Der Augsburger Seuchen-Arzt Jeremias Martius übersetzte die Schönheits-Tipps von Nostradamus. |
Der Beitrag über Jeremias Martius von Petra Rascke im 112. Band des Historischen Vereins für Schwaben behandelt das Leben und Werk dieses Augsburger Stadtarztes und Übersetzers Jeremias Martius, der als talentiertes Kind das St. Anna Gymnasium besuchen durfte. Sein Einstieg ins Berufsleben begann auf Wunsch des Bibliothekars Hieronymus Wolf mit der Übersetzung der Schriften des byzantinischen Mönchs Zonaras, der eine Geschichte der Welt verfasst hatte. Das dauerte fast ein Jahr und brachte rund 70 Gulden.
Danach beschloss Martius 1557 in Ingolstadt ein Medizinstudium zu machen. Wie damals üblich reiste Martius als Medizinstudent auch an andere Universitäten in Bologna, Padua, Siena, Pavia und Pisa. Vorher, ab 1558, schrieb er sich in Frankreich an der Universität von Montpellier ein. Diese war bekannt für ein hervorragendes Medizinstudium. Er wurde nach dem Erhalt seines Doktortitels in Augsburg 1564 zum städtischen Arzt ernannt.
In Augsburg herrschten damals schlimme Infektions-Krankheiten wie Pest, Lepra und Syphilis. Diese Geschlechtskrankheit wurde damals "Franzosenkrankheit" genannt. Wohl mit ähnlicher Absicht wie beim heutigen US-Präsidenten Donald Trump, der Corona auch gerne als die "chinesische Krankheit" bezeichnet. Ein Land und seine Bevölkerung soll als Krankheitsverursacher gebrandmarkt werden, damit sie zu bösen Feinden erklärt werden konnten. Man nannte die "Franzosen-Krankheit" auch "Blattern". Hautverfärbungen, offene Geschwüre und Beulen waren das Merkmal.
Raschke teilt dazu mit: "Seit dem ersten Auftreten der Krankheit in Augsburg 1495 konnten Betroffene im städtischen Blatterhaus Aufnahme finden, wo sich das dortige Pflegepersonal (Blattervater, -mutter, Pfleger) um die Kranken kümmerte. Die medizinische Versorgung und Behandlung im Blatterhaus teilten sich ein studierter Arzt und ein Wundarzt. Während der Wundarzt persönlich Hand anlegte, Wunden säuberte, Pflaster auftrug oder gar chirurgische Eingriffe vornahm, deutete der gelehrte Arzt - ohne meist den Kranken berühren zu müssen - die unsichtbaren Vorgänge im Körper des Kranken und stellte anschließend einen Therapie- und Ernährungsplan auf."
Zur Medizin gegen Blattern gehörte nicht nur eine spezielle Diät, sondern auch Quecksilberpflaster und Trink- und Schwitzkuren aus dem Guajacanum-Holz aus Südamerika. Importiert durch Augsburger Kaufleute wie Fugger und Welser. Impfen war damals noch nicht bekannt. Natürlich benutzte Martius gerne dieses Holz, das wohl eher schädlich, zumindest unnütz war, denn seine Ausbildung wurde nicht nur von der Stadt, sondern teilweise von Anton Fugger finanziert. Diese Gujacanum-Therapie taucht um 1508 in Europa auf und wird zur wichtigsten Säule in der Behandlung der Syphilis. Ausschlaggebend dafür ist eine Schrift des Humanisten Ulrich von Hutten über die Syphilis und ihre medizinische Behandlung mit Pockholz, wie das Gujacanaholz auch genannt wurde. Von Hutten, der selbst von der Krankheit betroffen ist, hat sich in Augsburg einer Guajacanum-Kur unterzogen. Nach der Kur hält er sich für geheilt, doch 1523 stirbt er an den Folgen seiner Syphilis-Infektion. Das änderte aber nichts an der enormen Bedeutung, die die Pockholz-Behandlung in der Folge erlangte. Pockholz erhielt den Beinamen Lignum sanctum, "heiliges Holz", und behauptete trotz zunehmender Skepsis bis Ende des 19. Jahrhunderts seinen Platz in der Syphilis-Behandlung.
Die Siechenhäuser, das erste wurde in Augsburg schon im 14. Jahrhundert bei St. Servatius errichtet, waren damals vor den Stadtmauern, denn der Verdacht war bereits vorhanden, dass diese 'Seuchen einen ansteckenden Charakter hatte und von Mensch zu Mensch springen konnten. Das Jahresgehalt für Martius und weitere andere 50 solcher Ärzte in Augsburg betrug 120 Gulden. Es war unvermeidlich, dass Wundärzte und gelehrte Ärzte über die Behandlung der Kranken stritten. Besonders bei den Themen Abführmittel und Aderlass.
Mit Sabina Gundelfinger heiratete Martius im Januar 1565 die Tochter aus einer "hochrangigen"Familie, erfahren wir von Raschke. Komischerweise verfasste Martius seine erste Handschrift über die Belagerung der Insel Malta durch die Osmanen. Danach begann Martius mit dem Übersetzen von Medizinbüchern aus anderen Sprachen. Etwas nützlicher für wohlhabende Frauen, die sich die damals sehr teuren Bücher leisten konnten, war die Übersetzung eines Werks des französischen Astrologen Nostradamus über die Herstellung von Süßigkeiten und Kosmetika. Wahrscheinlich, so vermutet Raschke, hat Martius den Nostradamus in Montpellier bei einem Vortrag gesehen und kennengelernt.
Homepage von Dr. Petra Raschke. |
Nachdem dieses Nostradamus-Buch mit mehreren Auflagen sehr erfolgreich war, nahm sich Martius ein im Auftrag des Augsburger Verlegers Georg Willer ein weiteres Kosmetikbuch aus dem Italienischen vor. Giovanni Marinello, ein venezianischer Arzt, verkündete darin über 800 Seite Schönheitstipps für Frauen; "zur Rechten Zier der Weyber." Martius widmete es der Herzogin Anna. Diese war darüber aber stinksauer. Vielleicht empfand sie es als Beleidigung? Martius begab sich auf ein anderes Feld, das er als Übersetzter beackerte: Die Landwirtschaft. Insgesamt sieben Bücher, verfasst von einem Agronomen aus Padua, übersetzte er aus dem Italienischen per Auftrag durch einen Straßburger Verleger. Dabei gings um die Behausung auf dem Lande, um Weinbau, Viehzucht und Landarbeit bei jedem Wetter.
Ein Buch über pflanzliche und tierische Gifte. Übersetzt von Martius aus dem Französischen ins Lateinische. |
Nachdem Martius verstorben war, "vermutlich an den Folgen eines epileptischen Anfalls", schreibt Raschke, heiratete seine Witwe den Augsburger Kaufmann und Bürgermeister Michael Mair. Erst viele Jahre später wurden unveröffentlichte medizinische Schriften von Jeremias Martius durch den Augsburger Mediziner Georg Jeremias Welsch bearbeitet und veröffentlicht.
Martius übersetzte auch das Buch "de venenis" über diverse Gifte, das vom Leibarzt der Prinzessin Maragarete von Savoyen stammte. Raschke stellt dabei fest: Martius wurde für seine Überstzerarbeit nicht üppig entlohnt. Verleger Plantin bot ihm als Honorar gerade mal 12 oder 20 Druckexemplare für seine Übersetzertätigkeit an.
Gastautor: Arno Loeb
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