Böse Parolen und Morde

 Kommentar der Woche

Menschen begegnen Menschen

Text zur Illustration aus den 1950ern: Im zweiten Kampf siegte durch Doppel-Nelson May Johnson aus Liberia. „Prämie: Ein Paket Persil, gestiftet von Herrn Theo Prosel, zur Verbesserung des Teints“, verkündete der Ringrichter. 

Endlich fahren in Augsburg (fast alle) auf der Schiene political correctness: Das Fugger und Welser Erlebnismuseum wird auf Linie gebracht, das Hotel „Drei Mohren“ heißt bald „Maximilians’s“, unabhängig davon, dass Kaiser Maximilian auch kein Vorbild für die Nachwelt war. Nur der Judenberg führt von der Maximilianstraße noch immer direkt in die Altstadt und kaum einer nimmt Anstoß. Die hier genannten Orte sind auch Treffpunkte für alle Altersgruppen und alle Schichten.

Menschen begegnen Menschen – gegen den Haß anschreiben“ ist eine Broschüre übertitelt, herausgegeben vom Gymnasium bei St. Anna im Schuljahr 1992/93. In diesem Heft geht es, so steht’s im Vorwort, um „Böse Parolen, Gewalt gegen Ausländer und ihre Wohnungen, Morde an Frauen und Kindern auf der einen Seite, Betroffenheit, Aufrufe, Lichterketten und Demonstrationen auf der anderen Seite.“ Von der damals 5. bis zur 13. Klasse haben Schüler und Schülerinnen ihre Begegnungen, Erlebnisse und Erfahrungen veröffentlicht. Der Beitrag der Klasse 10 a ist übertitelt. „Alle Neger sind hinterlistig, feig und faul“ und beinhaltet alles, was uns heute so umtreibt. Der Schlusssatz des Artikels ist eine Frage: „Haben wir wirklich dazugelernt?“ Ein spontanes „Nein“ ist (fast) angebracht. Wir benennen Orte und Straßen um, wenn möglich reißen wir Denkmäler ein und wissen bei alledem doch nicht, was wir tun.

Zurück in die Gegenwart und zur political correctness. Ich bin gewiss, dass offen, oder hinter vorgehaltener Hand, Witze gemacht werden über die neue korrekte Denk- und Schreibweise, über „Neger, Vagabunden, Zigeuner, Juden, Kümmeltürken und Schlitzaugen, über Polacken, Wodkarussen, Muselmänner, Kanaken, amerikanische Kaugummifresser, Rothäute, Japsen, Krauts, Spaghettis, Itaker, Buschmänner, Bastarde und, und, und …“. 

So lange – und hier sind wir, sind alle Menschen, egal welcher Herkunft, gefordert – nicht lernen, mit Respekt einander zu begegnen, sind Umbenennungen weniger als ein Tropfen auf den heißen Stein im Augsburger Asphalt.

Wir müssen (!) aus der Vergangenheit lernen für die Zukunft. Deshalb ist es wichtig, dass Orte, Plätze und Straßen uns an unrühmliche und rühmliche Zeiten erinnern. Voraussetzung dafür aber sind Diskussionen, die ehrlich und nicht aus Marketinginteressen oder gar aus Karrieregründen geführt werden.

Die Verfasserin dieser Zeilen hat den 17. Juni 1953 in der damaligen DDR miterlebt, und wenn sie in Berlin durch „Die Straße des 17. Juni“ geht, weiß sie, dass wir und unsere Nachgeborenen uns an diese Zeit erinnern müssen, um es in Zukunft besser zu machen, damit Menschen den Menschen begegnen.

Sybille Schiller


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