Interview mit Jörn Seinsch zur kommenden Europa-Wahl: "Ich bin Außenseiter!"

Jörn Seinsch im Wahlkampf.



Wir unterhalten uns zur Europa-Wahl mit Jörn Seinsch,
dem SPD-Kandidaten. 

Er gehört in und um Augsburg zu den interessantesten Kandidaten.


Er ist Jahrgang 1979 und aufgewachsen im Münsterland. Studium der Theaterwissenschaften an der Middlesex Universität, London von 2000 bis 2004. Seit 2011 heimisch in Augsburg und angestellt beim FC Augsburg. Seine bisherigen Berufe: TV-, Werbe- und Dokumentarfilm-Produktion von 2005 bis 2011. Leiter Stadionbetrieb WWK Arena von 2012 bis 2020. Nachhaltigkeitsmanagement beim FC Augsburg seit 2020. Seit 2018 in der SPD Augsburg aktiv. Stellvertretender Ortsvereinsvorsitzender Augsburg-Jakobervorstadt seit 2020. Seit Juni 2023: Kandidat der SPD Augsburg für die Wahl zum Europäischen Parlament.

Sein Motto: „In der Politik wie im Fußball: Teamplay & Kampfgeist.“

NAR-Frage: Hallo Jörg Seinsch, am Sonntag, den 9. Juni 2024 ist die Wahl zum Europäischen Parlament in Brüssel. Was gefällt Ihnen denn so gut an Europa?

Jörn Seinsch: Es ist nicht nur ein Friedensprojekt und wirtschaftlich ein Erfolgsmodell. Wir haben auch viele Vorteile durch ein gemeinsames Europa. Und als Bürger Europas können wir demokratisch ihre Zukunft bestimmen.

NAR-Frage:  Warum sollen wir Sie am kommenden Sonntag ins Europa-Parlament wählen?

Jörn Seinsch: Ich werde mich dort um Nachhaltigkeit kümmern, das heißt , soziale, ökonomische und ökologische Aspekte zu vereinbaren. Das war schon beim FC Augsburg mein Gebiet. Besonders das Schlüsselthema Energie möchte ich angehen.

NAR-Frage: Welche Energie soll es nach ihrer Ansicht im Europa der Zukunft geben?

Jörn Seinsch: Erneuerbare Energien aus Wind, Sonne und Wasser sind unsere Zukunft. Da müssen wir mutig sein. So hätten wir zum Beispiel auch riesige Quellen mit der Sonne in Afrika, das zum Energielieferanten der Welt werden kann.

NAR-Frage: Aber würden wir dann nicht wieder abhängig von außereuropäischen Staaten?

Jörn Seinsch: Naja, wir sollten natürlich die Quellen der Energie so verteilen, um Abhängigkeiten vorzubeugen. Wir müssen unser Energie-Problem unter sozialen und ökonomischen Aspekten lösen. Das ist wichtig. Wir brauchen bald auch Energie für das entsalzen von Salzwasser und für immer mehr Elektroautos.

NAR-Frage: Die Franzosen haben immer noch viele Atomkraftwerke zum Erzeugen von Energie, ist das eine Lösung?

Jörn Seinsch: Auf keinen Fall, Atomenergie ist teurer als erneuerbare Energie und wir wissen noch immer noch nicht, wo wir den strahlenden Müll aus den Atomkraftwerken entsorgen wollen. Jetzt redet auch der bayerische Ministerpräsident wieder von Atomkraft, aber er will keine Atomabfall in Bayern. Das passt nicht zusammen und zeigt die Kurzsichtigkeit von CDU/CSU bei diesem Thema.

NAR-Frage: Auf ihren Wahlplakaten habe ich auch den Spruch gelesen: Deutschlands stärkste Stimmen für Europa. Was soll das heißen?

Jörn Seinsch: Europa tut uns gut und dient unserem nationalen Interesse. Wir als SPD sind deshalb schon immer darauf bedacht, den Zusammenhalt in Europa zu stärken und den Laden zusammenzuhalten. Wir holen nicht erst kurz vor der Wahl unsere Europaliebe aus der Schublade, das wird auch in den anderen Ländern geschätzt.

NAR-Frage: Was sagen Sie zum Konflikt und Krieg zwischen Russland und der Ukraine?

Jörn Seinsch: Ich bin froh, dass unser Bundeskanzler Olaf Scholz bei diesem bewaffneten Konflikt so besonnen handelt. Ich begrüße seinen Ansatz. Schließlich ist unsere SPD eine Friedenspartei, und wir müssen deshalb versuchen, Härte in Sicherheitsfragen mit Schadensbegrenzung zu vereinbaren.

NAR-Frage: Stellen wir uns mal vor, sie sind ins europäische Parlament gewählt und treffen zufällig den russischen Präsidenten Wladimir Putin und hätten die Chance mit ihm zu reden, was würden sie ihm sagen?

Jörn Seinsch: Ich würde ihn fragen, wie die Welt mal an ihn denken soll. Ob er nicht an den Tisch der internationalen Gemeinschaft zurückkehren und mit einer friedlichen Lösung zwischen Russland und der Ukraine die Chance nutzen möchte, einen wertvollen Beitrag für das Zusammenleben der Staatengemeinschaft und für die Menschen leisten will.

NAR-Frage: Wir haben gehört, sie beenden ihre Laufbahn beim Fußball-Club Augsburg. Stimmt das?

Jörn Seinsch: Ja, stimmt, nach dann 13 Jahren höre ich am kommenden 30. Juni beim FCA auf.

NAR-Frage: Was machen Sie dann?

Jörn Seinsch: Ich habe einige Ideen und Möglichkeiten, Nachhaltigkeit wird ein Thema bleiben. Und auch politisch werde ich mich weiter engagieren.

NAR-Frage: Wie groß sind ihre Chance, dass Sie ins europäische Parlament gewählt werden?

Jörn Seinsch: Ich bin ein Außenseiter, das ist mir bewusst. Aber es geht vor allem darum, jede Stimme für die Wahl zu aktivieren, mit einer starken SPD für Deutschland in Europa.

NAR-Frage: Werden wir Sie in Augsburg bei der kommenden Stadtratswahl weit vorne auf der SPD-Liste sehen?

Jörn Seinsch: Momentan konzentriere ich mich ganz auf die Europa-Wahl. Mit Dirk Wurm und Florian Freund haben wir in Augsburg ein starkes Führungsduo in der Partei und im Stadtrat, die ich voll unterstütze. Wir sind sehr gut aufgestellt.

NAR-Frage: Wir hören immer wieder, dass es aus Brüssel so viele negative Meldungen gibt. Wie erklären Sie sich das?

Jörn Seinsch: Das verdanken wir zum Teil auch den Medien. Ist klar, bad News are good News. Aber auch manche Parteien haben nichts Besseres zu tun um von ihren Fehlern abzulenken und gern den Schwarzen Peter nach Brüssel schieben.

NAR-Frage: Bitte, was wäre denn eine gute Meldung aus Brüssel, über die wir jubeln könnten?

Jörn Seinsch: Die Staaten Europas lösen durch Zusammenarbeit und Solidarität gemeinsam die Energiekrise - ist genau so passiert.

Bekannt geworden in Augsburg durch Fußball: Jörn Seinsch.


NAR-Frage: Was meinen Sie zum neuen europäischen Asyl-System?

Jörn Seinsch: Ich finde es nicht gut, wenn die Union die Aufnahmezentren jetzt sogar nach Afrika verlagern möchte. Sie untergräbt damit den gerade erst gefundenen Kompromiss in der EU. Und durch Zahlungen an Autokratien wird das System von Ausbeutung und weltweiter Flucht nur gefüttert, anstatt die Ursachen zu bekämpfen. Das ist eindimensional und gefährlich.

NAR-Frage: Aber - haben wir nicht zu viele Flüchtlinge in Deutschland?

Jörn Seinsch: Ich bin der ganz starken Auffassung, dass die allermeisten Flüchtlinge bei uns arbeiten und sich ihren sicheren Platz bei uns verdienen wollen. Mit ihnen könnten wir den Arbeitskräftemangel in allen Sparten bestens bekämpfen. Wir müssten sie nur viel früher ohne große Bürokratie in unsere Arbeitswelt integrieren.

NAR-Frage: Augsburg und Europa. Was kann Europa für Augsburg tun? Nach meinem Wissen hat die Stadt Augsburg zum Beispiel beim Umbau des Gaswerks eine europäische Förderung verschlafen.

Jörn Seinsch: Da müssen sie den bisherigen europäischen Abgeordneten Markus Ferber von der CSU fragen, was er für Augsburg in Brüssel zustande bringt. Es ist aber nicht so, wie oft behauptet wird, dass Deutschland der Zahlmeister Europas ist. Wir erhalten viele Fördergelder für Projekte in der Wirtschaft, aber auch im Sozialen. Wichtig wäre auch, dass wir einen großen europäischen Kapitalmarkt für Europa schaffen. Nur so können wir mit den USA und anderen konkurrieren. Uns wir sollten endliche bestimmte Steuer-Oasen abschaffen. 

NAR-Frage: Denken Sie dabei an Firmen wie Amazon, Google, Microsoft, Facebook und andere die ihren Firmensitz in Länder verlagern, die nur wenig Steuern wollen?

Jörn Seinsch: Genau, die müssen ihre Umsätze in den Ländern versteuern, wo sie gemacht werden. Wie haben da zuletzt schon Fortschritte erzielt, sind aber noch lange nicht am Ziel.

Jörn Seinsch im "Roten Eck", die SPD-Zentrale in Augsburg.


NAR-Frage: Manche Parteien werben damit, dass man sie wählen sollen, damit die rechtsgerichteten Parteien nicht so mächtig werden. Genügt das als Wahlgrund?

Jörn Seinsch: Nein, wichtig sind vor allem die Ideen der Parteien, die Inhalte ihrer Wahlprogramme. Natürlich sollten nicht Abgeordnete von Parteien ins eruopäische Parlament nach Brüssel kommen, die unsere Demokratie unterwandern oder gar zerstören wollen.

NAR-Frage: Es darf mit 16 Jahren gewählt werden. Finden Sie das gut? Sind die jungen Wähler nicht zu unerfahren?

Jörn Seinsch: Ich habe in den letzten Tagen bei meinem Wahlkampf die Erfahrung gemacht, dass die jungen Menschen wieder politischer denken und handeln. Ich setzte große Hoffnungen auf die jungen Menschen in unserem Land.

NAR: Lieber Jörn Seinsch, wir danken für das Gespräch und wünschen viel Glück für die kommende Europa-Wahl!


Das Interview führte Arno Loeb mit Jörn Seinsch. Fotos auch von Arno Loeb.


Kommentare