Warum Lechhausen keinen Bahnhof hat ...

Abgestellt bevor eingestellt.


Wer morgens mit dem Auto von Pöttmes, Affing oder Gundelsdorf nach Augsburg fährt kennt die Situation. Spätestens am Bayernkolleg in der Schillstraße steht man im Stau. Auch der Umweg über die Lechhauser Brücke ist „nix“. Lässt dann der Herr Weselsky noch die Bundesbahn Lokführer streiken dann ist auch an der Fugger-Brücke Schluss mit lustig. Der Lech bildet für die Pendler des Individualverkehrs eine lästige Barriere und Zeitfalle, um schnell zur Arbeit aus dem Augsburger Osten und dem westlichen Oberbayern zu kommen. Dabei wäre es so einfach gewesen den mit rund 50.000 Einwohnern (zählt man die Satellitensiedlungen in der Hammerschmiede, Firnhaberau und Hochzoll Nord - bis zum KUKA Werk dazu) Augsburgs größten Stadtteil mit zukunftsfähiger Nahverkehrs-Infrastruktur zu versorgen.


Eisenbahnbrücke steht schon


Sobald man auf die Amagasaki-Allee einbiegt, sieht man in südlicher Richtung den Localbahn (Osram) Steg. Die Brücke und die Bahnstrecke vom Hauptbahnhof durchs Textilviertel nach Lechhausen sind da. Warum wurde die Strecke nicht weitergebaut?

Pläne hierfür gab es genügend, zumal die Lechhauser Industriebetriebe wie Prinz AG, Brennstoffhandel Präg, oder die Wolfram AG Gleisanschlüsse haben/hatten. Nach der ersten Industrialisierung im 19. Jahrhundert waren es die Abfallverwertungsanlage der Stadt Augsburg, das Schwellenwerk Thosti und die großen Speditionen die einen Gleisanschluss benötigten.

Potentielles ehemaliges Bahnhofsgelände.


Personenverkehr und Krautköpfe auf der Lokalbahn


Der Lechhauser Bürgermeister Seiderer befürwortete im Jahr 1900 eine auf den Aindlinger Arzt Dr. Schröttl zurückgehende Idee, eine von Augsburg über Lechhausen nach Pöttmes führende Bahn zu konzipieren. Seiderer sah den Bahnhof am heutigen Abzweig von Derchinger Straße und Mühlmahdweg auf dem Grundstück des Holzhandels Hallischafsky.

Die Lage ergab sich von selbst. Aus den angrenzenden Gemeinden im Landkreis Aichach stammten viele im Textilwerk Prinz AG arbeitenden Männer und Frauen. Alle anderen Textil- oder Metallbaubetriebe lagen über dem Lech nahe der Oberen Lechdammstraße (Berliner Allee). Auch der Viehtransport zum Schlachthof benötigte nur eine kurze Strecke. Bis zum Frucht- und Gemüsehof am Hauptbahnhof konnten zudem die landwirtschaftlichen Güter transportiert werden, ohne den mühseligen Weg zur Verladestelle nach Aichach zu befahren. Eine Grundauslastung und dadurch auch eine „gewisse Rendite“ waren gegeben.

Die Localbahnbrücke über den Lech.
 

Zögern und Zaudern eine Augsburger Spezialität ?


Vorweggenommen: Es wurde nix. Die Streckenprojektierung von Lechhausen, Derching, Aulzhausen, Affing oder über Mühlhausen und Anwalting nach Pöttmes scheiterte zum einen an den ebenfalls nicht realisierten Konkurrenzstrecken Pöttmes-Aichach oder Hochzoll, Friedberg-Odelzhausen. Jedes Bauernkaff wollte seine Eisenbahnhaltestelle, jeder Krautgärtner seine Laderampe. Riesengezeter bei der Regierung von Schwaben und Neuburg und im Bayerischen Landtag! Zum anderen stritten die Augsburger um den für sie besten Streckenverlauf. Nachdem seit 1890 die Trambahn nach Lechhausen fuhr, sah man nach der Eingemeindung keinen dringenden Bedarf.

Waren zum Beispiel die Arbeiter aus Pöttmes am Augsburger Hauptbahnhof in die Tram-Linie 1 umstiegen, endete diese am Lechhauser Schlössle. Die Textiler mussten dann zur Prinz AG noch eine Viertelstunde zu Fuß gehen, anstelle mit einer direkten Linie vor dem Fabriktor aussteigen zu können. 

Wie immer wurde stets und ständig im Augsburger Stadtrat ohne Ergebnis diskutiert. Die Localbahn AG baute die Lechbrücke 1926 schließlich ohne die Unterstützung der Stadt, ja, mit dem Hinweis auf den Gleisen keinen Personenverkehr zuzulassen.

Im schlanken Bogen nach Mühlhausen.



Wer zu spät kommt, den ...


… bestraft das Leben, so M.S. Gorbatschow. Anstatt sich im bayerischen Verkehrsministerium für die Pöttmes-Linie stark zu machen, verharrten die Augsburger in entschiedener Unentschiedenheit. Wie so oft waren die Bedenkenträger die Mehreren im Stadtrat. Kein Geld, wenig Ertrag, Ärger mit den Industriebetrieben wenn ein Personenzug die Gleise für den Gütertransport belegt, so wurde argumentiert. Als man erkannte wie sinnvoll die Localbahnbrücke (Osramsteg) für einen Personenverkehr ist, da war es zu spät. Mitte der 1930er Jahre war längst eine „Kraftpostlinie“ auf die Straße gesetzt und beförderte die Arbeiter und Stadtmarkt-Eierfrauen im gelben Bus. 

P.S.: Den Bus gibt es noch, wenn nun in anderer Farbe. Aber auch der steht morgens im Stau.

Die geplante Eisenbahnstrecke von Lechhausen nach Pöttmes.



Bericht: Edgar Mathe, aus der Serie "andere Augsburger Orte", Teil 17


Quellen:
Bublies und Mathe Mit der Lokalbahn durch die Augsburger Industriegeschichte
S.Baum Die Augsburger Localbahn
Pittius und Schuster Die Paartalbahn
Bilder: Autor


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