ROCKHIMMEL ODER ROCKHÖLLE FÜR UNSREN HUGO?

Hugo als DJ CC Dynamite in den Armen einer heißen Rocklady.


Werden ihm seine Augsburger Fans ein Denkmal stiften?

Hugo war rein optisch Augsburgs größter Rock-Fan. Privat trug er gerne eine bequeme Jogginghose, aber wenns zu einem Rock-Konzert oder eine wilde Party ging, dann putzte er sich gewaltig heraus. Er hatte einen Schrank voller Travestie-Klamotten. Da staunte mancher Rockstar auf der Bühne, wenn Hugo mit seinem Glam-Outfit wie ein Rock-Pfau davor stand. Leider wurde unser Hugo zum Schluss seines Lebens immer mehr ein spezieller Einzelgänger, der es nicht mehr verstand Freundschaften zu pflegen ... natürlich hat jeder Ecken und Kanten, doch Hugo war nun mal ein spezieller Fall, vielleicht schon ein Autist?
 
Es war bedauerlicherweise unmöglich, mit Hugo ein echtes Gespräch zu führen. Das war ihm nicht gegeben. "I kann mei Bier scho guad aleu saufa", war ein Spruch von ihm, wenn er seine Ruhe wollte. Nur seine Dinge waren ihm wichtig, was andere dachten und sagten, ging ihn nichts an.
Schade, er hätte viel zu erzählen gehabt ... Wo ist er als Kind aufgewachsen? Mit wem und was hat er gespielt? In welche Schulen ging er? Hugos Kindheit und Jugend bleiben ein Mysterium.
 
Ja, er steckte sein ganzes Geld, das er als Lackierer verdiente, wohl in seine Liebe zur Rockmusik und in grelles Outfit. Manche Kleidungsstücke schneiderte er auch selber. Als es in Augsburg eine Punk&Wave-Boutique unterhalb des Judenbergs gab, war er dort Stammgast und die Höhe eines Preises hielt ihn nicht vom Kauf eines verrückten Kleidungsteils ab. Fahrten zu Boutiquen mit ausgefallener Mode in München würzten seine Weekends.



Allerdings war Hugo auch ein richtiger Schwabe, es soll keine Bedienung in Augsburg geben, der er jemals ein Trinkgeld gegeben hat. Dafür war er bei Mädels sehr großzügig und spendierte einen Piccolo nach dem anderen, wenn er vielleicht gewisse Absichten hatte ... 

Ja, Hugo war der absolute Rockfan. Er besuchte viele Konzerte von Rockbands. Seine absoluten Favoriten waren die Bands Hanoi Rocks und Girlschool. Allerdings habe ich auch erlebt, wie ihn Rockmusikerinnen wie Ina Deter und Vera K. ihn im Musikklub Metro wegen Aufdringlichkeit aus ihrem Backstageraum warfen oder erst gar nicht hineinließen. Da konnte er schon nervig sein.

Leider war es Hugo nicht vergönnt, selbst Musik zu machen. Er konnte kein Instrument spielen, aber versuchte es immer wieder. Allein sein Rhythmusgefühl war total daneben. Doch sprang er gelegentlich bei Club-Konzerten auf die Bühne und gab mit Fotzenhobel die Vorgruppe. Es war nicht leicht, ihn da wieder vom Mikro wegzubringen.

 
Auch bei einem Mundharmonika-Auftritt von unserer damals frisch wiederbelebten Combo Impotenz machte er im Club Kerosin ungefragt den Support. Ich fands ja ein paar Minuten lang witzig. War sicher eine gut gemeinte Show von Hugo für uns und das Publikum. Ich musste ihn von der Bühne zur Theke tragen und mit einem Freibier ruhig stellen, damit wir unser Konzert durchziehen konnten.
 
Seine Auftritte als DJ CC Dynamite, oft im Lokal Mohrenkönig, dafür hatte er sich diesen Künstler-Namen gegeben, sind legendär. Oft gingen sie im Alkohol unter, wenn er mit blonder Langhaarperücke und seinem Teufels-Dreizack hinterm Plattenteller stand. Nachdem seine Eltern gestorben waren, bei denen er bis zu ihrem Tod immer lebte und versorgt wurde, war es der Alkohol, der immer stärker zu seinem Begleiter wurde, der nix Gutes mit ihm anstellte.
 
Ich gebs zu, ich mochte Hugo, auch wenn ich mich öfter über ihn richtig ärgerte, wenn er beleidigend zu mir oder zu jemand anders war. Oft grundlos. Nur aus einer Laune heraus, so hatte ich den Eindruck.
Mir war klar, dass ihn sein giftiger Job als Lackierer, seine Leben ohne Eltern und Frau, ohne wahre Freunde, sehr sonderbar machten. Ich hatte auch nicht den Eindruck, dass ich für ihn irgendwie wichtig war, obwohl ich ihm schon 1979 bei der Zeitschrift Lueginsland einen Mini-Job als Musik-Redakteur verschaffte. Gut, er musste mir nicht dankbar sein, schließlich haben wir seine Bekanntheit und sein Rockwissen genutzt. Allerdings hatte ich gehofft, dass er mehr draus machen will und kann.
Kennengelernt hatte ich Hugo wahrscheinlich über den Schlagersänger und Sweet-Fan Sweety im Ice-Club, wo Hugo mit seinem grellen Outfit mit pink Hotpants und Netzstümpfen öfter zum "Mr. oder Mrs. Ice" gewählt wurde. Da eiferte er nicht nur dem blonden DJ Rudi und dessen heiße Klamotten nach, der schon in den 1970ern mit Minirock durch Augsburg lief, sondern übertraf ihn noch. Peinlich war ihm das nicht, sondern er genoss den Applaus dafür.


Hugo fiel natürlich mit seinem grell-bunten Outfit deswegen auf, weil er sich wie ein Travestie-Star kleidete, aber nicht bei Travestie-Shows auftrat, sondern eben bei Rock-Konzerten. Ein Abbild von Musikern wie den New York Dolls. Vielleicht war er auch ein geborener und begnadeter Narzisst? Kein Fehler, denn wir hatten unseren Spaß mit ihm.

Unvergessen bleibt mir die Fahrt mit Stone und Hugo zum ersten Augsburger Punkfestival 1979 in einem Dorfgasthaus in Bachern. Wir fuhren dorthin, um eine Reportage zu machen. Wenn ich mir jetzt die genialen Fotos von Stone anschaue, dann sehe ich im Hintergrund Hugo und mich herumstehen. Mein Text zu den Fotos von Stone hatte die Überschrift "Gott sein Punk!" und Hugo spielte als Punkrock-Experte darin auch eine Rolle. Mal schauen, ob ich diesen Text wiederfinde, dann veröffentliche ich ihn. Was ich damit sagen will, ist, dass Hugo immer neugierig auf neue Trends in der Rock-Szene war. Da wollte und musste er dabei sein.

Im Ice, dem Club am Eisstadion, war Hugo auch der beste Weizenbier-Trinker. Nicht umsonst wurde er dort auch nach dem Genuss von 10 oder mehr Weizenbiere zum "Weizenkönig" gewählt, wobei er dann sein berühmtes Posing mit gespreizten Beinen einnahm. Was ja auch besser für seinen Halt mit 2,5 Promille war.

Später in den Wave- und Punkclubs Subway und Metro von Nono war ich mit Hugo und dem General und den anderen Wave- und Punkmusikern zusammen. Hugo erzählte mir dabei, dass er nicht nur Lackierer sei, sondern auch Holz für die Inneneinrichtung von Kneipen mit einem kleinen Flammenwerfer rustikal gestaltete. Gesund war dieser Job sicher nicht. Vielleicht war es für Hugos Leber und Leben daher gut, dass er viel Flüssigkeit in sich hineinpumpte? Mehr erfuhr ich nicht aus seinem normalen Leben. Irgendwann ließ er noch mir gegenüber raus, dass ihm seine Eltern eine Eigentumswohnung gekauft hatten, von dessen Miete er leben sollte, wenn sie nicht mehr waren. Sie wussten wohl, dass Hugo, ihr einziges Kind, ohne sie Probleme beim Überleben haben würde.

 
Komischerweise besaß Hugo keinen Humor. Ich habe ihn nie herzhaft lachen sehen. Doch dafür besaß er einen trockenen und manchmal sarkastischen Hammer-Witz und einen untrüglichen Sinn für den besten Auftritt. Das konnte keiner wie Hugo. Wenn er in den Club kam, dann war das für einige Minuten sein Club und wir seine Untertanen. Das war dann seine Bühne.
Und er besaß Schnupftabak. In Unmengen. Hatte er immer dabei. Leider färbten sich durch sein dauerndes Geschnupfe mit dem dunklen Pulver aus der Dose seine Nasenlöcher und ein Stück darunter immer schwärzer. Kaum vorstellbar, dass eine Frau, da ihre Lippen draufdrücken wollte.

Natürlich tat Hugo mir leid, was ihm sicher am Arsch vorbeiging, wenn ich ab 2015 hörte, dass er irgendwo betrunken und versifft herumlag. Oder dass seine Lebensmittel im Kühlschrank zu schimmeln begannen und dass er sich nur noch mit seiner Katze Muschi beschäftigte.

Hugo ließ auch keinen zu nah an sich ran, seine eigenen Probleme, wie es in ihm aussah, seinen seelischen Zustand, den teilte er nur mit sich selber. Sein zur Schau gestelltes Startum und seine Arroganz waren wohl seine Psycho-Security. 

Ich kann anmerken, dass Hugo einen ganz eigenen Sprachstil entwickelt hatte. Gern hängte er an manche Wörter "mäßig" an. Damit konnte er sich gut ausdrücken. Wollte er sagen, dass was in einem Zusammenhang mit Musik war, sprach er von "musikmäßig". Im Zusammenhang mit Essen "essensmäßig", "freizeitmäßig" oder "

Was sollte ich tun?

Es soll mal dem Gerücht nach eine junge Frau gegeben haben, die sich in Hugos Wohnung aufhielt. Ohne Miete zu zahlen. Er hat sie wohl ausgehalten. Womöglich ein Junkie-Girl? Irgendwann soll Hugo sie rausgeworfen haben, denn er bemerkte angeblich, dass er von ihr ausgenutzt wurde. Leider verstarb seine Muschi auch zu schnell und er war wieder einsam daheim.
 
Sein Umzug aus der Werderstraße im Bismarckviertel an den Ulrichsplatz war eine Katastrophe. Dabei hat er alles mitgenommen, was in seiner elterlichen Wohnung war. Er konnte nichts entsorgen. Das war dramatisch. Das füllte einige Lastwägen und verbrauchte einige Wohlmeinende. Als wolle er sein geliebtes, altes Leben mitnehmen. Nie habe ich von ihm ein schlechtes Wort über seine Eltern gehört und nie habe ich von seinen Eltern ein schlechtes Wort über ihren - aus ihrer Sicht sicher kauzigen Sohn - ein böses Wort gehört.

Hugo beim Altstadtfest im Augsburger Lechviertel.

Hugo mit typischer CC Dynamite-Pose für Fotografin.


Hugo vor der Kirchentüre bei der Hochzeit des Generals.
(Foto: Bernhard "Stone" Leitenmair)

Hugo mit Rockmusiker von den Hamburg Ramones.

Hugo: "Ihr könnts mich alle ..."

Laut Walter Sianos: Ein C.C. Dynamite Comic. Erschien im März 1992
in der Neuen Szene. Gezeichnet hat ihn Oliver Teschner

Der General, mit dem er früher in einem Kegelclub war, war dabei seine große Hilfe. Ein paar Kartons habe ich auch schwitzend runtergeschleppt. Ich wusste nicht mal genau, wo er am Schluss wohnte. Laut dem General irgendwo am Ulrichsplatz. So wirds einigen anderen Bekannten von Hugo auch gegangen sein. Anscheinend sogar allen, sonst wäre sein Tod nicht so lange unentdeckt geblieben.

Hatte er mich früher noch mitgenommen in sein Zimmer bei seinen Eltern und mir dort stundenlang Musik seiner Lieblingsbands vorgespielt, damit ich in seinem Namen in unserer Zeitschrift Lueginsland drüber schreiben konnte, so traf ich ihn zum Schluss nur noch zufällig in der Gaststätte Rheingold. Er hatte mir sogar gezeigt, wie er glitzernde Pailletten ans T-Shirt näht und wie er auf seine Flying-V-Gitarre eindrischt, allerdings war ich leicht schockiert, als ich sein fehlendes Taktgefühl bemerkte. Ich weiß auch nicht, ob ich Hugo jemals beim Tanzen gesehen habe. Ihr?

Der Musik-Journalist Alexander Köpf berichtet über Hugo: "Ich habe gerade viele Anekdoten im Kopf. Nach einer Party in der Kälberstallhalle ist er am Parkplatz mit seinen Stöckelschuhen aus dem Gleichgewicht gekommen und es hat ihn in eine Pfütze gelegt. Ey, ich schwöre, ich habe nie mehr in meinem Leben einen Mann in High Heel Stiefeln und in rosa Netzstrümpfen mit wasserstoffblonder Perücke und in lila farbener Damenunterwäsche eleganter fallen sehen. Und - vor allem - nie wieder jemanden gesehen, der beim Wiederaufstehen alle Würde und Contenance bewahrte. Ok, am nächsten Morgen habe ich ihn gehasst, weil meine komplette Auto-Rückbank versaut war. Egal, Hugo durfte das. Hugo C.C. Dynamite durfte - fast - alles. Denn auf eines hat er immer komplett geschissen: was andere von ihm denken. Er war ein emphatischer und liebenswerter Zeitgenosse, konnte aber auch ein verdammt sturer Hund sein. Und ... er war der größte Rock'n'Roller der Stadt."

Walter Sianos, früher Rockmusiker, dann Chefredakteur, der Neuen Szene, erinnert sich: "Meine erste Begegnung hatte ich als 17jähriger mit Hugo, bei meinem ersten Besuch in der Rockdisco Ice. Als ich damals etwas eingeschüchtert die Location betrat, entdeckte ich hinter Discolicht und Nebelschwaden eine bizarre Silhouette, die Schritt für Schritt immer mehr Gestalt annahm. Ich sah einen Typen, der mitten auf der Tanzfläche virtuos die Luftgitarre bediente und sämtliche Posings beherrschte, die man sich vorstellen konnte. Sein Outfit sprengte alle Dimensionen, er trug hohe schwarze Lacklederstiefel, darunter eine pinke Strumpfhose, einen Ledertanga mit spitzen Nieten und eine lange, blonde Perücke. Ich muss gestehen, dass ich etwas Angst vor ihm hatte. Wahrscheinlich war er der erste Rock & Roller, den ich in meinem Leben live begegnete. Hugo, der ein Leben lang sein Herz auf der Zunge trug, hatte immer einen Spruch auf Lager. Legendär war seine Zitat: “Lieber die Nummer Eins in Augschburg, als a Null in L.A.” 

Hugo: Als Musik-Redakteur in der Augsburger
Monatszeitschrift "Lueginsland".

Hugo und der General verlassen das Metro.
Bild aus der Musik-Zeitungsseite "Kanal 89".


Um die 2000er habe ich ihn auch noch im Arkadas am Ulrichsplatz gesehen, aber dort bekam er Hausverbot, weil er nicht aufhörte, die Bedienung anzubaggern. Das ist ihm auch noch bei einigen anderen Lokalen gelungen. Seine verzweifelte Suche nach einer Partnerin wurde fast immer zu einem Fiasko.

Hugo hatte übrigens nix dagegen ein Getränk spendiert zu bekommen, allerdings ist mir nicht bekannt, dass er jemals einem männlichen Wesen etwas ausgegeben hat, oder?
Auf jeden Fall hat Hugo mir nicht gezeigt, dass er mich als Freund betrachtete. Es war ihm wohl lieber möglichst als der "Hugo aka CC Dynamite" huldvoll gegrüßt zu werden. Stand ihm ja auch zu. Er hatte sich durch ein extremes Fanleben ein tolles Rock-Image geschaffen. Insofern wollte ich mich nicht aufdrängen.
 
Gut aufgelegt war Hugo meistens, war die Vorfreude, wenn er mit seinem klapprigen grünen Damenrad, mit fliegenden Haaren und bequemer Schlabberhose zur Bahnhofsbuchhandlung fuhr, um dort die neuesten Rockmusik-Magazine zu holen. Da konnte es schon passieren, dass er einem gönnerhaft zuwinkte.

Schon 2020 fragte ich per Facebook rum, ob jemand Hugo gesehen hat. War mir irgendwie unwohl, dass er nicht mehr in meinem Augsburg-Leben auftauchte. Hugo gehört zu Augsburg wie der Perlachturm.
 
Hugo hätte als Augsburger Original auch ein Denkmal verdient, wie die Taubenmarie. Darüber sollten wir uns als seine Fans mal Gedanken machen.

Nun ist unser Hugo wohl in einem anderen Universum und ich kann nur hoffen, dass er dort mal eine tolle Traum-Frau bekommt, die ihn nicht nur abzocken will, sondern ihn mit all seinen Macken, seinem Schnupftabak und seinem Rock'n'roll-Leben liebt!


Arno Löb
für Hugo!
(CC Dynamite)

Gehts no?
Rock'n'Roll!

P.S.: Am besten gefiel ihm schon um 1980 unser Impotenz-Song "Nr 1 in der Provinz"!
Das war er auch - der Rockfan Nr. 1 in Augsburg!

Meine Fotos ohne Text zeigen Hugo als Teufels-DJ bei einer Rolling-Stones-Party im Bistro Brecht's von Papiermacher Klaus.

- Hugo Eckardt, geboren am 25.1.1954 in Augsburg, verstarb am 22. November 2021 in Augsburg

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