Was macht man mit 162 Millionen Euro?

Anfangs herrscht noch Fröhlichkeit.




„Nein zum Geld!“ in der Brechtbühne


Was würden Sie machen, wenn Sie 162 Millionen Euro im Lotto gewinnen würden? Diese Frage stellt die Komödie „Nein zum Geld!“, die auf der Brechtbühne im Gaswerk eine umjubelte Premiere feierte. Gleichzeitig ist sie ein Lehrstück über Gier, Neid, Unglück und Aggression.

Die Story ist schnell erzählt: Richard (Patrick Rupar) trommelt die ihm liebsten Menschen, seine Frau Claire (Katja Sieder), seine Mutter (Ute Fiedler) und seinen besten Freund und gleichzeitig Chef Etienne (Julius Kuhn) zusammen, um ihnen eine Überraschung mitzuteilen: Er hat 162 Millionen Euro im Lotto gewonnen! Große Freude bei den Anwesenden – bis er ihnen den zweiten Teil der Überraschung mitteilt: Er hat den Lottogewinn abgelehnt! Und nun entwickeln sich die Reaktionen seiner Lieben von anfänglichem Unglauben bis hin zur blanken Aggression. Erst recht, als der verloren geglaubte und doch noch gültige Lottoschein wieder auftaucht, entbrennt ein skurriler Kampf. Das Ende wird hier nicht verraten.

Die Alternativen, was man mit so viel Geld anfangen könnte, werden im Verlauf des Stückes diskutiert: Man könnte mit dem Privatjet auf die Bahamas fliegen und sich ein schönes Leben machen. Richard könnte Etiennes Architekturbüro retten (das, wie er jetzt erst erfährt, pleite ist), man könnte das Geld an gute Zwecke spenden, und Claire findet, sie könnten sich jetzt endlich eine anständige Wohnung kaufen. Richard aber rechtfertigt seine Entscheidung mit all den Lottogewinnern, die unglücklich geworden sind – und er sagt: „weil mir klar wurde, ich besitze schon alles, was ich auf der Welt brauche, nämlich euch“, und zum Wert des Geldes: „Geld ist gut, allzu viel Geld ist mörderisch“ – wie recht er damit bekommen soll!

Im Verlauf des Stücks bricht nackte Aggression aus.


Zu Anfang wirkt alles noch harmonisch – bis auf kleine Nörgeleien, wo aber schon die späteren Konflikte aufscheinen. Im Verlauf des Stücks kommt dann all das Unglück der Figuren zum Vorschein: Claire ist unglücklich, weil sie als Deutschlehrerin den Lebensunterhalt verdienen muss, und genervt vom frisch geborenen Baby. Richard hat als Architekt hochfliegende und teils absurde Ideen, die aber immer abgelehnt werden – dabei möchte er doch so gern „erwählt“ werden! Etienne ist pleite. Und Mutter Rose versucht verzweifelt, wieder einen Partner zu finden, was aber nur zu Enttäuschungen führt.

Das Stück wurde 2017 in Paris uraufgeführt, manche Textzeile wirkt aber, als sei sie gestern geschrieben, etwa wenn Claire die hohen Stromrechnungen beklagt. Flavia Costes Stück ist eine groteske Gesellschaftssatire, die mit großem Witz das Publikum damit konfrontiert, welchen Wert Geld im Leben hat; was angesichts der steigenden Inflation nicht aktueller sein könnte. In der detailreichen Augsburger Inszenierung – Amina Gusner stellt sich mit dieser Inszenierung erstmals dem Augsburger Publikum vor – gibt es viele Gags, das Ganze ist höchst amüsant, und heraus kommt komödiantisches Theater vom Feinsten!

Überragend die große Spielfreude und Körpereinsatz der Schauspieler. Jeder von ihnen legt bedeutungsvolle Auftritte hin – etwa Ute Fiedler mit dem Asthma-Anfall, den sie vor lauter Schreck bekommt; Katja Sieder improvisiert großartig beim Holzhacken; Tanzeinlagen und zunehmende Aggressionen von Julius Kuhn, und natürlich der Hauptdarsteller Patrick Rupar mit seinen großen (Selbst-) Zweifeln und intensivem Spiel am Klavier. Alls das endet aber nie im Slapstick.

Das Bühnenbild (Jan Steigert) umfasst die Wohnung von Richard und Claire – eine einzige Baustelle – und, sehr witzig: in den Fenstern Video-Projektionen der Gaswerk-Umgebung, wo schon mal ein ICE vorbei fährt oder eine Krähe ans Fenster fliegt (Video: Dennis Böck und Robert Zorn).

Bemerkenswert auch die Lichtregie (Günter Zaworka), mit viel Humor eingesetzt, etwa wenn die Mutter als Schlagschatten zu Nosferatu mutiert. Musik spielt eine große Rolle, selbst hier gibt es manchen Gag: Liedandeutungen von ABBA´s „Money Money Money“ und anderen; Richard spielt Klavier und singt dazu fürchterlich falsch.
Um den Lottoschein entbrennt ein skurriler Kampf.


Viel Wortwitz und geschliffene Dialoge führen immer wieder zu Lachern im Publikum, und am Ende gibt es jubelnden, lang anhaltenden Applaus – zu Recht! Ein grandioser Theaterabend, wie er unterhaltsamer nicht sein könnte: Spannend, amüsant und zum Nachdenken anregend. Beim Hinausgehen konnte man viele interessante Diskussionen über den Wert von Geld hören.


P.S. Das Programmheft ist leider sehr dürftig, es enthält nur die Besetzungsliste und drei kurze philosophische Textchen – der Rest ist Sponsorenwerbung. Man würde sich mehr Informationen und Hintergründe zur Autorin und dem Stück wünschen.


Text: Sabine Sirach

Fotos: Jan-Pieter Fuhr

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