Stoffdrucker Schüle: Knallharter Geschäftsmann - oder doch eher Ausbeuter?



Johann Heinrich Schüle – Mit Baumwolldruck zum Erfolg
Ausstellung im Grafischen Kabinett

Er machte es dem alten Fugger nach, der einst nach Augsburg zog und bestens heiratete und nach oben kam: Johann Heinrich Schüle. Am 13. Dezember 2020 jährte sich zum 300. Mal der Geburtstag des bedeutendsten Kattunfabrikanten des späten 18. Jahrhunderts. 

Schüle macht den bedruckten Baum­wollstoff von Augsburg aus zum größten textilen Massenartikel der damaligen Welt. Diesen Weg zeichnet die Ausstellung mit ausgewählten Kupferstichen und Dokumenten aus dem Bestand der Grafischen Sammlung nach.

In Künzelsau in einer Nagelschmied-Familie geboren, ist er begabt, fleißig und unermüdlich und zeigt schon früh großes In­teresse an Textilien. Nach einer Lehre als „Schnittwaren­händ­ler“ kommt er 1745 nach Augsburg, wo er nach Heirat als Groß­händler, Kattun­drucker und Produzent zu einem der führenden süddeutschen Unternehmer aufsteigt. In seiner Veredelungs-Manufaktur verarbeitet er neben Augsburger Stoffen unerlaubt auch große Mengen holländischer und ostindischer Kattune. Im Streit mit Weber-Zunft und Stadt bestraft, verlässt er 1766 Augsburg für zwei Jahre.

Unterstützt durch den Kaiser wird er rehabilitiert, erhält sein Vermögen zurück und darf weiter fremde Stoffe veredeln. In seiner besten Zeit beschäftigt er in der Stadt 3500 Menschen, fast 10 Prozent der Bevölkerung. Aufgrund wirtschaftlicher Probleme ging die an seine Söhne übergebene Firma in den Napoleonischen Kriegen in Konkurs.

Ohne Zweifel ist diese kleine aber feine Ausstellung über den Stoffdruck-Fabrikanten mit viel Wissen und Recherche von Dr. Christoph Nicht mit Dokumenten, Gemälden und Bildern zusammengestellt worden. 

Sogar die dunklen Seiten eines nimmersatten Unternehmers werden halbwegs dargestellt. Schüle holte sich billige Arbeitskräfte aus dem Zuchthaus, oder ließ Frauen vom Umland nach Augsburg kutschieren. Vielleicht auch ein Grund, warum die Textilbranche zu den Arbeitgebern wurde, die sehr schlecht ihre Leute zahlten und Stoff eine Wegwerfware wurde. Was Schüles Arbeiter leisten mussten, was sie erlitten und wie sie behandelt wurden, darüber schweigt sich die Ausstellung leider aus. Mit dem Begriff "knallharter Geschäftsmann", der seinen Kindern hunderttausende Gulden zukommen ließ, aber seine Arbeitskräfte mickrigst honorierte, wird das Ausbeutertum von Schüle fein umschrieben. Das ist aber nicht mehr zeitgemäß. Hier muss die Friedensstadt Augsburg kritischer und ehrlicher werden.

Ist es wirklich noch zeitgemäß, dass wir in Augsburg, die ausbeuterischen Unternehmer in der Stadtgeschichte glorifizieren und die Menschen einfach vergessen, die durch ihre Arbeit erst die Produktion, den Vertreib und den Reichtum durch den Verkauf möglich machten?

Immerhin wird auf den Info-Bannern im Grafischen Kabinett nicht verschwiegen, dass der Fabrikant Schüle auch zu kriminellen Machenschaften griff, um seinen Reichtum zu mehren: Er kaufte illegalerweise Stoffe außerhalb von Augsburg auf, was damals verboten war. Sein Besitz wurde beschlagnahmt und er musste aus der Stadt verschwinden. Irgendwie schaffte er es dann durch den Kaiser wieder unbehelligt in die Freie Reichsstadt Augsburg, die dem Kaiser direkt unterstellt war und an seine Besitztümer zu kommen. Solche aufklärerische Geschichte muss heutzutage viel mehr geboten werden. Da sind andere Städte schon viel weiter, wenn es darum geht an ihren historischen Helden auch die Schattenseiten deutlich zu erwähnen.

Schüle: Seine Arbeiterinnen und Arbeiter
mussten für ihn schwitzen und bluten.


Sonderausstellung
Johann Heinrich Schüle – Mit Baumwolldruck zum Erfolg
19.03.–27.06.2021 
Grafisches Kabinett
Maximilianstr. 48
86150 Augsdburg

Mehr Info: Ausstellungsseite


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