Staatstheater Augsburg: Aufbruch! Aufbrechen! Los geht´s!

Intendant André Bücker bei der Vorstellung des Spielplans für die Spielzeit 2022/23.


Das Staatstheater stellt seinen Spielplan für 2022/23 vor


Viel gute Stimmung war in der Brechtbühne bei der Vorstellung der neuen Spielzeit 2022/23 zu spüren. Das Motto „Aufbruch“, zweideutig zu verstehen als energiegeladene Bewegung nach vorne und als das Aufbrechen alter Gewissheiten, soll zusammenfassen, was es da alles Neues gibt. Das Staatstheater will zum Nachdenken über die Gegenwart anregen und den Diskurs mit der Stadtgesellschaft führen – und das in der bereits 6. Spielzeit des Teams um Intendant André Bücker.

Der Aufbruch soll sich in einigen (auch deutschsprachigen oder europäischen) Erst- und Uraufführungen zeigen. Das international bewunderte Digitaltheater macht weitere Riesenschritte, nicht nur technologisch. Plan A greift heiße Themen auf und lädt mit „Tausend Pläne“ zum Mitmachen ein. Und schließlich plant man spannende Neuinszenierungen von Klassikern, gerade im Musiktheater.

Gemeinsam mit den leitenden Kollegen der einzelnen Sparten stellte André Bücker die Pläne im Einzelnen vor:

Musiktheater

Viel Abwechslung verspricht das Musiktheater.

Den Anfang macht Italienisches mit einer der beliebtesten Opern überhaupt, Verdis La Traviata, und Il viaggio a Reims von Rossini, beide von reinen Frauenteams inszeniert.

Es folgen zwei sehr moderne Opern: Das Tagebuch der Anne Frank, eine Mono-Oper von Gregori Frid, die das Schicksal des jüdischen Mädchens lebendig werden lässt; und „Angel´s Bone“ von Du Yun als Europäische Erstaufführung – die Geschichte zweier gefallener Engel und ihrer allzu irdischen Betreuer.

Mit The Fairy Queen von Henry Purcell (entlang Shakespeares Sommernachtstraum) kommt eine barocke Ballettoper zur Aufführung, und André Bücker selbst hat eine spannende neue Inszenierung des Klassikers Fidelio in Arbeit.

Zum Abschluss der Saison gibt es mit der Mantel- und Degen-Operette „3 Musketiere“ auf der Freilichtbühne die spannende Geschichte von D´Artagnan zu sehen.

Vielfalt im Musiktheater – vom Klassiker Fidelio bis zur Europäischen Erstaufführung.


Schauspiel

Als „Coup“ bezeichnet Bücker die deutschsprachige Erstaufführung des Schauspiels „Jerusalem“, das erst nach zähen Verhandlungen nach Augsburg geholt werden konnte; es ist seit 2009 DER Theater-Hit am Londoner Westend und am Broadway.

Ebenfalls als deutschsprachige Erstaufführung kommt „Wittgensteins Mätresse“. eine apokalyptische Dystopie, die gemeinsam mit der Digitaltheater-Sparte entwickelt wurde und VR-Elemente einsetzt.

Den 125. Geburtstag von Bertolt Brecht im Februar 2023 feiert das Staatstheater mit einer Festwoche unter dem Titel „Bier mit Bert“ im Alten Rock Café. Eine spezielle Inszenierung für das Brecht-Festival ist diesmal nicht geplant, aber auf Nachfrage sagt Bücker, „das Festival ist ja sowieso bei uns da“, nämlich in den Spielstätten des Staatstheaters.

Als Highlight bezeichnet Bücker die Uraufführung von „Unruhe um einen Friedfertigen“ nach einem Roman von Oskar Maria Graf. Sicherlich mit neuer Aktualität, geht es doch um ein bayerisches Dorf, in das die politischen Extreme des Ersten Weltkriegs und der Nazizeit einbrechen.

Einen realen aktuellen Kriminalfall aus Moskau verbindet „Drei Schwestern in Moskau“ mit Tschechows Stück – brisant!

Stolz ist Bücker auch darüber, dass die Uraufführung des Kleist-Förderpreises für junge DramatikerInnen 2023 in Augsburg stattfinden wird.

Plan A

Die transdisziplinäre und diversitätsorientierte Begegnungsplattform des Staatstheaters hat sich zwei Schwerpunkte gegeben: „Sich vernetzen“ und „Künstlerisch forschen“.

Unter Einbeziehung von Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen wird das Thema Alkoholismus aus der Tabuzone geholt. Ebenfalls gemeinsam mit verschiedenen Akteuren der Stadtgesellschaft entstand das Projekt „Leerstand kreativ nutzen!“, bei dem ein neuer künstlerischer Ort entstehen soll.

Mit dem Titel „Tausend Pläne“ werden die Bürger zum Einreichen visionärer Ideen mit neuem Blick auf die Stadt animiert, da wird beispielsweise gefragt: „Wenn Sie 10 Millionen im Lotto gewinnen, was würden Sie für Ihre Heimatstadt tun?“ oder „Wer wird nach Brecht der nächste berühmte Sohn oder die nächste berühmte Tochter der Stadt und wodurch?“.

Schauspiel: Einige Erst- und Uraufführungen versprechen interessantes zeitgenössisches Theater.
 

Ballett

Gast-Choreographen sind immer wieder begeistert von der Qualität des Augsburger Ballett-Ensembles, und so ist es nur logisch, dass auch immer wieder gerne mit Choreographen von außerhalb gearbeitet wird.

In der neuen Spielzeit kann man sich auf junge Choreographen unter anderem aus Dresden, Madrid, Israel und den Niederlanden in meist mehrteiligen Ballettabenden freuen.

Konzert

Das 1. Sinfoniekonzert bietet eine spartenübergreifende Zusammenarbeit: „Erwartung“ von Arnold Schönberg wird gemeinsam mit dem Digitaltheater als 360°-VR-Welt in Gaming-Manier aufgenommen.

Zwei Sinfoniekonzerte. „Slawische Stimmungen“ und „Reprise Classique“, werden von Raphaela Gromes, Artist in Residence, bestritten – sie wird auch noch zwei Cellokonzerte zum Besten geben.

Die Orgel soll künftig mehr im Mittelpunkt der Konzerte stehen; im 4. Sinfoniekonzert wird sie in einer Kammermusik von Paul Hindemith im Kongress am Park gespielt.

Unter den Sonderkonzerten sticht die Aufführung des Stummfilms „Metropolis“ von Fritz Lang mit der Live-Musik der Augsburger Philharmoniker hervor. Als „Zukunftsmusik“ wird ein Abend mit dem Titel „The Ukrainian Female Voice“ vorgestellt; drei junge ukrainische Komponistinnen eröffnen vor dem Hintergrund des Krieges neue existenzielle Erfahrungen.

Tina Lorenz, Projektleiterin fürs Digitale, erläutert die Pläne im Bereich Digitaltheater.


Digitaltheater

Tina Lorenz, mittlerweile überregional bekannte Projektleiterin für die Digitalsparte, stellte ihre technologisch anspruchsvollen Pläne vor („vieles spielt im Wald“). Das Besondere ist, dass ihre Produktionen stets gemeinsam mit den anderen Sparten entstehen: Schönbergs „Erwartung“ mit den Philharmonikern, „Unser Leben in den Wäldern“ und „Solo – Folge 3“ mit dem Schauspiel, und „Das Flanellnachthemd“ ist eine Koproduktion mit dem Stadttheater Ingolstadt. Mit dem Elektrotheater werden ganz neue Theaterformen ausprobiert, gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes.

Wieviel Aufmerksamkeit das Augsburger Digitaltheater mittlerweile genießt, zeigt auch, dass André Bücker und Tina Lorenz am Montag eingeladen waren, dem Kulturrat der deutschen Wirtschaft ihre Digitalprojekte vorzustellen.

Und, wie Bücker betont, haben die digitalen Produktionen den Vorteil, dass sie permanent verfügbar sind und sogar weltweit im Netz downgeloaded werden können. Auf die Frage, ob das noch Theater sei, antwortet er stets frech: „Ja, weil wir es sind, die es machen!“

Theatervermittlung

In der Theatervermittlung steht die Wertevermittlung für Schüler und Lehrer im Vordergrund. Mobile Formate wie Schulkonzerte in Turnhallen, VR-Gastspielboxen, Workshops, Theaterclubs und Community Music wollen das Theater zu den Menschen bringen und Austausch fördern.

In allen Sparten gibt es diverse Wiederaufnahmen von Produktionen aus der laufenden Spielzeit; wie Bücker betont, sollen Stücke länger im Repertoire bleiben: „Es wäre doch schade, wenn man gegen Ende einer Spielzeit viel Mühe und Arbeit in eine Produktion steckt, und dann wird sie nur sechs Wochen gespielt!“ Und hier kommt zum Abschluss noch der Tipp Ihrer Rezensentin: Auch der „Shockheaded Peter“ wird wieder aufgeführt, gehen Sie UNBEDINGT hin, es ist eine grandiose, witzig-böse Inszenierung!


Text und Fotos: Sabine Sirach

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