Rickerl im Augsburger Thalia: Faszinierende Ösi-Melancholie!

 


"Wer in Augsburg Erfolg hat, der hat auch in New York Erfolg", verkündete der Datschiburger Kino-Mogul Franz Fischer im ausverkauften Thalia-Kino bevor der Ösi-Streifen "Rickerl" als Premiere anlief. Natürlich heizte Fischer das anwesende Publikum auf, das dann den Regisseur Adrian Goiginger samt dem Pandora-Verleiher-Team lautstark begrüßte.

Hinter Wolfgang von den Thalia-Kinos ist Björn Hoffmann,
Chef des Pandora-Film-Verleihs.

Rickerl spielt an der Donau auf der Gitarre, die dann eine entscheidende Wendung bringt.

Unser überkritischer Reporter im Thalia Kaffeehaus mit seiner Pressekarte vor dem Filmstart von "Rickerl".

Natürlich ging mir der Film mit dem österreichischen Liedermacher Voodoo-Jürgens als erfolgloser aber liebenswerter "Rickerl" tief ins Herz hinein. Und ich gebs zu, ab und zu überwältigten mich als Mitglied der genauso erfolglosen Augsburger Punkrock-Band Impotenz bestimmte Musiker-Gefühle, die mich von der Leinwand her anfielen. Ganz ehrlich: Es gibt nix Schöneres für einen Künstler als in ein von seiner Musik begeistert-berührtes Gesicht zu blicken, das müssen keine Menschenmassen sein.

Für mich war das keine Komödie, was da vor mir flimmerte, sondern ein total melancholischer Ösi-Streifen mit liebenswertem kauzigen Personal. Doch genau das macht den Film so mordssakrisch gut. Natürlich lockt eine Komödie mehr Publikum ins Kino, ist klar, versteh ich und gönn ich dem Film, seinen Machern und seinen Schauspielern auch voll. Er ist toll. 

Beim Tanzen mit der Ex in der verhauten Vorstadt-Kneipe erwachen lustvolle Gefühle.

Für Raucher und Nichtraucher ist "Rickerl" eine reine Folter. Ich habe schon lang keinen aktuellen Film mehr gesehen in dem so massiv die Zigaretten gezogen, geschnorrt, angezunden und geraucht wurden. Sogar im Kino qualmte Rickerl neben seinem Sohn eine Zigartette. Also in dem Kino im Film, wo Rickerl seinen Sohn ausführte, um als Papa gute Stimmung zu machen. Auch wenn im Abspann entschuldigend steht, dass keine Kohle von der Tabak-Industrie geflossen ist, meine ich: Schön doof, das Geld der Krebs-Lobby hätte ich doch auf jeden Fall mitgenommen! Die Raucher standen nach dem Film wie euphorische Junkies auf dem Trottoir vor dem Kino und zogen mit glühenden Augen heftig an ihren Glimmstängeln.

Das Thema, verlassener Vater streitet sich mit ex-Frau ums Kind, pack ich nimmer. Das ist mir zu abgelutscht. Ich bin jedoch sicher, den vielen Frauen und Männern hinter mir - ich saß ja in der ersten Reihe - hat das aber saugut gefallen. Schließlich leben wir in der Ära der Geschiedenen und Getrennten mit diversen Patchwork-Familien. Und da gibts immer Konfliktstoff und das scheinheilige Gesäusel: aber wir bleiben Freunde. Oder werden Todfeinde. Im Jahre 2022, so habe ich gelesen, gab es in Deuschland 137.400 Ehe-Scheidungen. Davon waren dann rund 100.000 Kinder betroffen. Nicht zu vergessen die Kinder von Eltern, die garnicht verheiratet waren. Oder Kinder von Eltern, die sich trennen, aber nicht scheiden lassen. Jährlich werden bei uns über ungefähr 150.000 Sorgerechtsfälle zu Kindern im Gericht entschieden. Da kommt was zusammen über die Jahre gesehen. Ein echt großes Zielpublikum für Bücher und Filme mit Scheidungsproblematiken.

Mir wäre lieber gewesen, der Rickerl hätte in dem Film auch eine neue Freundin bekommen und hätte sich nicht nur mit seinem spielsüchtigen Vater abquälen müssen, der es im Wohnwagen mit einer nuttigen Lady treibt. Ich hatte gehofft, die Chefin des Sex-Shops fängt mit Rickerl was an, oder umgekehrt. Leider nicht. Obwohl sie ihn anflötete: "Ich liebe Arschlöcher!" Sie erinnerte mich stark an Maya Bendzin, die attraktive Dame, der einst einige Augsburger Kinos gehörten und die mich bei einem intimen Gespräch als Geschäftsführer engagieren wollte, naja, das nur nebenbei.

So ließ bei mir das Film-Kapitel Job im Sex-Shop einen etwas faden Geschmack zurück. Das erschien mir nur eingebaut, um Lacher zu bekommen, den Begriff Komödie irgendwie zu rechtfertigen, wenn Rickerls Sohn am Massagestab rumspielt und einen Lederhosen-Softporno anschauen darf. Wie ich am schallend lachenden Publikum bemerkte, ging diese Strategie der Filmemacher auf.  

Die Presse-Dame Lena Kettner von Pandora mit Regisseur Adrian Goiginger im Thalia-Kino beim Gespräch über den Film "Rickerl".
(Foto:Lina Mann)

In Rickerls Wohnung war eine Ambros-LP zu sehen. Es ist orschkloar: Ein Wiener Sängerknabe muss was von Leichen und Friedhöfen bringen. Besonders wenn der Vorname Voodoo die Totengeister beschwört. Der Wolfgang Ambros lässt den Zentralfriedhof hochleben und der Voodoo Jürgens gräbt die Toten aus ... 

Der Einstieg des Films ist auch im Büro eines Friedhofs mit einem schaurig-düsteren Song, wobei ein rollender Totenkopf vor dem singenden Totengräber den dramatischen Schlusspunkt setzt ...

Leute, was schwätz ich hier für kleinkarierten Scheiß? Der Film "Rickerl" ist fantastisch. Geht rein, allein die tolle Vorstadtkneipe mit seinen kauzigen Stammgästen ist die Sensation. Hat mich sehr berührt, dass sich hier manchmal der Rickerl im Hintergrund hielt, weil er diese Menschen mit ihren Macken und faltigen Gesichtern einfach zu sehr mag. 

Ich will nicht zu viel verraten, aber es kommen ein paar Szenen vor, die einem wohl lange im Gedächtnis haften bleiben. Auch wenns nur der triste Alltag eines erfolglosen Musikers ist, der lieber mit seinem Sohn ein Lagerfeuer macht, als seine Künstler-Karriere auf Biegen und Brechen zu forcieren. Das ließ genau deswegen meine Musiker-Seele jauchzen. Musik ist hauptsächlich fürs Gefühl da, nicht für die Karriere, ist meine Auffasung. Ach ja, Der Nino aus Wien spielt den großkotzigen Emporkömmling vorm Rundfunkgebäude.

Ich mein, wir wissen ja, inzwischen ist Voodo Jürgens schon ganz schön weit oben als Musiker, schon ein Star mit hohen Gagen im deutschsprachigen Raum. Egal, sein Manager im Film ist ein Qualtinger-Typ, der irgendwie erkennt, dass Rickerl ein hohes Potential als Liedermacher hat, mit seinen dunkel-emotionalen Gesängen: "Reich werden wir damit nicht, aber mir gefällts", rückt er vorm Kassetten-Deck beim Abhören von Demos einen Vorschuss raus. Zum Heulen schöne Stelle. Oder wenn der Winni auf der verlorenen Gitarre spielt, der Rickerl dazu unbandig strahlt und sie ihm dann schenkt. Das sind Momente des Glücks.

Viel Information lieferte nach dem Film noch das lebendige Gespräch zwischen der Pressefrau Lena Kettner des Filmverleihs und dem Salzburger Regisseur Adrian Goiginger über den Streifen mit dem Wiener Liedermacher. Zwei Welten, mitten in Österreich, wie wir dabei erfuhren. 

Hab ich es schon gesagt? Ihr müsst in diesen Film rein! Ihr werdet es mir danken, oder besser noch dem ganzen "Rickerl"-Filmteam. Unter den Besuchern waren auch Augsburger Kultur-Leute wie der Band-Manager Lothar Schlessmann, der a3kultur-Chef Jürgen Kannler, der Filmer Thomas Mutter und ein Titanic-Autor - und alle waren sie mehr als begeistert von diesem Streifen, in dem viel gesungen wird. Und der Schluss? Wahnsinn, da kann noch Hollywood lernen, wie ein Film-Finale sein Publikum in Bann schlägt und die Herzen begeistert! 

Bericht über den Film:  Arno Loeb

Rickerl macht mit seinem Sohn lieber ein Lagerfeuer als ein Radio-Interview.


Das meint der Film-Verleih zu 
Rickerl
"Eine der lustigsten deutschsprachigen Komödien der letzten Jahre."

Die Kneipen im Wiener Arbeiterviertel sind Erich "Rickerl" Bohaceks Wohnzimmer und Bühne: Im dichten Zigarettenrauch spielt er sich allabendlich für ein Taschengeld direkt in die Herzen derer, die sich dort sowieso jede Nacht rumtreiben. 

Diskussion vor der Kino-Leinwand.
(Foto: Lina Mann)


Doch statt endlich seine erste eigene Platte aufzunehmen, schlägt sich der Lebenskünstler mit Gelegenheitsjobs durch ­­– als Totengräber, Sexshop-Angestellter und Hochzeitssänger. Rickerls Ex-Freundin Viki lebt derweil gut bürgerlich mit ihrem neuen Freund Kurti, einem "gstopften Piefke", im Eigenheim mit Rollrasen. 

Bei Rickerl reicht hingegen das Geld nicht einmal für einen Kinobesuch mit seinem sechsjährigen Sohn Dominik, den er über alles liebt. Rickerl, Freigeist und Chaot zugleich, steht sich immer wieder selbst im Weg. Sei es beim aufrichtigen Versuch, ein guter Vater zu sein oder als Musiker endlich durchzustarten. Erst als er Gefahr läuft, alles zu verlieren, findet er seine ganz eigene, liebenswert verschrobene Lösung, um sein Leben in die richtige Bahn zu lenken.

Nach „Die beste aller Welten“, „Märzengrund“ und „Der Fuchs“ inszeniert der österreichische Regisseur und Drehbuchautor Adrian Goiginger mit „Rickerl – Musik is höchstens a Hobby“ eine so melancholische wie emotionale Komödie voller Musik, Leidenschaft und deftigem Wirtshausschmäh. Der österreichische Singer-Songwriter Voodoo Jürgens, dessen Lieder eng in die Handlung verwoben sind, verleiht in seiner ersten Hauptrolle Rickerl eine musikalische Seele. Zum weiteren Ensemble gehören Agnes Hausmann als Viki, Ben Winkler als Dominik sowie Rudi Larsen, Nicole Beutler und als Special Guest Der Nino aus Wien. "Rickerl" ist ein Film mit einem großen Herzen, einer tief sitzenden Wahrhaftigkeit und eine Reminiszenz an die Seele des Austropops.



Franz Fischer: "Wer in Augsburg Erfolg hat, der hat auch in New York Erfolg."

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