Carl Ricé liest und erzählt im Kulturhaus Abraxas. |
Werkschau und zwei Debüts in einem
Der Augsburger Künstler Carl E. Ricé feiert ein Comeback und stellt ganz neue Facetten seiner Arbeit vor
Seine erste Malerei-Ausstellung und zugleich seinen ersten Gedichtband stellte Carl E. Ricé am Dienstag, den 7. November 2023 im Kulturhaus Abraxas vor. Zwei Debüts an einem Abend, und das bei einem Künstler, der bereits seit über 30 Jahren (nicht nur) in Augsburg aktiv ist – ein durchaus besonderer Abend, der das zahlreich erschienene Publikum entsprechend stark bewegte.
Eine Namen gemacht hat sich Carl E. Ricé (dessen Name wie „riqué“ klingt, wenn man es französisch ausspricht) seit Anfang der 1990er als literarischer Bühnenkünstler.
Mit als Erster brachte er Augsburg mit der Kunst des freien Erzählens in Berührung – indem er selbst erdachte Geschichten, aber auch Stoffe der Weltliteratur nicht vorlas, sondern als Erzähl-Performer interpretierte. Dabei erweckte er auch Brechts Keuner-Geschichten ebenso zum Leben wie sein eigenes literarisches Hauptwerk, die abendfüllende Solo-Performance „Das Kainszeichen – Geschichte einer Vergewaltigung“. Diese erschütternde literarische Verarbeitung der Traumatisierung durch sexuellen Kindesmissbrauch liegt seit 2022 auch als (natürlich vom Autor selbst gesprochene) Hörbuch-CD vor.
Doch auch auf anderen Bühnen konnte man Carl E. Ricé erleben: meist inkognito auf der Bühne des Stadttheaters, dafür umso prominenter als Gastgeber des Poesiebrunchs. Dieses Format, ein Mix aus Lesung, Gespräch und gemeinsamem Frühstück, erfand Carl E. Ricé, um über die „Poesie der Begegnung“ Menschen miteinander ins Gespräch zu bringen. Den Poesiebrunch moderierte Carl E. Ricé zehn Jahre lang, zuletzt von 2016 bis 2020 im Ballettsaal des Abraxas, wo nun außerdem seine Malerei zu sehen ist.
Den Gedichtband „Schrei mit dem Wind“ gibt es in der Buchhandlung am Obstmarkt, in der Bücherinsel Pfersee oder auch direkt beim Verlag Parasitenpresse.
Reiner Mayr hält eine Laudatio auf Carl Ricé und sein Werk. |
Bedingt durch die Pandemie und gesundheitliche Rückschläge, war es um den Performer Carl E. Ricé in den letzten Jahren still geworden. Umso eindrucksvoller waes nun seine Gedichte von einem wahren Bühnenprofi gesprochen zu erleben. Ricés Lyrik umfasst satirische Verse mit schwarzem Humor ebenso wie zerbrechliche, leise Gedichte von tiefem existenziellem Ernst. Wie der Dichter beim Vortrag diesen so unterschiedlichen Texten jeweils präzise den richtigen Ton gab, hinterließ ein sichtlich beeindrucktes Publikum, das nicht mit Applaus sparte.
Das Buch von Carl Ricé. |
Musikalisch umrahmt und teilweise untermalt wurden Ricés Texte von dem Gitarristen Alexander Möckl. Dieser verlegte bereits 1993 das erste Buch von Ricé (den Erzählungsband „Henker, bitte weitermachen“) und nahm in seinem Studio das Hörbuch „Das Kainszeichen“ auf. Doch Möckl war nicht der einzige langjährige Weggefährte von Carl Ricé, der an diesem Abend zu hören war. Nach Abschluss der Lesung erhielt Carl Ricé überraschend eine Laudatio bzw. Dankesrede für seine langjährige Arbeit als Gastgeber des Poesiebrunchs. Einige langjährige Gäste des Poesiebrunchs treffen sich seit dem Ausklingen des Poesiebrunchs nämlich in einer eigenen Gruppe. Reiner Mayr dankte Carl Ricé im Namen der Gruppe dafür, dass er sie zusammengebracht hat.
Kongeniales Zusammenspiel von Ricés Texten und Bildern mit der Musik von Alexander Möckl an der Gitarre. |
Der Poesiebrunch war über viele Jahre der einzige Ort, an dem man vereinzelt Ricés Gedichte hören konnte. Dass die Gedichte aus über 50 Jahren nun in einem Buch vorliegen, holt sie hoffentlich aus dem Status des Geheimtipps heraus. Ein noch besser gehütetes Geheimnis war indes Ricés Malerei. Entstanden über Jahrzehnte hinweg als handwerkliches Gegengewicht zur eher kopflastigen Literatur-Arbeit, wie es der Künstler an diesem Abend formulierte, waren die Bilder bislang nie in einer öffentlichen Ausstellung zu sehen. Bis 7. Januar 2024 kann man sie nun (zu den Öffnungszeiten des Abraxas Büros und bei Veranstaltungen im Abraxas Theater) im Ballettsaal und im 1. Stock des Kulturhauses Abraxas betrachten. Erwerben kann man sie übrigens auch – allerdings nicht durch Kauf beim Künstler, sondern durch eine Spende an das KinderschutzZentrum München.
Näheres dazu findet sich auf der Website von Carl E. Ricé.
Verfasser: Gerald Fiebig
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