Sigurd Rakel: Immer Lust auf Neues!

Sigurd Rakel vor seinen Gemälden in Ichenhausen.



“In dir muss brennen, was du in anderen entzünden willst” (Augustinus)


Sigurd Rakel greift sich ans Herz, an die Brust: “In mir brennts, habe ich gespürt, da wusste ich : ich werde mich verändern, ich will da raus.” Das habe ich gemacht. Habe meinen Job als technischer Zeichner in Sigmaringen gekündigt und bin als junger Mann nach München um die Kunst, die Malerei und mich selber auszuprobieren, zu studieren, mich und mein Leben zu gestalten. Da haben die Leute am Ort gesagt: “ Jetzt ist er verrückt geworden”. Dabei lächelt er, wie so oft. Auch sein Lachen, seine herzliche Überschwänglichkeit sind Ausdruck von einem erfüllten, positiven  Leben.  "Ja, das stimmt", fügt Sigurd Rakel, der begeisterte Künstler hinzu, "von da an bin ich ver-rückt, dahin wo ich mich frei fühle und mein Leben sinn-voll bis zum heutigen Tage ist." 

Gemalt hat er schon immer, seit frühester Kindheit. Malen, aus dem inneren Drang, aus der unerschöpflichen  Schaffens-Sehnsucht heraus ist sein Lebenselexier.
Sein Talent und sein Willen halfen ihm rauszukommen aus Armut und aus einem unerfüllten, traurigen Umfeld. Rakels Vater war im Krieg gefallen, da war der Sohn Sigurd gerade ein paar Monate alt. Seine Mutter weinte viel, musste sich alleine um die beiden Söhne Sigurd und Hermod kümmern. Sigurd, der Schüler wurde einfach vom Gymnasium genommen und in die Lehre gesteckt. War es nicht vielleicht so gar eine innere Not-Wendigkeit, der Malerei vor allem den Vorzug zu geben für ein gelingendes Leben, wenn man im Jahr 2023 draufsieht?

 

Er träumt nicht nur

Er muss schon damals sehr energiegeladen und ent-schlossen gewesen sein. Rakel entschied und handelte, tut er immer noch. Hinterher, so von außen betrachtet, waren es doch meist sehr gute Ent-Scheidungen. Auch als er von Sigmaringen nach München geht. Von München nach Krumbach. Dort die Steiger Villa spontan erwirbt. Viel später nach über 40 Ausstellungen in der Jugendstilvilla ist was Neues dran: Rakel baut  am Lettenberg in Krumbach. Ein völlig neues Wohn- , und Arbeitsfeld wird entworfen, modern und reduziert geplant und umgesetzt. Auf zwei Stockwerken findet das neue Wohnen und Arbeiten statt: unten Galerie, oben wohnen.

Der Künstler Rakel träumt nicht nur, er denkt nach, setzt Ideen um. Dabei wird er von einer inneren Kraft angetrieben, von einer Ausdauer, von flammender Kreativität, die ihn auch zum Erfolg führt, als Künstler, Lehrer und Mensch.

Sigurd Rakel hat sich ver-rückt, fokussiert sich - hin zur Malerei, zur Kunst, die sein Leben ist, bis heute und sicher auch in der Zukunft. Er traf auf Menschen die sein Talent erkennen, es fördern, und schon den jungen Rakel inspirieren. Rakel malt nicht nur für sich, setzt sich und seine Malerei der Öffentlichkeit aus, ent-wickelt sich weiter und weiter. Er ist überzeugt von seinem Tun, was er ausdrücken will, kreiert seinen eigenen Stil, wächst  inspiriert jetzt selber andere Menschen und steckt an. Seine Farben sind so einzigartig, so lebendig, leuchtend, dass sie befreiend auf die Betrachterin und  Betrachter wirken, auffordern selbst etwas Neues zu entdecken.  Ein Rakel erzählt mit seinen wunderbaren Farben voller Schwung und Vitalität von Freiheit, der Natur, dem puren Leben.

Am 20. Juli durfte Sigurd Rakel einen runden Geburtstag feiern. So neugierig, so lebenslustig, offen und einladend, wie Zeit seines Lebens. Man spürt, dieser Mensch brennt wirklich für die Kunst, und lässt dazu  noch die Gesellschaft teilhaben. Dass ihm  dies ein grosses Anliegen ist, viele Menschen einbeziehen, merkt man die ganze Ausstellung hindurch. Das kann man auch aus dem Begleitprogramm der aktuellen Ausstellung herauslesen. Einen  Abend mit Farben knallt er raus. Satte Töne von Rot, Gelb und Blau färben und fegen den Alltag weg. Aktzeichnen mit Modell überlässt dem weiblichen Körper die Herrschaft über die Kunst. Kunst für junge Leute klingt brav, aber Rakel wird sie mit seinen Freiheitsfarben infizieren. Zur Finissage dann Versteigerung kleiner Skizzen von Rakel.

Er geht mit seiner Kunst mitten ins Leben rein. Er präsentiert sich der Öffentlichkeit, stellt aus und lädt regelmäßig andere Künstler ein, stiftete sie an gemeinsame Ausstellungen zu veranstalten. Er motiviert beispielhaft. Räume der Gastfreundschaft und des Willkommenseins öffnen sich. Zunächst in der Steiger Villa, dann am Lettenberg. Und auch die aktuelle Ausstellung im Schulmuseum von Ichenhausen strahlt dies aus, auch wenn da Rakel, Rakel und immer wieder Rakel im Mittelpunkt steht. Sein Lebenswerk, so kann es der Besucher, die Besucherin erahnen, ist noch nicht fertig, da kommt noch was danach.

Wenn man ihn, den Junggebliebenen, so sieht, auch heute um seinen 80sten Geburtstag herum, dann spürt man, dass es nach wie vor in ihm lodert und spürt auch seine Freude, die wohl immer vorhanden war, auch an dunklen Tagen dieses beeindruckenden Lebens.

Im Schulmuseum in Ichenhausen, groß, hell, weit, ist zurzeit ein Feuerwerk seines Schaffens, eben dieses Lebenswerk zu sehen, zu erleben. Immer wieder und immer wieder soll die Betrachterin, der Betrachter, das Werk anschauen, die Farben und auch Formen auf sich wirken lassen, Neues entdecken, im eigenen Leben den Farben nachspüren. Das ist Rakels Wunsch, ein Wunsch, der bereits Wirklichkeit ist, weil es Leute gibt, die einen echten Rakel nicht nur einfach so bei sich aufhängen, wie man einen berühmten Künstler halt aufhängt, sondern ganz und gar im Alltag mit dem Bild oder den Bildern leben.


Das Leben gerettet in dunklen Tagen

Für die Lebensschau, diese große, fulminante Ausstellung über die Lebensjahrzehnte hinweg, suchte und sammelte, der mittlerweile international bekannte und anerkannte Künstler Rakel seine Werke zusammen. Seinen besten Freund fragte er, ob er das Bild aus seinem Wohnzimmer für die Ausstellung haben kann. Da habe die Frau des Freundes geweint. Das Bild blieb hängen, weil sie jeden Tag mit ihm lebt und es für ihr Wohlbefinden braucht. Das ist schon bemerkenswert, was die rakelschen Farben alles bewirken können.

Eine ehemalige Schülerin schrieb ihm, dass ihr das von ihm erworbene Bild “Summertime” quasi das Leben gerettet hat in schweren, dunklen Tagen, in denen sie keinen Ausweg wusste. Stundenlang sass sie vor dem Bild, ließ die Farben auf sich wirken. Die Gegenstände, die sich mit den Farben fast verschmelzen
. Die expressiven, leuchtenden Farben, orange, gelb, grün, das unverwechselbare blau,   die Lebens-Mittel, wie Brot, Wasser, eine Kaffeetasse hellten die düstere Stimmung auf, sie überwanden das Dunkel, die Enge, die Angst und verwandelten sie in frohes Dasein. Die Frau von einst ist älter geworden, betrachtet aber immer noch gerne das Bild mit seinen bewegten Farben, die aus der Fläche ausbrechen, nun eher von außen und mit lächelndem, dankbarem Blick. Ein rahmenloses Bild, wie sie Rakel meist gestaltet, das macht grenzenlos frei. Raum und Zeit lösen sich auf, so ihre Erkenntnis.

Dass Rakel ein Gestalter seines Lebens ist, einer, der dem Schönen, dem Ästhetischen Raum gibt und Vertrauen ins Leben an sich hat, zieht sich wie ein roter Faden, sagen wir lieber, wie ein bunter Faden, durchs ganze Leben, des klar und entschieden Handelnden. Als junger Künstler mit lern-, lehrintensiven und kreativen Jahren in München an der Akademie der bildenden Künste für Malerei und Graphik mit anschließender Lehr- und Assistenzzeit, kommt er 1974 als Kunstlehrer nach Krumbach ans Simpert Kraemer Gymnasium, hinterlässt bei Schülergenerationen positiv prägende Spuren.  Er begeistert, motiviert und macht neugierig auf die Kunst. Es entstehen Kontakte, Freundschaften. Viele hat er in seine Pläne, seine Ideen, sein Schaffen eingebunden.



Vergangenheit und Zukunft

Warum eigentlich gerade nach Krumbach? “Es liegt genau in der Mitte zwischen München und Sigmaringen“. Da habe ich mir gedacht, das ist genau richtig. Was Rakel laut denkt, ausspricht und plant, wirkt spontan,  leicht, so selbstverständlich. Vielleicht wegen seiner Begeisterung und Freude am Tun. Eine innere Freude, ein innerer Antrieb, ein Ideen-Vulkan, der auch Herausforderungen meistern und leben lässt. Der Künstler, der wunderbar erzählen kann, sein Leben mit der Vergangenheit und der Zukunft verbindet, wirkt wie ein Gesamtkunstwerk, bezieht Licht und Dunkel mit ein, immer offen für Neues.

Eine andere Erinnerung: “Rakel war nicht nur unser Kunstlehrer, einer der genau wusste, wie er die Kunst, die Talente seiner Schülerinnen und Schüler einordnen konnte. Er war immer großzügig, menschlich mit einem offenen Herz und  Ohr."  Und noch mehr: “Er , der selber so n eugierig ist, machte neugierig durch die Erzählung  auf die Ausstellungen damals in der der Steiger Villa, die er erworben hatte, damit sich und anderen Künstlern Räume öffnete und auch den Kunstinteressierten, wie es bis dahin in Krumbach so nicht gab." 
 “Als ich die Galerie in der Steiger Villa 1979 zum ersten Mal betrat, tat sich mir eine neue Welt auf. Einfach so auf dem Land unter der Woche in die Galerie gehen, einfach toll", meint Caro, die sich noch 40 Jahre später gut an den ersten Besuch erinnert.

Seit den 70ern war Rakel in der Steiger Villa Galerist, Künstler und Gastgeber, später dann wurden auf dem Krumbacher Lettenberg, unzählige Gäste, berühmte und einfache Menschen, Künster und Künstlerinnen, Kunstbegeisterte wurden gleichsam begrüßt und willkommen geheissen, haben zusammen gefeiert, sich ausgetauscht über die Kunst, Gott und die Welt. Auf die nächste Ausstellung in Krumbach in Rakels Galerie darf man schon jetzt gespannt sein. 

Doch jetzt erstmal Ichenhausen. Zur Vernissage, zur Ausstellung und zum Geburtstag kamen und kamen zahlreiche Gäste um Rakel als Mensch und Künstler zu gratulieren, zu feiern und begegnen.

Von anderen inspirieren lassen

Ihm, der sein Lebenswerk ausstellt, alle daran teilhaben lässt an seinen gesammelten Werken und den neuen Farbfeuerwerken, inspirieren möchte, kann man nur danke sagen. So eine einladende und ausdrucksstarke Zusammenschau gabs doch selten, oder? “Ich komme aus dem Staunen und Erstauntsein gar nicht mehr heraus, kann mich fast nicht mehr beruhigen”, lacht eine Besucherin mit ihrem WOW-Blick, "das ist ja ein Wahn–Sinn, was dieser Mann an Bildern raushaut, eine Explosion der Farbvariationen." Sie steht fast ehrfürchtig oben im Eingangsbereich des Saales und ist noch lange nicht fertig mit dem Staunen.

Ein Leben für die Kunst, der Titel der aktuellen Ausstellung. Die 110 Rakel der Ausstellung nehmen übrigens alle Stockwerke im Schulmuseum ein. Unten im Untergeschoss geht’s los mit frühen Werken, Übungsskizzen, aus dem Studium, dann immer weiter durchs Leben eines schaffensfrohen Künstlers hinauf in den großen Saal, wo es dann so richtig aktuell „rakelt“.

 
Hin zur Auflösung

Bilder aus 2023, die nur so vor Mut und Freiheit sprühen, angenehm, positiv, vor allem ansteckend, mitziehend. Im ganzen Raum spürt man den kreativen Flow, der den Rakel antreibt, der ihn überkommt, oft in der Nacht, aus dem Nichts heraus und der immer wieder kommt, wenn ein Bild, eine Ausstellung fertig ist. Er muss malen, malen, malen. Ein Rausch der Sinne, den er da auf die Leinwand bringt, wie er verrät. Es kommt aus mir heraus, es denkt und ent-wickelt sich in mir selber, irgendwie immer weiter, fast gänzlich zur Auflösung von Form und Farbe, bis hin, dass das Bild zum Betrachter, der Betrachterin spricht, der Flow auf den Schauenden überschwappt.

Noch immer trägt Rakel, der bis 2021 im Schuldienst tätig war, nach der Vermutung der Schreiberin durch einen Pinsel die Farben auf, nicht mit einer Rakel, einer Art Spachtel, die scharf die Farbe mit der Gegenständlichkeit verschmelzen lässt. Nein, es ist wohl immer der Pinsel, der mehr oder weniger über die Leinwand im kreativen Flow rauscht und zaubert. Rakel braucht keine Rakel, es rakelt von selber, von innen heraus.

“Ich glaube, dass das Wichtigste ist, neben Disziplin und Kreativität, der Mut ist, etwas zu wagen“, sagte die Bürgerrechtlerin, Sängerin, Tänzerin und Schriftstellerin Maya Angelou. 'Ist bei Rakel nicht so?

Oben im Saal steht ein Maltisch auf dem es drunter und drüber geht, wo sich Farbtuben, Pinsel und Leinwand  treffen. “Zuhause bei mir sieht es noch viel schlimmer aus”, gibt der Künstler einen Einblick in sein Schaffen. Eigentlich doch gar nicht so schlimm, wie es da aussieht, wenn man genauer hinschaut. Und plötzlich taucht da im Raum noch was anderes, Unvermutetes auf: Ist es nicht eine enorme Selbstdisziplin, auf den ersten Blick nicht sichtbar und entdeckbar, die sich zum Mut, zur Ausdauer, zum Können, zur Neugier und dem Handeln reiht? Ohne die eine solche unermüdliche, spontane Kreativitiät, so ein ständiges Schaffen kaum möglich wäre?

Wenn man das im Blick hat, Lust hat sich mit dem Künstler und dem Menschen immer wieder neu einzulassen, begeistert mitgeht und nicht sagt: Rakel, kenn ich schon, sondern, den will ich neu kennenlernen, dann ist man genau richtig im Schulmuseum in Ichenhausen beim Lebenswerk von Sigurd Rakel. Ein Maler, der weit über die Grenzen Schwabens bekannt ist und geschätzt wird. Nicht nur die Ausstellung, auch das Begleitprogramm sorgt bestimmt für Überraschungen. "Kapier und kopier den Rakel": Tolle Aktion, wer gut nachzeichnen kann, gewinnt einen Original-Rakel. Wo ist der nächste Stift?


Das strahlt er auch aus

Man steht da vor den Bildern, kann nur noch lächeln, lachen, sich mitfreuen mit dem großartigen Künstler, der ganz und gar strahlt, seine Augen leuchten, wenn er von seiner Kunst und seinem Leben erzählt.

"Den einen Rakel sucht man vergebens in seinen Werken" schreibt der Ausstellungs-Flyer treffend, "Pop-Art und Kubismus, intime Skizzen, genauso wie Stilleben in Neon-Farben, Abstraktion und Landschaft - er vereint alles. Dennoch - sein Stil ist unverwechselbar: Entschlossen, kraftvoll, kompromisslos."

"Rakel: mutig und frei", ist im Gästebuch zu lesen. „Nichts bleibt, man darf nicht stehen bleiben“, so der Künstler. Etwas darf verraten werden: Der immer noch neu-gierige, ver-rückte Künstler Sigurd Rakel hat schon was im Kopf, eine Idee im beginnenden Flow: Es kommt was NEUES.

Das Publikum darf sich freuen. Sehr.


 
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Sigurd Rakel - Ein Leben für die Kunst

Ort: Bayerisches Schulmuseum Ichenhausen
Schlossplatz 3–5
89335 Ichenhausen

Laufzeit: 9. Juli 2023 – 22. Oktober 2023

Geöffnet: Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr

Der Eintritt ist frei

Gerne werden auf Anfrage auch Führungen angeboten



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