Bildungs-Katastrophe: Augsburgs Büchereien sind zu!

Für die ausgesperrten Besucher der Augsburger Stadtteilbüchereien in Lechhausen und Göggingen klingt es wie ein Hohn: "für alle offen." Angeblich mussten zu viele Mitarbeiter der Stadtbücherei für die Corona-Bekämpfung ins Gesundheitsamt abgeordnet werden. Folge: Schließungen und in der Zentrale am Ernst-Reuter-Platz kürzere Besuchszeiten. 

Das ist der GAU für Augsburgs Stadtregierung mit dem Damen-Duo Wild und Weber an der Spitze. Immerhin ist die Grüne Martina Wild nicht nur Bürgermeisterin, sondern auch die Bildungsreferentin. Zu Image-Zwecken lässt sie sich schon gern mal vor der Stadtbücherei ablichten. Jetzt werden die beiden schwarz-grünen Regierungs-Damen durch ihr Versagen scharf angegriffen und als nicht regierungsfähig angesehen.

Bürgermeisterin und Bildungsreferentin Martin Wild von den Grünen
verhindert die Bücherei-Schließungen nicht.


"Eine Bildungsreferentin, die sich nicht öffentlich gegen dergestalt symbolträchtige Einschnitte in ihrem Ressort wehrt, hat in diesem Job nichts verloren", meint DAZ-Zagler.

"Büchereien und Bäder zu: Die Stadt Augsburg schließt an falscher Stelle", kritisiert AZ-Krog.

Während im Gesundheitsamt durch wenige Corona-Infizierte viel zu viele Mitarbeiter verzweifelt nach Arbeit suchen, wie wir von dortigen Mitarbeitern hören, müssen die Kinder in Lechhausen und Göggingen ihren geliebten Lesestoff mit Auto oder Straßenbahn in der Innenstadt abholen. Eine umständliche und teure Angelegenheit. Viele Kinder werden das wohl bleiben lassen und sich im Internet oder gar nicht umsehen.

Viele Augsburger Kinder freuten sich über die Eröffnung der neuen
Stadtbücherei. Jetzt werden sie von der schwarz-grünen Stadtregierung
im Stich gelassen.

Es wird klar, dass Oberbürgermeisterin Eva Weber die Kontrolle über Augsburg verloren hat. Selbst Personalreferent Frank Pintsch, der durch sein bisheriges Stadtmanagement glänzen konnte, und schon als Weber-Nachfolger gehandelt wird, konnte das Personalkarussell wohl nicht richtig ausrichten. Hier wird auch der Ältestenrat vorgeschoben. 

Peinlich ist auch, dass die Stadträte in Göggingen und Lechhausen die Schließung ihrer wertvollen Kultureinrichtung nicht mitbekamen. Zudem zuckten manche darüber hilflos mit den Schultern. Engagierte Stadträte gehen da kämpferischer vor. Erst durch die Berichte in den Medien wachten sie halbwegs auf. Schnell jagte dann die soziale Fraktion eine Anklage gegen die Bücherei-Schließungen raus.

Während die Museen geöffnet sind, schließen ausgerechnet die Stadtteilbüchereien, die von den Kindern notwendig gebraucht werden. Jedenfalls mehr als die Museen. 


Diese Bücherei-Misere in Augsburg wird von vielen Bücherei-Besuchern als schlimme Bildungs-Katastrophe bezeichnet. Wobei auch das Corona-Dilemma nur als billige Ausrede für schlechtes Personal-Management der Stadtregierung gesehen wird.

Ehrenamtliche Bücherei-Mitarbeiter werden nun angeboten. 

Ein Proteststurm ist in der Bevölkerung am Wachsen. Völlig zu Recht. 

Kommentar: Martin Ecker


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Mitteilung der „Freunde der Stadtbücherei Augsburg“ zur Schließung der Stadtteilbüchereien und Reduzierung der Öffnungszeiten in der Zentrale.
Nicht nur Corona bedingter Bildungsnotstand
Geschlossene Büchereien verstärken
das Problem


Der Schaden, den Corona in unseren Schulen unübersehbar hinterlassen hat, ist evident und machte die schon lange bestehenden Probleme wie Lehrermangel und mangelhafte Digitalisierung für alle sichtbar.

Weniger spektakulär in Erscheinung getreten ist bisher die prekäre Situation der Stadtbücherei. Monatelangem Lockdown begegneten die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen kreativ mit erweiterten digitalen Angeboten, click & collect und Streamingformaten. Jetzt endlich ist der Zugang wieder mit einigen hinnehmbaren Einschränkungen möglich – dafür stehen die verärgerten und frustrierten Besucher nun vor verschlossenen Türen. Die Stadteilbüchereien Lechhausen und Göggingen sind komplett geschlossen, die Zweigstellen Haunstetten (15 Wochenstunden) und Kriegshaber (12,5 Wochenstunden) nur an drei Tagen in der Woche zugänglich und die Zentralbücherei am Ernst-Reuter-Platz ist mit den reduzierten Öffnungszeiten von 11- 17 Uhr für Berufstätige unerreichbar.

Warum? 20 % des Büchereipersonals sind langfristig bis dauerhaft abgeordnet in das Gesundheitsamt. Das betrifft mit besonders negativen Folgen auch Führungskräfte (Leitungen Lechhausen und Göggingen), die zu Teamleitern für das Gesundheitsamt ausgebildet werden. Und es betrifft medienpädagogisches Fachpersonal, das dringendst benötigt wird für die fundamentale Kernaufgabe der Stadtbücherei: Leseförderung und Vermittlung von Lese- und Medienkompetenz. Auch die Servicestelle für Schulbibliotheken war ein ganzes Schuljahr nicht besetzt - mit gravierenden Defiziten für Lehrer und Schulen.

Nicht zufällig dem Bildungsreferat zugeordnet

Das Personal ist nicht nur dringend nötig, um die Öffnungszeiten aufrechtzuerhalten, sondern auch für die originären, gesellschafts- und bildungspolitischen Aufgaben der Stadtbücherei – eine Einrichtung mit 30.000 Nutzern, 580.000 Besuchern und 1,4 Millionen Ausleihen im Jahr 2019!

Personalreferent Frank Pintsch (CSU) unterscheidet bei der Abberufung von städtischem Personal zwischen kommunalen Pflichtaufgaben und freiwilligen Aufgaben. Und zählt speziell beim Referat für Bildung und Migration Schulen und Kindergärten zu den Pflichtaufgaben und die städtischen Büchereien zu den freiwilligen. Die Stadtbücherei ist aber nicht zufällig dem Bildungsreferat zugeordnet, sondern hat einen bedeutenden außerschulischen Bildungsauftrag, den man nicht einfach abschalten kann. Insbesondere jetzt nicht, wo sich coronabedingt die Kluft in der Sprachbeherrschung zwischen Kindern aus bildungsnahen und solchen aus bildungsfernen Familien dramatisch geöffnet hat.

Immenser, langfristiger Schaden

Die Freunde der Stadtbücherei Augsburg e.V. plädieren dafür, bei der Abordnung von kommunalen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen aus den einzelnen Referaten nicht einfach nach mathematischen Werten vorzugehen und den Referenten zu überlassen, wie sie das Problem lösen, sondern den immensen, langfristigen Schaden - auch in der öffentlichen Wahrnehmung – zu berücksichtigen. Das gilt ganz besonders für die Stadtbücherei.

Katastrophe für die Verwaltung

150 kommunale Mitarbeiter und Mittarbeiterinnen können nicht ihren eigentlichen Aufgaben nachkommen. Das ist eine Katastrophe für die gesamte Verwaltung und den Bürgerservice und zwingt eigentlich zu alternativen Überlegungen. Warum wird das Freiwilligenzentrum mit seiner gut funktionierenden Infrastruktur nicht maßgeblich eingebunden? In einer Großstadt wie Augsburg gibt es garantiert genügend ehrenamtliches, schulungsfähiges, seriöses und engagiertes Potential für das Gesundheitsamt. (3.508 Zeichen)

14.10.2021
Dipl.-Bibl. Inga Gölitz
1. Vorsitzende | Freunde der Stadtbücherei Augsburg e.V.

Die Freunde der Augsburger Stadtbücherei freuten sich über die neue Stadtteilbücherei 
in Lechhausen. Jetzt sind sie entsetzt über die Schließung.

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