Rockband China im Spectrum: Keinerlei Bühnenrost angesetzt!



Wir befinden uns in den tiefen 80ern und gehn auch nirgendwo anderscht hin. Wir habn sogar Kassetten mitgebracht, die sind aber schon alle ausverkauft.“ Ob einige passionierte Sammler von Tonträgern unter dem Publikum an diesem Mittwochabend im Augsburger Musik-Club Spectrum weilten, muss offen bleiben. Fakt jedoch ist, dass uns die Schweizer Hard Rock-Institution China auf einen Trip ins Jahrzehnt der Hairspray-Frisuren und Aerobic-TV-Shows mitnahm, den wir alle gerne in Erinnerung behalten werden.



2019 entschied Claudio Matteo, seines Zeichens Lead-Gittarist und Kopf der 1985 in Winterthur gegründeten Formation, seine alten Weggefährten aus ihren, wo auch immer gelegenen Löchern heraus zu scheuchen, um China mit so viel als möglich verbliebenen Mitgliedern der ersten Stunden zu reformieren. Und so bekam das Augsburger Publikum das Privileg zugesprochen, neben Matteo die Ur-Chinesen Freddy 'Laurence' Scherer (Git.), Marc Lynn (Bass) und Werner 'Hardy' Hartmeier (Voc., zu ihm später mehr) auf der Bühne zu erleben. Komplettiert wurde der Fünfer von Schlagzeuger Tosi Tosone, der das ganze Konzert über wie das sprichwörtliche Uhrwerk rackerte und in seinem 'Cobra Kai'-Shirt bei allen Songs, wie das Honigkuchenpferd grinsend, beste Laune versprühte.


Pünktlich um 20:00 Uhr steigen China ohne vorherigen Support-Act mit 'Dead Lights' und 'Animal Victim', beide vom 1989er, damals überaus erfolgreichen Rundling 'Sign In The Sky' ins Set ein, wobei die beiden Opener noch ein wenig schleppend daher kommen und der Sound einfach noch zu leise ist. Sollte sich jedoch anschließend bei 'Shout It Out' vom selbst betitelten Debut schnell ändern. 


Schon beim dritten Song hat die Band die Anwesenden, die meisten Ü40, wobei sich auch ein paar wenige Jungspunde in Maiden- und KISS-Shirts in den Reihen tummeln, mit ins Boot geholt und viele singen, grölen und johlen den Refrain lustigst mit. Überraschenderweise übernimmt Matteo selbst, auch noch beim folgenden Überhit 'Sign In The Sky' (Gänsehaut-Attacke!), garniert mit 'Living On The Stage'-Intermezzo, den Gesang. Zwar schafft er die originalen Höhen nicht ganz, punktet aber mit seinen end-sympathischen Ansagen wie: „Wir sind die China made in Switzerland und ich spreche Hochdeutsch ohne einen Akzent.“ Glatte Lüge, Gott sei Dank, denn gerade der ungekünstelte Schweizer Charme kommt beim Publikum bestens an. 


Beim einzigen Lied, das nicht von den ersten beiden Alben stammt – 'Love Someone' (Single von 2022) –, gesellt sich dann tatsächlich auch Hardy Hartmeier zu seinen Band-Kollegen und wird von Matteo mit den Worten vorgestellt: „Der kommt immer zu spät. Ischt wohl am Würschtles-Stand hängen geblieben.“ Oder in einer der 87 Oberhauser Döner-Buden? Es bleibt bis jetzt ein Rätsel. In jedem Fall bringt der groß gewachsene, bierbäuchige Ur-Sänger der Combo einiges an Bewegung mit auf die Bühne, wovon alle anderen profitieren und sich anstecken lassen. So geraten 'Rock City', 'You Got Me Going', das frenetisch abgefeierte 'Back To You' und die Good-Time-Rock n' Roll-Hymne 'Hot Loving Night' zu einem kleinen Triumphzug. Hardy darf sich austoben und Matteo sich mit Scherer das eine oder andere Gitarren-Soli-Duell liefern. 


Hach ja … ganz so wie in den 80ern. Feuerzeug-Alarm und Diskokugel-Beleuchtung herrschen dann bei der toll im Wechselgesang vorgetragenen Ballade 'So Long', bevor die Herren zum Schlussspurt in Form von 'Ran Out Of Love', 'All Through The Night' und dem einstigen Radio-Dauerbrenner 'In The Middle Of The Night' (mit 'Hey Jude'-Ausklang) ansetzen. Artig verabschieden sich die Swiss-Boys, jedoch nur um mit den Zugaben 'All I Do' und 'Proud Mary' (im Original von John Fogerty) den Party-Level noch mal in die Höhe zu schrauben – gern genommene Mitsing-Parts inklusive. Danach ist nach ca. 1h 45 Min. Schicht im Schacht.


Schee war's … das Schwelgen in alten Erinnerungen, die Reise in eine Vergangenheit, die mit all ihrem 80s Glitzer, Glamour, Größenwahn und Telefonen an der Schnur im nostalgischen Rückblick rosa-rot unbeschwert erscheint, wobei natürlich früher auch nicht alles besser war. Im Falle China darf man allerdings guten Gewissens fest halten, dass die Band über die ereignisreichen Jahrzehnte keinerlei Bühnenrost angesetzt hat und wie dazumal locker in der Lage ist, mittelst unter der Woche ne 1A-Hard Rock-Fete mit ihren Fans zu feiern. Wie eben an diesem winterlichen Mittwoch im Spectrum. 
„We're living on the stage. Ooooh yeah!“


Fotos und Bericht: Dennis Fuxx




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