Sybille Schiller: Meine Erinnerungen an Christel Peschke

Christel Peschke bei einem der letzten Interviews mit Sybille Schiller.

In der Augsburger Altstadt hat alles angefangen

Es war eher Zufall, dass ich Christel Peschke privat und nicht auf irgendeiner Premierenfeier im Stadttheater kennengelernt habe. Wir haben gerne im selben Geschäft in der Altstadt, nämlich bei „Ingrid Moden“ eingekauft. Ingrid Kroetz war Christels Freundin und Vertraute. Wenn ich Christel und Ingrid treffen wollte, dann um die Mittagszeit herum auf einen Kaffee in Augsburgs wunderbarer Altstadt. 

Manchmal hat sie mich im Geschäft auch beraten und gesagt: „Das musst du anziehen, das passt zu Dir!“ und war dabei sehr resolut. Aber sie fragte auch mich: „Meinst Du ich soll ganz in Schwarz zu meinem nächsten Brecht-Auftritt gehen oder doch wie immer ganz im Brecht‘schen Sinn meine uralte braune Lederjacke anziehen?“ 

Bei solchen Treffen war die Rede - schließlich waren wir in der Altstadt – von der Altstadtkneipe „Grauer Adler“ die Rede. Dort war oft auch Harald Schmidt Gast und mit dabei, als Christel ihren ersten Brechtabend gab, schließlich gehörte Schmidt zum Augsburger Schauspielensemble. Und später hat er dann für Christel das BB-Lied „Die Rose vom Schipkapass“ vertont, die Noten waren bis zuletzt in ihrem Besitz. 

Ingrid Krötz (Ingrid Moden), Bettina Wiemer und Christel Peschke


Als ich, ebenfalls vor vielen Jahren gebeten wurde, in der Serie „Menschen am Theater“ für die Augsburger Allgemeine ein Porträt über „die Peschke“ zu schreiben, wollte sie erst auf einem ganzen bestimmten Bild bestehen. Ein bisschen Eitelkeit gehörte halt auch bei ihr dazu. Silvio Wyszengrad hat das Foto aber dann doch ganz in ihrem Sinn gemacht. Die Überschrift zum Artikel war: „Ich hätte ihn gerne kennengelernt.“ Kein Zweifel, es war Bert Brecht.

Lilo Ferstl hat im Januar Geburtstag, und jedes Jahr tanzte an diesem Tag
Christel Peschke mit ihr den Geburtstagswalzer.


Ja, und dann erfüllte sich für die „Giese aus Augsburg“, wie sie in Anlehnung an die wunderbare Brechtdarstellerin Therese Giese auch geehrt wurde, unter der Aera von Intendant Peter Baumgardt (1992 bis 1997) ein Herzenswunsch. „Mutter Courage“ wurde auf den Spielplan gesetzt. „Endlich“ dachte Christel, dann kam das „Aber“. Sie durfte die Courage-Lieder nicht singen, weil Baumgardt der Ansicht war, die Texte würden ohne Vertonung noch besser wirken. Sei’s drum. Liebe Christel, Du warst immer bekennende Brechtanhängerin und hast zu deinem 80. Geburtstag das Soloprogramm „Die unwürdige Greisin“ vorgestellt. „Die unwürdige Greisin“ hatte BB im Exil geschrieben und später in die Kalendergeschichten aufgenommen. 

Letztes Zusammentreffen vonm Christel Peschke mit Harald Schmidt 2019 in der Augsburger Stadtbücherei. Mit dabei der FAZ- Kolumnist Timo Frasch.


Im Laufe der Jahrzehnte häufen sich die Erinnerungen, besonders auch an den einen Wunsch, endlich eine CD mit Brechtgedichten und –liedern herausgeben zu können. Brechtforscher Jürgen Hillesheim war damals gleich mit dabei, und aufgrund der Freundschaft zu Eberhard Schaub (1939 – 2020) von Hasenbräu, dem Theater Augsburg, der Stadtsparkasse und dem damaligen Kulturbüro sowie auch mir, entstand diese CD, zu der Dramaturg Wolfgang Kunz die Texte geschrieben hatte und wie immer Geoffrey W. Abbott ihr Begleiter am Piano war. Die CD beginnt mit „Das Lied vom Kelch“ und endet mit „Das Lied von der Wolga“. Diese CD war die erste, die produziert wurde, sollte aber nicht die letzte sein. Ihr persönliches Lieblingslied war das „Lied der Hanna Cash“. Es ist auch das meine, und deshalb, liebe Christel noch einmal „Danke“, dass Du es an meinem 60. Geburtstag für mich gesungen hattest, „ Gott mach’s dir einmal wett“.

Sybille Schiller

Christel Peschke im Brecht-Haus mit Brecht-Buch.



Die Ballade von der Hanna Cash

Mit dem Rock von Kattun und dem gelben Tuch
Und den Augen der schwarzen Seen
Ohne Geld und Talent und doch mit genug
Vom Schwarzhaar, das sie offen trug
Bis zu den schwärzeren Zeh'n
Das war die Hanna Cash, mein Kind
Die die Gentlemen eingeseift
Sie kam mit dem Wind und ging mit dem Wind
Der durch die Savannen läuft

Und sie hatte keine Schuhe und sie hatte auch kein Hemd
Und sie kannte auch keine Choräle
Und sie war wie eine Katze in die große Stadt geschwemmt
Eine kleine graue Katze, zwischen Hölzer eingeklemmt
Zwischen Leichen in die schwarzen Kanäle
Sie wusch die Gläser vom Absinth
Doch nie sich selber rein
Und doch muss die Hanna Cash, mein Kind
Auch rein gewesen sein

Und sie kam eines Nachts in die Seemannsbar
Mit den Augen der schwarzen Seen
Da traf sie Jacky Kent mit dem Maulwurfshaar
Den Messerjack aus der Seemannsbar
Und der ließ sie mit sich geh'n
Und wenn der wüste Kent den Grind
Sich kratzte und blinzelte
Dann spürt die Hanna Cash, mein Kind
Den Blick bis in die Zeh'

Und sie kamen sich näher zwischen Wild und Fisch
Und gingen vereint durchs Leben
Und sie hatten weder Bett noch keinen Tisch
Und hatten selber nicht Wild noch Fisch
Und keinen Namen für die Kinder
Solang' man geht durch Schnee und Wind
Bis dass man nicht mehr kann
Solang' ging die Hanna Cash, mein Kind
Mit ihrem lieben Mann

Und der Sheriff sagt, dass er'n Schurke sei
Und die Milchfrau sagt: "Er geht krumm!"
Sie aber sagt: "Was ist dabei?
Er ist mein Mann!" und sie war so frei
Und blieb bei ihm, darum
Und wenn er hinkt und wenn er spinnt
Und wenn er ihr Schläge gibt
Es fragt die Hanna Cash, mein Kind
Doch nur, ob sie ihn liebt

Kein Dach war da, wo die Wiege war
Und die Schläge schlugen die Eltern
Und sie gingen zusammen, Jahr für Jahr
Aus der Alphaltstadt, in die Wälder gar
Und in die Savann' aus den Wäldern
Ob Schneewind pfeift, ob Regen rinnt
Ersöff' auch die Savann'
Es ging die Hanna Cash, mein Kind
Nun mal mit ihrem Mann

Kein Kleid war so arm, wie das ihre war
Und es gab keinen Sonntag für sie
Keinen Ausflug zu dritt in die Kirschtortenbar
Und keinen Weizenfladen im Kaar
Und keine Mundharmonie
Und war jeder Tag, wie alle sind
Und gab's kein Sonnenlicht
Es hatte die Hanna Cash, mein Kind
Die Sonn' stets im Gesicht

Er stahl wohl die Fische, das Salz stahl sie
So war's, das Leben ist schwer
Und wenn sie die Fische kochte, sie
Dann sagten die Kinder, auf seinem Knie
Den Katechismus her
Durch fünfzig Jahre, in Nacht und Wind
Sie schliefen in einem Bett
Das war die Hanna Cash, mein Kind
Gott mach's ihr einmal wett

Durch fünfzig Jahre, in Nacht und Wind
Sie schliefen in einem Bett
Das war die Hanna Cash, mein Kind
Gott mach's ihr einmal wett

CD-Cover des Musik-Albums mit Brecht-Songs. Dargeboten von Christel Peschke 
und Geoffrey W. Abbott. Darauf auch eins ihrer Parade-Lieder,  die "Ballade von der Hanna Cash".

Porträt der Christel Peschke
in der Augsburger Allgemeinen,
geschrieben von Sybille Schiller-


Sybille Schiller am Wasserturm in dem auch Christel Peschke
mit Brecht-Liedern aufgetreten ist.


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