Wohin mit der weiblichen Wut?

Blut in der Badewanne: Wenn Frauen sich zur Wehr setzen …




In „Penthesilea meets Alkestis“ zum Weltfrauentag klagt das Staatstheater an


Lag es am Wochentag (Montag) oder daran, dass die Zufahrtsstraßen zum Gaswerk wegen einer Demo fast komplett verstopft waren, dass nur ein sehr kleines Publikum die „Mythische Begegnung“ auf der Brechtbühne sah? Hoffentlich nicht am Thema der patriarchalischen Gewalt, das seit der Antike nicht an Aktualität verloren hat und an das der Weltfrauentag jedes Jahr von Neuem erinnert. Mit „Penthesilea meets Alkestis or nobody owns me“ legt das Staatstheater drastisch und blutig den Finger in die ewige Wunde.

In dem Kammerspiel mit zwei Schauspielerinnen lässt Regisseurin Kalliniki Fili verschiedene mythische und historische Frauenfiguren zu Wort kommen und hinterfragt die Machtverhältnisse von der Antike bis heute. Auf der Grundlage von Euripides‘ (Alkestis) und Heinrich von Kleists (Penthesilea) Texten sowie Briefen von Sophie Scholl und Calamity Jane kommen verschiedene Facetten weiblicher Wut auf die Bühne. Die einzelnen Szenen stehen zunächst unverbunden nebeneinander, machen aber Sinn, sobald die Frauen die Statistik zitieren: Alle drei Tage stirbt in Deutschland eine Frau an häuslicher Gewalt. Wut gehört nicht ins weibliche Gefühlsrepertoire. Laut einer US-Studie haben schon Vorschulkinder stereotypische Geschlechtszuordnungen; sie benennen weibliche Babys als schwach und klein, männliche hingegen als stark und groß. Dagegen will der Theaterabend angehen und Mut machen, sich zur Wehr zu setzen.

Am Anfang stehen Natalie Hünig und Jenny Langner in gold- und silberfarbenen Abendkleidern erstarrt wie wunderschöne griechische Statuen da und müssen sich erst aus der Erstarrung lösen. Doch die Eleganz wird bereits gebrochen durch blutverschmierte Leintücher und blutige Rinderhälften im Hintergrund; sie deuten das Schlachtfeld zwischen Mann und Frau an.

Rockige Frauenpower: Natalie Hünig (li.) und Jenny Langner (re.) an Mikro und Gitarre.


Und dann geht stark abstrahiert, aber sehr stark von den beiden gespielt, der Reigen der enttäuschten, wütenden Frauen los:

Alkestis, die für ihren Mann, den König, stirbt und dann doch aus der Unterwelt zurückkehren darf. Admetos aber feiert eine Party, als noch gar nicht sicher ist, dass Alkestis wirklich tot ist – und zu seinem Entsetzen kehrt sie aus der Unterwelt zurück! Sogar in dieser Situation kommt sein Machotum hervor: „Sie sollte sagen, was soll ich dir denn heute kochen?“ Wie soll frau da nicht wütend werden…

Achill, den jungen Kriegsgott, bändige ich mir!“, schreit Penthesilea, sie will ins „Schlachtgetümmel“, um ihn zu besiegen und für sich zu gewinnen, „den einen heiß ersehnten Jüngling, oh Gott, der ist so heiß!“ – ein Bruch im Text von Kleist. Im Blutrausch „zerriss ich ihn in Stücke, ich Grausame.“ Als sie ihr Versehen bemerkt, wischt sie sich das Blut vom Leib – steht auf und geht weiter.

Wildwestheldin Calamity Jane schrieb Briefe an ihre Tochter, die sie nie abgeschickt hatte, weil sie ihr nicht das eigene Schicksal wünschte. Laut Wikipedia „wusste sie sich unter den Männern des Wilden Westens Respekt zu verschaffen: Sie rauchte, trank, kaute Tabak und fluchte.“ Eine wütende Frau, die sich zur Wehr setzte.

Elegant und wehrhaft: Natalie Hünig (li.) und Jenny Langner (re.).



Sophie Scholl schrieb kurz vor ihrer Verhaftung einen zärtlichen Brief an ihren Freund Fritz Hartnagel; dessen Antwort scheint herzlos und egoistisch, ist aber gleichzeitig voller Angst, dass er an die Front muss.

Eine Telefonnummer wird der Mutter eindringlich von ihrer Tochter eingehämmert: 0821-45 03 39 10 (die Augsburger Nummer von via, der Anlauf- und Beratungsstelle der Arbeiterwohlfahrt für von Gewalt betroffene Frauen); die Mutter sagt erst im zweiten Anlauf, nach erneuter Aufforderung der Tochter, dass ihr Mann sie geschlagen hat.

Am Schluss spielen die beiden Frauen den Oasis-Song „I don't mind not going to Heaven / As long as they've got cigarettes / As long as they've got cigarettes in Hell!“

So sehr das Ganze etwas mit heißer Nadel gestrickt wirkt: es ist ein eindringlicher Abend, über den man noch länger nachdenkt!


Text: Sabine Sirach
Fotos: Jan-Pieter Fuhr

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