„Wer Waffen sät, wird Flüchtlinge ernten!“ - Friedensstadt Augsburg produziert für Waffenindustrie!

Jürgen Grässlin mit seinem „Schwarzbuch Waffenhandel“.


Bei seinem brisanten Vortrag in Augsburg betonte Deutschlands prominentester Rüstungsgegner Jürgen Grässlin: „Augsburg nennt sich Friedensstadt, ist aber Rüstungsstadt“, da hier diverse Rüstungsbetriebe ansässig sind; er nennt Renk, MAN, Premium Aerotec, MT Aerospace sowie diverse kleinere Zulieferbetriebe.

Jürgen Grässlin ist Pädagoge, Publizist und Friedensaktivist aus Freiburg. Träger des Aachener Friedenspreises, des Grimme-Preises und vieler weiterer Ehrungen. Autor diverser Bücher, das bekannteste ist das »Schwarzbuch Waffenhandel. Wie Deutschland am Krieg verdient«. 
 
Er sagt, durch seinen 5-monatigen Wehrdienst sei er zum Friedensaktivisten geworden. Wegen seines Engagements wurde Grässlin schon massiv von Rechtsradikalen bedroht. Jetzt sprach er im Evangelischen Forum Annahof bei der Augsburger Friedensinitiative, im Rahmen der Augsburger Friedenswochen und der Afrikanischen Wochen, vor coronabedingt kleinem, aber engagierten Publikum.


Die Fragen, die er stellt und dann auch beantwortet: Sind Rüstungsexporte aus Industrieländern ein Grund, eine oftmals lebensgefährliche Flucht zu wagen? Stellen Waffentransfers in Krisen- und Kriegsgebiete einen maßgeblichen Fluchtgrund dar? Und zählt Deutschland zu den Waffenexporteuren, die selbst Diktatoren und Despoten hochrüsten? Solche Fragen sind rein rhetorischer Natur. Die Faktenlage ist fatal. Und die breitet Grässlin mit großem Wissen und detaillierten Zahlen aus.

Ein Auszug: Die weltweiten Militärausgaben steigen seit 2001 (11. September!) steil an. Deutschland ist an 4. Stelle weltweit als Exporteur sowohl großer als auch leichter Waffen. Exporte von Kleinwaffen aus Deutschland haben weltweit mindestens 2 Millionen Menschen getötet!

Er sagt: „Durch all die Genehmigungen von Waffenexporten im Bundessicherheitsrat ist Angela Merkel die tödlichste Politikerin in Deutschland, sie hat sogar Helmut Kohl überholt.“

Es gibt zwar Exportkontrollen und Waffenembargos in Deutschland, aber dass dieses System nicht funktioniert, sieht man schon daran, wie Waffen weitergegeben werden. Jüngstes Beispiel: die Taliban in Afghanistan – sind die mit modernsten Waffen bestgerüsteten Islamisten der Welt. Exportverbote werden durch die Verlegung von Produktion ins Ausland oder die Zulieferung von Teilen an europäische Firmen unterlaufen, die dann die Gesamtsysteme exportieren (z.B. den Eurofighter – mit Teilen aus Augsburg – von Großbritannien nach Saudi-Arabien).

Aber: „Wer Waffen exportiert, importiert Flüchtlinge!“ Bei genauem Hinsehen ist zu erkennen, dass die Empfängerländer deutscher Kriegswaffen praktisch identisch mit den Herkunftsländern von Flüchtlingen sind, die Deutschland erreichen. Derzeit sind weltweit über 82 Millionen Menschen auf der Flucht vor Krieg, Hunger und Armut.

„Wer Waffen sät…“: Empfängerländer deutscher Kriegswaffen sind praktisch identisch mit den Herkunftsländern von Flüchtlingen, die Deutschland erreichen.


Und die Reaktion Europas? Abschottung. Grässlin: „Am 9. November feiert Deutschland den Fall der Mauer 1989. Gleichzeitig, am 9. November 2021, gibt es an der polnischen Grenze Stacheldraht, Abschottung und Pushbacks gegenüber Flüchtlingen über die belarussische Grenze.“ „Das Mittelmeer ist das größte maritime Grab der Welt.“ Und die Abschottung beginnt bereits vor den Toren Europas; so gibt es in Algerien Sammelabschiebungen von Flüchtlingen – ohne Wasser und Nahrung werden sie in der Wüste ausgesetzt. Nur ein besonders grausames unter vielen Beispielen.

Gegen all diese Missstände kämpft Grässlin mit Publikationen und vor Gericht. Sein Motto: „Den Opfern eine Stimme geben, die Täter beim Namen nennen.“ Dabei kann er allein im Jahr 2021 beträchtliche Erfolge vorweisen, z.B. die Verurteilung von Heckler & Koch zu einer Strafzahlung von 3 Mio. € durch den Bundesgerichtshof wegen „organisierter Kriminalität“, oder die Verurteilung von SIG Sauer durch den Bundesgerichtshof mit 11 Mio. € Strafzahlung wegen illegaler Waffenexporte. Im November 2021 hat er einen Appell für ein neues Rüstungsexport-Kontrollgesetz in die Sondierungsverhandlungen zur neuen Bundesregierung eingebracht.

Auf die Frage, wie man die Jugend von Fridays for Future für das Thema sensibilisieren kann, sagt Grässlin: „Die schlimmste Umweltverschmutzung ist Krieg.“ Sein Appell: „Nehmt das nicht schweigend hin!“

Am Ende des Abends hat er noch eine konkrete Anregung für eine „richtige“ Friedensstadt Augsburg. Er stellt das Freiburger Modell vor: Dabei werden Gewerbesteuereinnahmen (in Freiburg geht es um 5,5 Mio. €) aus Rüstungsgeschäften ansässiger Firmen für Friedensprojekte, Opferfonds und Flüchtlinge zur Verfügung gestellt.

Das Freiburger Modell einer Friedensstadt: Vorbild für Augsburg?


Mehr Infos auf der Homepage von Jürgen Grässlin: http://www.juergengraesslin.com/



Autorin: Sabine Sirach.

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