Wie real heutzutage das Leben einer Mutter Courage in Togo sein kann … Foto: Scan aus der Brecht-Festivalzeitung. |
Brechts „Mutter Courage und ihre Kinder“ von Ramses Alfa in der Brechtbühne
Eine ganz klassische Inszenierung der Mutter Courage, in leerem Bühnenbild, mit ärmlichen Kostümen, mit bissigen Texten in klarer Sprache. Wäre da nicht die für uns europäische Zuschauer verfremdende Wirkung der afrikanischen Theatertruppe!
Mutter Courage in Afrika – für den Regisseur Ramses Alfa sind das Erntehelferinnen auf den Erdnussfeldern in Togo, die mit ihren Babys auf dem Rücken in sengender Hitze für einen kargen Lohn arbeiten. Oder die Straßenverkäuferinnen in der Hauptstadt Lomé, die auf der Suche nach Kundschaft mit schwerem Gepäck aus Limonaden, Früchten oder Stoffen um die Häuser ziehen, um ihren Familien ein minimales Einkommen zu sichern. Wie Brechts „Mutter Courage“ befinden sich diese Frauen in einem Krieg, in einem dauerhaften, der gegen ihre eigenen Bedürfnisse und damit gegen sich selbst, aber auch gegen ein System gerichtet ist, das sie auf der untersten Stufe der kapitalistischen Verwertungskette gefangen hält.
Auf Französisch (mit Übertiteln) und deutsch werden Brechts Originaltexte ohne Änderungen von Namen, Schauplätzen oder Jahreszahlen, nur leicht gekürzt aufgeführt. Manche Lieder sind herausgekürzt, dafür aber ersetzt durch meist im Chor gesungene afrikanische Lieder, teils christlich-religiös grundiert mit Texten über Abraham oder König Salomo.
Mutter Courage (im Vordergrund) singt das Courage-Lied. Foto: Sabine Sirach |
Eine riesige Stabpuppe erzählt die Szenenüberschriften, die die Courage-Geschichte in die große Geschichte des Dreißigjährigen Krieges einordnen. Die Kriegsgewinnlerin Mutter Courage verliert im Laufe des Stücks ihre drei Kinder und fällt ins Elend, lernt aber nichts daraus und preist den Krieg auch am Ende als ihren Ernährer. In lebhaftem Spiel deckt das Ensemble aus acht Schauspielern alle 27 Rollen des Stücks ab. Die Inszenierung erinnert sehr an Brechts Modell-Inszenierung von 1949, und die energiegeladene Darstellerin der Mutter Courage an Helene Weigel.
„Brechts Stilistik und Komplexität haben immer viel Platz für den volkstümlichen Ausdruck gelassen. In „Mutter Courage und ihre Kinder‘‘ finden wir verschiedene Sprachebenen, die sich nach der sozialen Kategorie richten, der die Figuren angehören. Der Wechsel zwischen diesen Ebenen und die Verwendung von Liedern und Erzählungen, die alle zur Distanzierung beitragen, ähneln den in Togo praktizierten volkstümlichen Dramaturgie des Märchens und der Concert-Party. Der inhaltliche Schwerpunkt auf sozialen Themen bei Brecht macht ihn zu einem Schriftsteller für Afrika. Die afrikanischen Volksdramen wechseln zwischen Erzählung und Handlung und zeigen als Helden ebenfalls Menschen aus einfachen Verhältnissen. Auch Brechts Helden sind oft Menschen aus bescheidenen Verhältnissen“, erläutert Ramses Alfa.
Das Ensemble der Compagnie Louxor aus Togo. Foto: Sabine Sirach |
Das Premierenpublikum ging in der Aufführung lebhaft mit und freute sich über den afrikanischen Stil. Als Zuschauer*in kam man nicht darum herum, sich die Kriegsgewinnler und Zyniker des heutigen Krieges vorzustellen. Tagesaktueller geht es nicht.
Text: Sabine Sirach
Ramsès Bawibadi Alfa
Ramses Alfa, Theatermacher, Autor und Leiter der Compagnie. |
Ramsès Bawibadi Alfa wurde in Sotouboua, Togo geboren. Er lebt und arbeitet in Lomé. Alfa besuchte verschiedene Workshops in Togo, Burkina Faso und Frankreich und war als Schauspieler u.a. in Stücken von Koltés und Tschechow zu sehen. Er selbst beschäftigte sich als Regisseur vor allem mit Brecht und inszenierte u.a. „Mutter Courage“ und „Der Kaukasische Kreidekreis“. Darüber hinaus hat Ramsés Bawibadi Alfa mehrere Stücke und Erzählungen veröffentlicht, die er zum Teil auch inszenierte. Er leitet ein Projekt zur künstlerischen Ausbildung von Kindern und die Theatergruppe „Louxor“ in Lomé.
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