten entstanden sind. Wir werden auch daran erinnert, dass Staatstheater zu sein auch Qualitätsverpflichtungen mit sich bringt, die man nicht einfach abstreifen kann.

Frage: Gut, dann kostets also jetzt 300 Millionen Euros. 

Regina Stuber-Schneider: Ob es bei 300 Mio bleiben wird, ist ebenfalls nicht klar, nur nebenbei bemerkt.

Frage: Auf jeden Fall könnten wir mit dem neuen Theatergebäude endlich zu einer wichtigen Theaterstadt in Deutschland werden.

Mit dem Fahrrad in Augsburg unterwegs: die Stadträte Regina Stuber-Schneider mit dem blauen T-Shirt und Hans Wengenmeir ganz rechts auf dem Foto. 

Regina Stuber-Schneider: Das ist relativ, schauen Sie doch mal welches Einzugsgebiet Ulm hat, oder München, oder das Landesschauspiel in Memmingen. Da bleibt für uns nicht viel. Und jetzt, durch Corona, brechen die Zuschauer fast völlig weg. 

Frage: Fassen Sie zusammen, wie verhalten sich die Freien Wähler weiterhin im Augsburger Stadtrat, wenn es um die teure Theater-Sanierung geht?

Regina Stuber-Schneider: Die Freien Wähler haben der Sanierung des großen Hauses zugestimmt. Wir brauchen ein Theater und die Freien Wähler stehen da zu. Aber Intransparenz und einfach weiter so kann es in einer so angespannten Lage auch nicht sein. Dem 2. Bauabschnitt haben wir daher nicht zugestimmt.

Buntes Banner vor dem Augsburger Theatergebäude am Kennedy-Platz als es gegen den Fremdenhass ging.

Frage: Und wie gehts da weiter, Frau Stuber-Schneider? 

Regina Stuber-Schneider: Das Motto unserer Stadtregierung lautet: Augen zu und durch! S'werd scho wern! Hoff mas Beschte!


Das Gespräch führte Martin Ecker

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