Der Silber-Schwindel! Wo bleibt Abstimmung über umstrittene Totalwerbung bei Bus und Tram?

Die Werbung verklebt die Sicht der Fahrgäste.



Unser Wochenkommentar
zu den Straßenbahnen in Metallicsilber mit sichtbehindernder Werbung

Ja, welche fragwürdige Freude! Unsere neuen Trams tragen entlang der Dachkante ganz fein gestrichen unsere Augsburger Stadtfarben. Weniger als 2 Prozent der Augsburger (5.200 von über 300 000 Einwohnern) sollen dafür gestimmt haben. Na bravo! Wie kam denn diese „Mehrheit“ zustande, haben die SWA-Mitarbeiter und die Vertreter jener Firmen, die nun noch mehr Werbung schalten können, etwa mit abgestimmt?

Die zuletzt gekauften Busse waren von Anfang an metallicsilber lackiert. Dazu wurde niemand befragt. Es gab auch keine Abstimmung, ob die Augsburger auf das schöne farbliche Design an Bahnen und Busse verzichten wollen, das seit Ende der 70er Jahre unser Stadtbild geprägt und für den öffentlichen Nahverkehr geworben hat. Nur noch 40 Prozent der Verkehrsmittel fahren in diesen Farben! Seit die Fahrzeuge zur Totalbeklebung freigegeben sind, finden sich nur noch minimale Restflächen mit den Stadtfarben an Stirn- und Heckseite der Wagen. Damit diese nun auch nicht länger die ach so notwendige Werbung stören, wird alles mit dem Silberlack grundiert.

Wer die Keule mit drohendem Wegfall von Werbemillionen schwenkt, muss auch Ross und Reiter nennen, wer denn für wie viel wirbt und was dabei wirklich herauskommt.

Die einstige Farbgebung wurde über einen echten Wettbewerb gefunden, und das damalige Preisgericht von keinem geringeren als dem bekannten Schweizer Künstler Max Bill geleitet.

Es ist deshalb nicht zu viel verlangt, eine offene Abstimmung zu veranlassen, bei der sich dann mehr als 2 Prozent ein Urteil bilden. Vor allem muss darüber abgestimmt werden, ob Bahnen und Busse mit Werbung zugekleistert werden und so den Fahrgästen, besonders Kindern, die Sicht nach draußen nehmen dürfen! Wer wissen will, was unsere neuen Straßenbahnen mit Werbung zu tun haben, der informiere sich, wie viel Reklame bereits auf den neuen silbernen Bussen gemacht wird. Nämlich derart viel, dass vor allem Kinder, die mit Bus fahren müssen, nicht aus dem Fenster blicken können!

Wie bei der AVV, wie in München und Gersthofen und vielen anderen Städten sollen die Fahrgäste und Besucher auch unserer Stadt eine freie unbehinderte Sicht durch die Fahrzeugfenster haben.

Welche Haltestelle kommt jetzt?, fragt vielleicht ein sechs- oder siebenjähriges Kind, das allein zu Großeltern oder Verwandten fährt, aber die Haltestelle vor lauter Reklame nicht erkennt. Und falls dazu noch ein Geräuschpegel herrscht, ist die Ansage leicht zu überhören.

Augsburg sollte um seiner Stadt-Identität willen die neue „silbrige“ Entscheidung mit goldiger Einnahmenerwartung hinterfragen, wenn möglich stoppen.

Man hat’s einfach nicht leicht in diesen Zeiten, aber geht’s noch, wenn man das ungute Gefühl hat, verschaukelt zu werden.


Sybille Schiller

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Bericht über die neuen Farben bei den Augsburger Straßenbahnen

Totalwerbung behindert Sicherheit!

Diese sichtmindernde Werbe-Beklebung geht die ganze Straßenbbahn durch.


Warum die neue Augsburger Tram metallicsilbern lackiert werden soll:


Tatsache ist, dass eine Silberlackierung kaum teurer ist als der bisherige Anstrich für unsere Straßenbahnen. Allerdings zeigt ein Vergleich, dass Silber- Fahrzeuge wesentlich einfacher und großzügiger mit einer Totalwerbung auf den ohnehin schon verklebten Scheiben zu gestalten sind.

An der ehemaligen Wirkungsstätte Karlsruhe von Augsburgs swa-Geschäftsführer Walter Casazza wurden dort auch Silberbusse eingeführt. Allerdings wurde diese Umgestaltung nicht mehr für die dortigen Trambahnen verwirklicht, weil Casazza freudig in Augsburg den Stadtwerkechefposten übernahm.

Nach seinem Weggang aus Karlsruhe hat nun diese württembergische Stadt wieder auf seine traditionellen Farben zurückgegriffen, das Silber aber ist und bleibt verschwunden! Dort scheint der Slogan zu gelten: "Von hier, für uns!"

In Augsburg verhält es sich so: Das Werbeblatt der AVG zeigt bereits Silber bei Carsharing und Bussen, die jedoch noch auf der traditionellen, der bisherigen Bahn stehen. Jetzt sollen die Straßenbahnen auch noch "versilbert" werden. Doch dieser Silberanstrich stand überhaupt nie (!) zur Debatte Abstimmen durften die Augsburger Bürger lediglich über einen schmalen Farbstreifen an der Dachkante!

In den 1970er Jahren hat der damalige Stadtwerkechef Felix Zimmermann ganz auf die seinerzeit noch zurückhaltende Fahrzeugwerbung verzichtet. In dem Buch „Ein Oberbürgermeister tischt auf“ schildert er seine damaligen Bemühungen um eine gute Außengestaltung der Busse und Bahnen in Augsburg. Von dem bekannten Künstler Franz Hahnle stammte ein vom Augsburger Baukunstbeirat belobigter Entwurf, der fast drei Jahrzehnte lang unsere Busse und Bahnen zu einem Markenzeichen für die Schwabenmetropole Augsburg gemacht hat.

Noch von Reinhold Wenninger, ein Vorgänger von Walter Casazza, bekamen wir dann das zweifelhafte Geschenk der Totalwerbung!

Der Unterschied zum Umland und anderen Städten

Warum hat zum Beispiel der AVV seit einiger Zeit komplett auf Werbung an seinen Bussen verzichtet? Auch die Gersthofer bekleben keine Scheiben, was beweist: Das Umland zeigt uns erneut, was Zukunft ist.

Und zum guten Schluss: München verklebt auch nicht total seine Tram- und Bus-Scheiben! Ulm hat sogar differenzierte Vorgaben für jeden Fahrzeugtyp, und Scheiben dürfen nur zu einem ganz geringen Umfang und maximal zu einem Drittel Fläche von unten her beklebt werden. An Plätzen für Behinderte dürfen gar keine Scheiben verkleistert werden. Selbst Karlsruhe hat keine Werbung mehr auf seinen Fahrzeugen für den öffentlichen Nahverkehr.

Aus Sicherheitsgründen müsste eigentlich das komplette Scheibenbekleben verboten werden, denn bei einem Unfall verhindern Klebefolien, dass das Sicherheitsglas seine rettende Wirkung entfaltet! 

Die Interessen der Fahrgäste werden mit Füßen getreten: Verklebte Fenster wichtiger
als der Kundenwunsch auf freie Sicht.



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