Verzweifelter Hilferuf einer Augsburger Künstlerin: "Wir interessieren niemand!"

Ruth Rossel schreibt jegliche Corona-Hilfe durch die hiesigen Politiker schon ab.


Die bekannte Augsburger Cellistin Ruth Rossel lebt von ihren Auftritten. Nicht nur sie leidet unter starken finanziellen Problemen durch die Corona-Pandemie. Auch viele andere Augsburger Künstler müssen seit einiger Zeit in den Abgrund schauen. Wir veröffentlichen hier ihren erschütternden Aufruf:

"Positiv bleiben! Sich nicht von Angst treiben lassen, die Augen offen halten und durchhalten! Auch, wenn ich nicht mehr mit irgendeiner staatlichen Unterstützung rechne und das Arbeitsverbot, bzw. Auftrittsverbot in meiner Branche seit März 2020 kein Ende nimmt. 

Hier ist die Allgemeinheit gefordert: unterstützt meine Branche, kauft Tickets! 

5 Bühnen, auf denen ich aufgetreten wäre, sind mittlerweile schon insolvent! 88% meiner Branche wird es nicht schaffen!

Und ich hab den Eindruck, so wirklich interessieren tut es niemanden außer meine eh treuen Fans.

Ich höre von lokalen Politikern auch immer nur: unterstützt den Einzelhandel, aber ich höre nie: unterstützt unsere lokalen Künstler."

Seit einiger Zeit gibt es in Augsburgs löbliche Ansätze, um den Künstlern zu helfen, die jetzt nicht mehr vor Publikum arbeiten dürfen und darum kein Geld für ihre Existenz verdienen können. Wobei es den Künstlern stark widerstrebt in eine Bettler-Rolle gedrängt zu werden. Jedoch müssen die meisten ohne Aufträge den ungewollten Gang zu Hartz IV antreten. Immer mehr Musiker kündigen ihre Proberäume und verkaufen nach und nach ihre Instrumente und Sound-Anlagen. 

Es hilft nicht viel, wenn hier mal 10.000 und da mal 20.000 Euro an die Künstler rübergereicht werden. Das klingt auf den ersten Blick nicht schlecht. Undankbar wollen die Künstler nicht erscheinen, aber diese Beträge können keinen Absturz verhindern. Einfaches Rechenbeispiel, selbst wenn die Stadt 100.000 Euro für die Künstler locker machen würde, würden bei 200 Künstlern jeder nur 500 Euro bekommen, was gerade eine Woche Monate normales Überleben reichen könnte. Und dann? Nein, von Luft und Liebe können auch Künstler nicht leben. Was denken sich Augsburgs Stadträte, die für eine paar Sitzungstermine im Monat rund 1800 Euros erhalten? 

Beim KültürTV-Gespräch mit Silke Stoll und Fabio Esposito: Kathrin Jung und Yasar Dogan.


Mit einem Konzept wie "Kultur vor dem Fenster" werden die Künstler durch die Vorgärten und über die Terrassen in Augsburg gehetzt. Oder sie schleppen ihre Ausrüstung in den Altenheimpark. Dafür, so haben wir gehört, gibts dann 150 schlappe Euros pro Auftritt. wobei dann noch eine lange Latte an diversen Vorschriften zu beachten sind und 1 – 2 Stunden vor Beginn des Auftritts via E-Mail die Ordnungsbehörde, die Augsburger Polizei und den Verkehrsüberwachungs- und Ordnungsdienst der Stadt Augsburg informiert werden müssen. 

"Wenn es mindestens 250 Euro pro Auftritt wären und wenigstens zehn Auftritte im Monat, dann wäre das zwar Schwerarbeit, aber wir könnten einigermaßen leben", meinen die Kultur-Leute. Kein Wunder, dass sich kaum Künstler-Profis daran beteiligen.

Die erfolgreichen Kültürtage, die dieses Jahr nicht stattfinden können,  machen mit dem extra gegründeten Video-Format "KültürTV" auf die Probleme und Nöte der Augsburger Kulturschaffenden aufmerksam. Immer donnerstags um 20.00 Uhr während "Kültürtage-Light" erscheint ein neuer Beitrag aus diesem Sendestudio zum Thema Kultur und Pandemie, präsentiert von Kathrin Jung und Yasar Dogan.

Das "Quartiersmanagement Rechts der Wertach" präsentiert für den kommenden Dezember, auf Weihnachten hin, die "Aktion 24 x Kultur im Advent".



Allerdings sind das  leider nur Tropfen auf dem heißen Stein. Denn es handelt sich dabei meistens um Aktionen mit einem ziemlich geringen Honorar, mit dem die Künstlerinnen und Künstler oft nicht mal ihre Stromrechnung bezahlen können, geschweige denn die Miete oder der Lebensunterhalt. 

Auch wenn der Augsburger Kulturreferent Jürgen Enninger bald zum "Kultur-Winter 2020" ein Veranstaltungs-Zelt im Gaswerkgelände aufbauen will, kann das den Künstlern, die Publikum brauchen, wohl kaum die Rettung bringen. Erstens soll dieses Zelt Miete kosten und zweitens ist nicht klar, ob es von der Stadt ein faires und lebenswichtiges Honorar für Auftritte gibt, oder ob die Künstler nur mit den unsicheren Eintrittsgeldern rechnen können. Wird die SWA einspringen? 

Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die meisten Augsburger Künstler durch die bisherige Information von dieser Lösung nicht begeistert sind, die für sie nur "ein schnell aus dem Ärmel gezogenes Feigenblatt ist, das ein bisheriges Versagen verdecken soll."

Kulturrferent Enninger zum Kultur-Winter-Zelt: "Aktuell sind wir in der Vorbereitungsphase, wo wir genau mittels der gestellten Fragen feststellen wollen, was die Rahmenbedingungen sind." Er hat Verständnis für die Kultur-Leute: "Es geht allen Künstlerinnen und Künstlern grad total mies! Das ist tatsächlich ein absoluter Alptraum. Deswegen gibt es gerade die neue Vielfalt an Förderprogrammen, die veröffentlicht wurden."

Kultur-Referent Enninger und seine Vernetzung.


Zu den heftigeren Vorwürfen gehören Sätze wie: "Wenn die Stadt den Baufirmen für das neue Staatstheater hundert Millionen Euro und mehr in den Rachen werfen kann, dann darf sie bei uns nicht knickerig sparen. Wo bleiben unsere Millionen? Was braucht`s Gebäude ohne Künstler? Sonst muss sich die Stadtregierung mit den Bürgermeistern Weber, Wild und Kränzle an der Spitze zutiefst schämen!"

Gastautor: Arno Loeb

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