Wie sind Regisseur Rosenmüller, Karikaturist Manfred Deix und Siegheilkirchen miteinander verbandelt?

Im Augsburger Open-Air-Kino "Lechfimmern"  läuft "Willkommen in Siegheilkirchen".


Audio-Clip: Der Willkommens-Chor in Siegheilkirchen.


Kurz vor Mitternacht erklang im Open-Air-Kino im Augsburger Familienbad bei Lechflimmern immer stärker werdender Applaus, als der Regisseur Marcus Rosenmüller vor die Leinwand lief, auf der gerade der Animations-Film "Willkommen in Siegheilkirchen" zu sehen gewesen war. Er kam zusammen mit dem Filmproduzenten Ernst Geyer. Sie erzählten dem lauschendem Publikum von der Entstehung des Films und dem österreichischen Karikaturisten Manfred Deix dessen Leben und seine gezeichneten Figuren im Film auftauchen.

"Willkommen in Siegheilkirchen" ist ein sehr warmherziger Film, der nicht nur auf ein Feuerwerk von Gags und Effekte setzt, was bei einem Animations-Film natürlich erwartet wird. Rosenmüller und sein Co-Regisseur haben die Pubertäts-Träume einer Dorfjugend in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg in einem abgelegenen Dorf bestens umgesetzt. Eine Zeit, in der die Wichsvorlagen für Jungs noch die Unterwäsche-Seiten im Versandhauskatalog waren, oder eben selbst gezeichnet werden mussten. Wie vom Rotzbub, alias Manfred Deix. Die Youporn-Seiten im Internet von heute waren einst die Porno-Fotos und -Illus. Die anregenden Zeichnungen des Rotzbubs regen nicht nur die Triebe der Dorfjugend an, sondern auch seine Freunde zu einträglichen Geschäften.

Die Film-Figuren des Karikaturisten Manfred Deix, der immer deftig-heftig seine Mitmenschen mit dem spitzen, grellen und giftigen Zeichenstift durch den Fleischwolf drehte, sind allesamt sehr menschelnd geraten. Logo, es kann bei diversem Klamauk und Slapstick-Szenen gelacht werden. Jedoch fasziniert dieses Movie vorwiegend durch seine romantische Love-Story eines Dorfknaben, dessen Augen rausfallen, wenn die vollbusige Magd vorbeiläuft, zu einem frechen aber auch sehr süßem Roma-Girl. 


Geyer, Fischer und Rosenmüller vor der Film-Leinwand.

Ok, die spießbürgerlichen Dorfbewohner werden entlarvt. Des Bürgermeisters Unterhose taucht bei der willigen Dorf-Schönheit auf. Die Kritiker sprechen von Nazis, Rassismus und Nackten, Die Romas werden bedroht. Wundervolle Schadenfreude kommt auf, wenn der einarmige Vater, der in diesem Dorf-Sumpf schon resigniert hat, dann für die Ehre seines Sohns, der nur zeichnen, zeichnen, zeichnen will, mit der übrig gebliebenen Hand einen nervigen Dummschwätzer umhaut. 

Würde sie irgendwo in unserer Stadt existieren, diese Film-Kneipe, in der ganz einsam ein ehemaliger Musiker hinter der Theke auf Kundschaft wartet, wir würden sie stürmen. Allein schon die Musikbox, aber auch das gesamte Ambiente und die melancholische Stimmung ziehen einen voll rein. Hier fühlt sich der Rotzbub verstanden, hier lebt er auf, hier zeichnet er verliebt seine Angebetete, die von seiner Kunst angetan ist.

Es ist klar wie Hühnerbrühe, dass das gesamte Film-Publikum auf die schockierende Malerei auf dem Rathaus wartet, die der Rotzbub heimlich angefertigt hat. Und dann kommts!  Zwei Perspektiven, zwei Kracher: Ein Wahnsinns-Moment.

Gerade Leute, die nicht auf Animations-Filme stehen, sollten sich "Willkommen in Siegheilkirchen" anschauen. Dieser Streifen wirkt noch lange nach, weil er sich in den Herzen des Publikums einen Platz erkämpft.


Stimmen zu "Willkommen in Siegheilkirchen":

Dieser Film erzählt mit bissigem Humor - "die Monroe von Siegheilkirchen", Schäferhund "Blondi" - und politischer Brisanz - Rassismus, Ewiggestrige - vom Mut, allzu enge Wertesysteme zu hinterfragen und seine Träume zu leben - und vor allem, dass man dafür nie zu jung sein kann." (stern)

"Noch turbulenter wird es, als ein schönes und vorwitziges Roma-Mädchen namens Mariolina mit ihrer Familie im Dorf auftaucht. Der Rotzbub verliebt sich in sie, kann aber nichts dagegen tun, dass seine neue Freundin von bösartigen Mitbürgern unter dem Einfluss brauner Ideologie diskriminiert wird. Als diese aber sogar eine Bombe im Roma-Lager zünden wollen, muss der Rotzbub einschreiten." (AZ)

Achtung! "Willkommen in Siegheilkirchen" von Marcus H. Rosenmüller läuft in den nächsten Tagen weiter im Augsburger Kino "Mephisto", immer um 20.45 Uhr. 

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Mehr Information zu diesem Film, der zuerst "Rotzbub" hieß, ist hier zu finden.

Marcus H. Rosenmüller, Ernst Geyer und Franz Fischer präsentierten bei
Lechflimmern 
den Animations-Streifen "Willkommen in Siegheilkirchen".

Trailer für den Animations-Film "Willkommen in Siegheilkirchen".


P.S.: Wer nach "Willkommen in Siegheilkirchen" mehr über Manfred Deix und seine Karikaturen erfahren will sollte sich einen Ausflug in das österreichische Karikatur-Museum gönnen. "Das meistbesuchte österreichische Museum" verriet Film-Produzent Geyer. 

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