Sommer am Kiez 24 ist gestartet: Bei biergeschwängerter Luft jagt ein Hit den nächsten!



They still S.A.K. live:
NOFX und alte Punks am Gaskessel


NOFX, die Punks aus Kalifornien, haben ihren Fans vor eineinhalb Jahren versprochen nie wieder aufzutreten. Sich einfach so still und leise zu verabschieden war aber nie ihr Stil, deshalb kündigten Fat Mike, El Hefe und die beiden Eric/ks eine letzte Farewell-Tour an. Es sollte nicht so chaotisch werden wie vor ein paar Jahren, als sie möglichst unmögliche Länder mit ihrem Sound bereisten (und sich filmen ließen in „small clubs and odd places of Island, Israel and Indonesia“), sondern Open Airs in Europa, Kanada und den USA. Ich war für Euch dabei.



Dass „etwas“ stattfinden würde in der Stadt bemerkte man in Augsburg schon mittags in den Tankstellen, Supermärkten und bei den Getränke-Dealern: Gesindel in schwarz und bunt deckte sich für den Weg zum Gaskessel in Oberhausen mit günstiger Verpflegung ein, und an den Bus- und Straßenbahnhaltestellen sammelte sich Leergut als würden gleichzeitig AEV und FCA spielen. Je näher man dem Gaswerk-Areal kam, desto mehr Pfand stand malerisch am Straßenrand.



Das zweite Mal in Oberhausen:
NOFX im Bootleg und im Pleasure Dome

NOFX waren - anders als es Fat Mike von der Bühne herunter dem Publikum weißmachen wollte - nicht zum ersten Mal in Augsburg: 1988 rockten sie das Bootleg, an dem die meisten Fans auf ihrem Weg zum Gaskessel vorbeigekommen waren, und 1996 spielten sie im Pleasure Dome (heute die neue Rockfabrik). Wer sich erinnern kann war nicht dabei, Fat Mike ist entschuldigt wie meine Wenigkeit: Ich wusste, dass ich sie irgendwo gesehen hatte, aber nicht mehr wo. Ein wenig herumfragen und Bingo - sie spielten im Bootleg, kurz bevor der beste Club, den diese Stadt je hatte, schließen musste.

Aber egal, der dicke Michael redet ja immer gern, besonders wenn viele Leute vor ihm stehen.


Und es standen verdammt viele da. Wer den Nachmittag hinten im Schatten bei Futter, Bier und Merch verbracht, der hatte sich vor die Bühne gekämpft, und der zentral pogende Mob hatte Zuwachs bekommen: Aus nicht mehr als 20 bis 50 Quadratmetern wogender Masse bei den meisten Vorbands wurde bald der komplette Platz neben dem Gaskessel.

Pünktlich um 7 am Abend ging es los, und Fat Mike hielt erst mal die Klappe - "Time Warp" aus der Rocky Horror Picture Show lief vom Band, dazu tanzte er im schwarzen Lederröckchen, während der Rest der Band sich noch einen Shot gönnte.

Bei biergeschwängerter Luft jagt dann ein Hit den nächsten, los geht’s mit einem Frontalangriff auf die lästige Musikindustrie, an die sich NOFX nie verkaufen wollte - sie brachten ihre Musik nicht via Major Deal an den Punk, sondern über Epitaph (Label von Bad Religion) oder über das eigene Label Fat Wreck Chords.



Die ersten Bierbecher kamen geflogen, und dieser Hagel nahm zu beim zweiten Song “Stickin‘ In My Eye“ - zum großen AAAAAH-AAAAH-Chor müssen die Hände frei sein, und auch der erste Schuh landete auf der Bühne.




Es dauert eine Weile bis die Band es etwas ruhiger angehen lässt und einen Ska-Song einstreut, um danach das Gaspedal erst recht durchzudrücken bis auf den Asphalt.


Letzter Song von NOFX “played in Southern Germany“ war dann das epische „The Decline“, eine überlange (ca. 18 Min!) Abrechnung mit Welt, Politik und Gott.

(keine) ZUGABE

Danach war Schluss, ziemlich abrupt: Es gab keine Zugaben! „Beer Bong“, der Song, der mich mit Anfang 20 so faszinierte - mit präzisem Rülpsen in die vielen Breaks - wurde nicht mehr gespielt, genauso wenig wie „Don’t Call Me White!“, das bei Gigs in Deutschland „Don’t Call Me Scheiß!“ hieß.

Die von mir gewünschten Zugaben gibt’s hier:
„Beer Bong“ (live 1987



„Don’t Call Me Scheiß!“ (live Bizarre 1985)


Die Farewell-Tour ging über Berlin weiter nach Großbritannien und dann zurück nach Nordamerika. NOFX‘ allerletztes Konzert findet im November in LA statt.

Was gibt’s zu beklagen? Es war zu kurz, es war am Rand des Platzes zu leise, und sie haben "Beer Bong" nicht gespielt. Die Lokation ist sehr okay.

Der Support:
Punks aus Kalifornien und Detroi
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Dafür rockten vor NOFX Dead Fucking Last (DFL), The Last Gang, Get Dead, Negative Approach, Codefendants und Circle Jerks: durch die Bank solide Punk- und Hardcore-Bands, ausgewählt von den Farewell-Touristen aus Kalifornien.

Ich kam zu spät für DFL, die mich aufgrund ihrer Geschichte schon ziemlich interessiert hätten: Adam Ad-Rock Horowitz von den Beastie Boys war Gründungsmitglied, und auch Michael Diamond mischte eine Zeitlang mit - back to their HC Roots in NYC.

Der Anspieltipp klingt schon ein bisschen wie die anarchischen frühen Beasties:

Dead Fucking Last - "Meter Maid"


Ebenfalls verpasst: The Last Gang, leider.

Denn die sind abwechslungsreich, die mixen Punkrock, Skapunk und Powerpopp - und gewürzt wird das Ganze mit einer prägnant rauchigen weiblichen Stimme. Neben Karina Deniké von den Dancehall Crushers, die bei NOFX einen Song im Duett mit Fat Mike sang und sporadisch das Keyboard bediente, war Lastgangs Brenna Red die einzige Frau auf der Gaswerk-Bühne. Bad Cop / Bad Cop sind auch auf Fat Wreck Chords und hätten den Frauenanteil beim Festival ein wenig angehoben.

Anspieltipp: The Last Gang -"Gimme Action"

Get Dead: Zu Get Dead traf ich endlich vor der Bühne ein und freute mich über das Edmonton-Trikot, das der Gitarrist trug. Zwar ärmellos im Basketball-Design, aber hey: Es war heiß und die Oilers spielen um den Stanley Cup!





Musikalisch gab es bei Get Dead Punkrock mit Ska, ein paar funky Parts und eine fiese Gitarre.

Anspieltipp: Get Dead - "Disruption"


Negative Approach: Ein amerikanisches Hardcore-Urgestein, behauen in Detroit 1981. Und sie klingen noch immer nach Motor City: Aggressives Shouting, Highspeed mit sägenden Riffs.





Get Dead: Eine Lieblingskapelle von Fat Mike, der von ihnen noch viel ungewöhnlichen Sound erwartet, gespickt mit Toasting und Reggae-Parts fällt vor allem der brutal im Gedärm wühlende Bass auf - neben einer analogen Bassgitarre liefert ein Synthie böses digitales Gewummer.





Anspieltipp: Codefendands - "Def Cons"


Circle Jerks: Die „Groupsex“ und "Wild in the Streets" von den Circle Jerks hatte ich auf Tape - und das lief zeitweise rauf und runter im Auto, im Walkman und zuhause. 14 Songs in 16 Minuten, schneller Skatepunk mit den typisch kalifornischen Melodien - Beach Boys auf Speed. Live leider nie erlebt, dafür musste Sänger Keith Morris erst 69 Jahre alt werden. An Greg Hetson (Gitarre) kann ich mich dagegen noch gut erinnern, er war oft mit seinem Nebenprojekt Bad Religion auf Tour. Alle Bandmitglieder haben schon bei anderen bekannten Bands gespielt - Morris war der erste Sänger von Black Flag, andere Jerks halfen auch bei den Red Hot Chili Peppers, Social Distortion, Danzig, Megadeath oder D.O.A. aus.








Banksy 2018 - 5.6.2024



Bericht und Fotos: George Stadler


Man at work.

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