Text will Töne: Auferstehung einer großen Schauspielerin: Carola Neher!

Karla tanzt den Charleston – mit 20 Tänzern aus den Roaring Twenties.

 

Text will Töne mit einem schwungvollen Abend
über Carola Neher



Heute kennen nur noch wenige die Schauspielerin Carola Neher, die in den 1920er Jahren Triumphe feierte. Damals war sie in Deutschland sehr bekannt und arbeitete auf den Bühnen in München, Wien und Berlin mit allen Großen des Theaters zusammen. Carola Nehers Verkörperung der Polly in der „Dreigroschenoper“ wurde zu einem der größten Theatererfolge dieser Zeit. 1928 bot Bertolt Brecht ihr diese Rolle an und schrieb ihr „Die Heilige Johanna der Schlachthöfe“ und die Lilian Holiday in „Happy End“ auf den Leib.

Karla Andrä mit Klabund, Carola Neher und Zylinderhut.


Ein Abend des Ensembles TEXT WILL TÖNE im Abraxas lässt sie nun wieder auferstehen – und macht sie so lebendig, dass man beinahe Karl Andrä mit Carola Neher verwechselt! Vor kleinem, aber begeistertem Publikum werden, mit Texten von Klabund, Bertolt Brecht und Carola Neher selbst, ihre biographischen Stationen erlebbar.

Karla Andrä tanzt und fegt über die Bühne, bringt mit mal minimalistischen (fantastisch ihre Rezitation des „Armen Kaspar“ von Klabund!), mal schwungvoll-raumgreifenden Darstellungen Leben, Liebe und Tod auf die Bühne; stets untermalt mit Gitarren- und Klaviermusik von Josef Holzhauser, ihrem Partner nicht nur bei TEXT WILL TÖNE.

Münchner Flair der 1920er Jahre vor dem Monopteros.



„Dein Herz, das wilde Fohlen“: die große Liebe zwischen Carola Neher und Klabund

Eine wesentliche Rolle in Carola Nehers Leben spielte ihre große Liebe zu dem Dichter Klabund, der allzu jung 1928 starb. Bis zum seinem Tod aber war diese Liebe für beide eine persönliche und künstlerische Symbiose; Klabund schrieb wundervolle romantisch-ironische Liebeslyrik für sie. Eine Distanz-Liebe übrigens, da sie für ihre Bühnen-Engagements viel reiste und er wegen seiner Tuberkulose viel Zeit in Sanatorien verbrachte; ein sehr moderner Lebensentwurf also.


Sport und Sprache

In der Inszenierung von TEXT WILL TÖNE spielen Videoprojektionen (Deborah Uhde) eine große Rolle. Witzig die Animationen alter Schwarzweiß-Fotos: so fährt Carola Neher – mit Klabund auf dem Sozius – Motorrad, tanzt, spielt und sportelt. Ineinander gemorphte Fotos lassen die umwerfende Schönheit der Schauspielerin mit ihren „schönen geschweiften Lippen“ (Klabund) erahnen.

Vor und mit lebensgroßen Figuren von Carola Neher, Klabund und ihren Zeitgenossen stellt Karla Andrä die Sportlichkeit der Schauspielerin dar, tanzt mit 20 Damen und Herren den Charleston, lässt vor dem Monopteros den Lokalkolorit Münchens aufleben und fühlt sich in Dialogen in die Liebenden Klabund und Neher ein (sehr schön auch die Schattenprojektion mit ihr und Josef Holzhauser!).


Tragisches Ende in den Lagern der Sowjetunion

Vor den Nazis floh Carola Neher mit ihrem zweiten Mann Anatol Becker und dem gemeinsamen Sohn in die Sowjetunion – eine tragische Fehlentscheidung: Becker wurde als Trotzkist hingerichtet, sie wurde aus politischen Gründen verhaftet und starb nach fünf Jahren 1942 im Lager. Ihr Sohn wuchs in der Sowjetunion auf; 1975 gelang ihm die Ausreise und er ließ sich in Augsburg nieder, wo er bis 2020 lebte.

Dialog: in schöner Schattenprojektion verkörpern Karla Andrä und Josef Holzhauser,
Carola Neher und Klabund.




TEXT WILL TÖNE macht aus dieser eindrucksvollen Biografie einen beschwingten, aufmunternden, ja sinnenfrohen Abend, der die Lebensfreude und Tragik von Carola Nehers Leben gleichermaßen thematisiert. Der Schwung der Inszenierung macht viel Spaß und ist auch nach der Vorstellung noch deutlich beim Publikum zu spüren!


Ein weiterer Termin im Abraxas ist am 12. Februar. Karten online unter https://kulturhaus-abraxas.de/spielplan


Text und Fotos: Sabine Sirach

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