Wenn wir heute, am 125. Geburtstag durch die deutschen Medien stöbern, dann müssen wir leider bemerken, dass kaum jemand außerhalb von Augsburg so richtig mitbekommt, dass wir hier in seiner Geburtsstadt zu seinem Geburtstag am 10. Februar ein Brecht-Festival starten.
Woran mag das liegen? Sind wir zu stark Provinz, aber ohne den Charme? Kümmert sich der Kultur-Referent zu wenig um das Brecht-Festival? Liegt es an einer schlechten Presse-Arbeit? Warum müssen Presseleute um Pressekarten betteln? Ist das Werbematerial zu langweilig? Fehlt ein starkes Theaterstück? Fehlen Promis, die Brecht-Werke unters Volk bringen? Ist das Organisations-Team heillos überfordert? Ist das dubiose Programm daran schuld? Findet die Medien-Meute den Augsburger Vorort Lechhausen nicht, wo sich die Brecht-Festival-Zentrale in einem alten Saalbau installiert hat? Was macht Brecht-Festival-Leiter Julian Warner falsch? Ist sein Festival-Budget zu niedrig? Liegt's daran, dass er vorher Angst vor Bert Brecht und seinem Werk hatte? Ist das Programm und sind seine Protagonisten schlichtweg zu brav? Oder könnte es sein, dass Deutschland und der Rest der Welt noch nicht so genau weiß, dass Bert Brecht einst in Augsburg geboren wurde?
Aber was will man von einer Stadt erwarten, die sich als arme Wursthaut lieber als "Fuggerstadt" in der Vergangenheit eines reichen Ausbeuters suhlt, statt sich nach einem anständigen Menschen wie Bert Brecht zu benennen, der in Augsburg, zwischen Lech und Wertach, im Jahr 1898 an einem Kanal über einer Feilenhauerei, damals auf die Welt kam?
Wir haben einige rote Blech-Brechts in der Stadt herumstehen, die keinerlei Information über den weltweit bekanntesten Sohn aus Augsburg liefern. Brecht als Zeitungsleser auf dem Titel einer Augsburger Tageszeitung nützt auch nichts. Selbst diese Zeitung hat nicht den Willen, den Mut und den Verstand, das gesamten Fugger-der-Reiche-Märchen endlich abzustellen.
Wir müssen feststellen und zugeben, dass die Veranstaltungen in Berlin zu Brechts 125. Geburtstag ein größeres Echo finden, als die in Augsburg. Das wichtigste deutsche Nachrichten-Magazin der Spiegel machte sich lustig über das Augsburger Brecht-Festival 2023 und brachte eine ironische Meldung zum Brecht-Handtuch aus dem tim.
Die Zeitschrift "a3kultur" hat einige Probleme zum Augsburger Brecht-Festival von früheren Brecht-Festival-Leitern mehr oder weniger zwischen den Zeilen herausgearbeitet.
Albert Ostermaier (abc-augsburg brecht connected), 2006-2008: "Das intrigante Ende hat natürlich die Freude über das Errichte lange überschattet und die Erinnerung verstellt bis verdüstert."
Joachim Lang, 2010-2016: "Ich habe mit großen Künstlerinnen und Künstlern aus aller Welt zu tun, die sich mit Bert Brecht beschäftigen. Für die er größte Bedeutung hat. in der Brecht-Stadt Augsburg fehlt letztendlich der große Wurf. Seine Notwendigkeit wird nicht mal diskutiert."
Patrick Wengenroth, 2017-2019: "Es war eine sehr beglückende und zugleich wahnsinnig anstrengende Zeit. Immer am Rande des knappen Budgets zu surfen,dennoch möglichst fair die Künstler zu bezahlen und obendrein möglichst alles schaffen, umzusetzen, was man unbedingt machen wollte."
Kuttner & Kühnel, 2020 - 2022: "Es wäre sinnvoller, den Konzepten mehr Zeit als 3 Jahre zu geben, sich wirklich zu entwickeln."
Hier bringen wir Stimmen aus ganz Deutschland über Bert Brecht zu seinem 125 Geburtstag:
"Brecht hat nicht nur erfolgreiche Liedtexte geschrieben, meist zur Musik von Hanns Eisler („Vorwärts und nicht vergessen …“), sondern überhaupt eine Menge an Gedichten (sehr schön diese naturlyrischen Zeilen: „Gegen Morgen in der grauen Frühe pissen die Tannen / Und ihr Ungeziefer, die Vögel, fängt an zu schreien“ – sie finden sich in seiner Selbstbeschreibung „Vom armen B.B.“). Dazu noch seine Theaterstücke. Ein imposantes Werk, mit dem man sich natürlich im Literaturforum im Brecht-Haus beschäftigt, dort an der Chausseestraße, wo der Dichter die letzten Jahre seines Lebens in Berlin gewohnt hat. Vornehmlich macht man das bei den jährlich um seinen Geburtstag am 10. Februar herum stattfindenden Brecht-Tagen." (taz)
"Bertolt Brecht besaß, wie ein Zeitgenosse einmal bemerkte, die „seltene Gabe, ein Gespräch mit präzisen, drastischen Formulierungen bei den Fragen festzuhalten, auf die es heute ankommt“: Wie bekämpft man die Dummheit? Was setzt man dem Faschismus entgegen? Wie sieht eine neue Welt aus? Egal welche Fragen man an Brecht hat: In dem von Noah Willumsen herausgegebenem Buch Unsere Hoffnung heute ist die Krise findet man seine überraschenden Antworten." (visitberlin)
"Über die Political Correctness heute würde er die Nase rümpfen". Er gilt als einer der bedeutendsten Schriftsteller und Regisseure deutscher Sprache: Bertolt Brecht. Am 10. Februar jährt sich sein Geburtstag zum 125. Mal. Zur Welt kam Brecht in Augsburg. Warum ist Brecht auch heute noch aktuell?" (Domradio)
"125 ist nicht wirklich ein runder Geburtstag, aber trotzdem ein guter Anlass, Bertolt Brecht zu feiern. Am Berliner Ensemble gibt es heute, morgen und übermorgen ein Brecht-Wochenende. Auf dem Programm stehen drei Brecht-Inszenierungen aus dem Repertoire, der inszenierte Audioworkshop "Brecht to go" sowie ein Thementag mit drei Podiumsdiskussionen." (rbb-online)
"Am Vorabend des Geburtstages Bertolt Brechts stellt Dr. Fabian Leber vom Bundesministerium der Finanzen eine Sonderbriefmarke und eine Sondermünze vor. Die Staatsministerin für Kultur und Medien Claudia Roth hält ein Grußwort. Präsentiert wird die umfangreiche Edition der Interviews, die zwischen 1926 und 1956 geführt und seitdem nicht wieder gedruckt wurden. In Zusammenarbeit mit dem Berliner Ensemble und dem Suhrkamp Verlag." (adk)"Bertolt Brecht lebte und liebte exzessiv, seine "Polyamorie" war legendär - ebenso die Tatsache, dass er die Frauen für seine Arbeit einspannte. Allen voran seine Ehefrau Helene Weigel, die seine Liebesaffären und Liebestragödien tapfer erduldete." (ZDF)
"Doch wird Brecht nicht nur gespielt und gelesen, auch über seine politischen Ideen wird mehr als 30 Jahre nach dem Ende des deutschen Realsozialismus wieder diskutiert. In seinem Geburtsort Augsburg etwa widmet man Bertolt Brecht ein zehntägiges Festival. Unter dem Titel „Brecht’s People“ entdeckt der Kulturanthropologe Julian Warner, Leiter des Festivals, den Marxisten nicht bloß als Denker der Widersprüche wieder. Für ihn handeln seine Stücke von Schwachen, Wehrlosen und Opfern. Von einer großen Textwerkstatt als Zoom-Konferenz bis zum kollektiven Teppichweben ist der rote Faden des Festivals die Beteiligung – schließlich wollte auch Brecht aus seinen Zuschauern immer aktive Konsumenten machen." (deutschlandfunkkultur)
In anderen Städten bekommt Bert Brecht beeindruckende Statuen zum Gedenken. In seiner Geburtsstadt Augsburg stehen nur klägliche rote Blech-Brechts herum. |
BERT BRECHT IN AUGSBURG
Das Schaufenster der Augsburger Buchhandlung am Obstmarkt präsentiert viel Bert Brecht. Von Büchern bis zu Spieluhren. |
Die Sängerin Isabell Münsch mit Bert Brecht im Rücken. |
Der Augsburger Buchhändler Kurt Idrizovic organisierte früher ein kleines, aber feines und sehr beliebtes Brecht-Festival bei der Augsburger Kahnfahrt. Mit Buden, Bühne und Floß auf dem Stadtbach. In seiner Buchhandlung am Obstmarkt hat er den weltweit einzigen Brecht-Shop eingerichtet. Seit Jahren organisiert er Spaziergänge auf den Spuren von Bert Brecht durch Augsburg.
Ein Theater-Fan kommentiert die Theater-Dummheit in Augsburg: "Es wäre die große Chance für das Augsburger Staatstheater gewesen, zum leidvollen Ukrainekrieg von Bert Brecht "Mutter Courage" und "Mann ist Mann" als Antikriegsstücke in der Friedensstadt Augsburg aufzuführen. Wurde in Augsburg aber leider brutal verschlafen. Statt Brecht aufzuführen, nur eitle Hommage an ihn. Traurig.
Es gilt noch immer: Herr K. zog die Stadt B der Stadt A vor: In der Stadt A liebt man mich, in der Stadt B spielt man meine Stücke!
Selbst in der Zeit des Kalten Krieges und der Komunistenjagd hat unser Augsburger Theater jedes Jahr ein Brechtstück gebracht. Erich Maiberger, ein CSU-Mann, der einst für Brecht schwärmte, wird sich in seinem Grab umdrehen. Ja, wir in Augsburg sammeln Devotionalien, das verlangt weniger Intellekt, als Brecht zu studieren."
Kommentare
Kommentar veröffentlichen