Sister Act: Die Nonnen flippen total aus!


Ich hatte so meine Zweifel: Wie soll ein Musical über ein Nonnen-Kloster Spaß machen, gar amüsamt und mitreißend sein? An den Film mit Whoopie Goldberg mit dieser Story konnte ich mich nur noch schwach erinnern. Irgendwas mit Disko, Chor und Gesang. Vor dem Freilichtbühnenzaun plauderte ich noch mit Markus, im Alltag emsiger Kellner, in der Freizeit manchmal als Travestie-Künstler unterwegs, der sich schick für den Musical-Besuch herausgeputzt hatte und in aufgeregter Vorfreude mit seinen Gastro-Kollegen hier war.


Mit dem Programmheft in der Hand ging ich am Ende einer langen Besucherschlange durch Eingang C auf meinen eisernen Sitzplatz in der Freilichtbühnen-Arena hinunter. Operndirektor Daniel Herzog kam im lässigen Outfit auf die Bühne. Er informierte das Publikum darüber, dass sich Susanna Panzner, welche die Rolle der Mutter Oberin im Kloster hat, bei der Generalprobe einen Fuß angebrochen hat und darum zur Premiere leider nicht auftreten konnte. Es übernahm Maryanne Kelly, die ansonsten die Schwester Mary Patrick spielt. Die Rolle der Mary Patrick übernahm dafür Nadine Stönerberg, die auch die sexy Disko-Diva Tina darstellt.


Was geht da ab? Die frustrierte Sängerin Deloris van Cartier, die mehr Erfolg haben will, wird Zeugin, wie ihr verheirateter Liebhaber Curtis einen Mann ermorden lässt. Das will sie bei der Polizei bezeugen. Wobei sie Polizei-Lieutnant "Schwitze-Fritze" trifft, der schon als ehemaliger Mitschüler in sie verschossen war. Die Gefolgsmänner von Gangster-Boss Curtis, sein Neffe und zwei junge Ganoven, erhalten den Auftrag, Deloris ausfindig zu machen und sie wenn nötig, aus dem Weg zu schaffen. Eddie versteckt Deloris vor den Gangstern in einem Kloster. Das ist der Beginn beim Musical "Sister Act" auf der Augsburger Freilichtbühne am Roten-Tor-Wall. Dieses Musical basiert auf dem gleichnamigen Film mit Whoopi Goldberg in der Hauptrolle, der 1992 in die Kinos kam. Die Uraufführung des Musicals fand 14 Jahre nach der Veröffentlichung des Films 2006 in Pasa dena, Kalifornien statt und trat seinen Siegeszug rund um den Globus an. Die Handlung wurde, im Gegensatz zum Film, nach  Philadelphia verlegt


Leute, was soll ich sagen? Meine Bedenken über ein langweiliges Kloster-Musical wurden schnell zerlegt. Es ging voll ab. Die Band "Abyss and the Holy Horns" legte bestens los, zackige Bläser und funkiger Bass. Da wurde eine kräftige Ladung Disko-Sound abgeliefert. Das Musical spielt ja in den späten 1970ern, als die Disko-Ära den Sound in die Tanzwütigen pflanzte und das Saturday-Night-Fever ausgebrochen war. Eine Anspielung auf den Soul-Barden Barry White machte das noch klarer.
Im Programm-Heft mit dem silbernen Kirchenfesnter vorne drauf, erklärt die Schauspiel-Dramaturgin Melanie Pollmann: "Historisch gesehen reichen die Wurzeln der Pop-Musik, die das 20. Jahrhundert musikalisch und sozio-kulturell wie kein anderes prägte, bis in die Spirituals-Tradition der afroamerikanischen Kultur zurück. Aus den sakralen Gesängen entwickelte sich der Gospel, der neben Jazz und Country entscheidenden Einfluss auf die Melodieverläufe, die Rhythmen und die Vokalharmonien der verschiedenen Stilrichtungen des Pop nahm." Besonders bei der Sängerin Deloris van Cartier, gespielt von Dominique Aref, war selbst im deutschen Text eine kräftige Prise Soul zu spüren. Bravo!


Echt cool war der gewissenlose Gangsterboss Curtis (Cedric Lee Bradley), weitaus brutaler als kreativ bei Geschenken an seine Club-Sängerin und Geliebte Deloris und dazu seine etwas trotteligen Gehilfen TJ (Christian Sattler), Joey (Tillmann Schmuhl), Pablo (Brandon Miller) die sich einbildeten Frauenhelden zu sein.  

Die Nonnen flippten total aus, wie man in den 1970ern zu sagen pflegte. Da wurde mit Inbrunst und Leidenschaft gequietscht, gehüpft, gewirbelt und euphorisch gejubelt, dass es ein großartiges Vergnügen war. Ihre Spielfreude übertrug sich total aufs Publikum, das mit Szenen-Applaus nicht sparte. Natürlich trugen die geilen Glimmerschimmer-Kutten-Kostüme, eine wahre Augenorgie, zum guten Gelingen bei. Das Publikum war davon überwältigt.


Augsburgs Theater-Star Kaus Müller wird als schauspielerische Allzweckwaffe verwendet: Als wimmernder Polizei-Spitzel Ernie haucht er durch eine Gangstger-Kugel sein Leben aus. Als Monsignore O'Hara darf er der Mutter Oberin klarmachen, dass die Kirche eben doch käuflich ist.


 Was kann ich über den Gesang der Akteure berichten? War alles Spitze. Herausragend auf jeden Fall Dominique Aref, die Idealbesetzung für Deloris. Sie braucht sich hinter der ehemaligen Disko-Queen Donna Summer wirklich nicht zu verstecken. Auch ihre katzenartigen Bewegungen, ihre erotisch-faszinierende Ausstrahlung, ihre packende Stimme, das war mehr als super. Jeder noch so heiße Toaster würde sich beim Anblick dieser Soul-Lady als Kühlschrank fühlen.


Das Bühnenbild mit großen farbigen Kirchenfenstern und den Fahnen der voerherigen Oper Turandot passten bestens zueinander. Wer Turandot nicht besucht hatte, ahnte nichts, von dieser gelungenen Resteverwertung.


Plötzlich fuhr ein weißes Auto a la Papamobil in die Freilichtbühne. Ein Mann ganz in Weiß stieg heraus. Der Papst kam zu Besuch. Er wollte den Nonnen-Chor hören, der unter Leitung von Deloris zu einer Weltsensation geworden war. Dabei geizte er nicht mit den Segnungen des Publikums. Ich hoffe nur, das half mir, einen gut gelungenen Bericht über „Sister Act“ zu verfassen.


Es wimmelte voller Witze, Gags und Anspielungen. Speziell die Kirche wurde - mit teilweise scharfer Humorwürze - öfters bedacht. Wäre schade, wenn ich davon was verraten würde. Die originellen Song-Texte sind auch sehr gelungen. Reingehen und selber genießen ist besser. 


Dass wir alle von diesem Musical hundertpro begeistert waren, kann ich mit einer Beobachtung schildern: Neben Staatsintendant André Bücker saß sein Sohn. Als es leicht zu regnen begann, schlüpfte er unter eine blaue Regenhaut. Doch der Regen konnte ihn nicht abkühlen. Er ging mit dem Rhythmus der Musik wie unter Hypnose mit. Loben muss ich auch seinen Papa, der ohne Schirm und Schutz aus Solidarität mit den Akteuren tapfer im Regen sitzen blieb, das Spiel auf der Bühne beobachtete und mit reichlich Applaus unterstützte. Den hatten die Musical-Darstellerinnen und -Darsteller mehr als verdient. Sie spielten, wie vom Regen - der fantastische Lichtermuster in den Scheinwerferstrahlen in der Nachtluft erzeugte -  bestens erfrischt, ihre Rollen mit einer weiteren fetten Portion Schwung. 


Als ich beim Rausgehen auf Augsburgs Kulturreferent Jürgen Enninger traf und ihn fragte, wie es ihm gefallen hat, konnte er ein verzücktes Lächeln nicht unterdrücken und meinte: Ddas war wunderbare köstliche Unterhaltung!“ Ich widersprach ihm nicht.



Bericht: Arno Loeb
Fotos: Jan-Pieter Fuhr


Weitere Termine und mehr Information über das Musical "Sister Act" sind hier zu finden.


B E S E T Z U N G
Musikalische Leitung Sebastiaan van Yperen
Inszenierung Frank Matthus
Choreografie Ralph Frey
Bühne Karel Spanhak
Kostüme Aleksandra Kica
Licht Günter Zaworka
Dramaturgie Melanie Pollmann

Deloris van Cartier Dominique Aref
Mutter Oberin Susanna Panzner / Maryanne Kelly
Schwester Mary Robert Marije Louise Maliepaard
Schwester Mary Patrick / Tina Maryanne Kelly / Nadine Stöneberg
Schwester Mary Lazarus Natalie Hünig
Schwester Mary Curata / Michelle Anna Angelini
Schwester Mary Nirvana Mirjana Milosavljević
Schwester Mary Lichter Melanie Maderegger
Schwester Mary Honorata Julia Bergen
Schwester Mary Lafer Svea Harder
Schwester Mary Passionata Amy Sellung
Schwester Mary Fugata Carola Bach
Schwester Mary Augusta Gerhard Werlitz
Monsignore O'Hara / Ernie Klaus Müller
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Eddie Fritzinger Dennis Weissert
Curtis Jackson Cedric Lee Bradley
TJ Christian Sattler
Joey Tillmann Schmuhl
Pablo Brandon Miller
~~~
Live-Band Abyss & The Holy Horns Benedikt Bader, Timm Cebulla, Kay Fischer / Tasuku Noguchi, Peter Granetzny, Markus Guth, Viktor Hanauer, Sebastian Klein, Ellen Mayer, Marian Semm, Johannes Steber / Valdis Bizuns
Statisterie Statisterie des Staatstheaters Augsburg
~~~
Musikalische Leitung Sebastiaan van Yperen
Inszenierung Frank Matthus
Choreografie Ralph Frey
Bühne Karel Spanhak
Kostüme Aleksandra Kica
Licht Günter Zaworka
Dramaturgie Melanie Pollmann
Regieassistenz
& Abendspielleitung
Marlies Grasse / Alexander Stumpf
Dance Captain
& choreografische Mitarbeit
Maryanne Kelly
Ausstattungsassistenz Franziska Kohl
Bühnenbildassistenz Serena Irniger
Produktionsleitung Kostüm Katja Schröpfer Inspizienz Daniela Krämer
Licht-Inspizienz Sibylle Schmalbrock
Soufflage Joane Reimann
Bühnenmeister Ulrich Lindenfelser, Claus Walch
Beleuchtungsmeister Günter Zaworka Ton Chris Heck
Ton Chris Heck
Maske Christina Böhler, Juliana Buchin, Marvin Butschek, Anne Doldi, Veronika Eßer, Amelie Feldmann, Eun-A Kim, Elsa Kiesel, Ingo Kiesel, Lara Krause, Eliah Lindenfelser, Elias Loeb, Jessica Molnar, Tristan Reuter, Nina Schiffelholz, Cornelia Schnell, Thyra Templiner
Requisite Karoline Kuschmitz, Violet Klas
Ankleider:innen Sabri Alp, Carolin Haidinger, Beate Holzmann, Edith Miller, Laura Pairan, Pauline Pappe, Gitana Reingard, Johanna Rehn, Andrea Rempt, Verena Scheuerer, Alexander Schneider, Ida Zoe Starken, Pauline Walcher, Aline Weyer, Eva Wiedemann
Keyboardprogrammierung Matthias Hauck
Übertitel Inspizienz 23. & 24.7. Yongxin Sia

MITARBEITER:INNEN

TECHNISCHER DIREKTOR Paul Strugalla | WERKSTATTLEITUNG Matthias Schneider | PRODUKTIONSLEITUNG Christina Pointner | LEITUNG BELEUCHTUNG Marco Vitale | LEITUNG TONABTEILUNG Moritz Kobel | LEITUNG VIDEOABTEILUNG Thomas Herzog | LEITUNG VERANSTALTUNGSTECHNIK Philipp Dahlke | LEITUNG MASKENABTEILUNG Simon Wiese | LEITUNG REQUISITE Robert Klemm | LEITUNG MALSAAL, TAPEZIER- & KASCHEURWERKSTATT Markus Priebe | LEITUNG SCHREINEREI Robert Rager | LEITUNG SCHLOSSEREI, MASCHINERIE Armin Steinle, Klaus Joder | KOSTÜMDIREKTORIN Katja Schröpfer | WERKSTATTLEITUNG KOSTÜM Karoline Schreiber | PRODUKTIONSLEITUNG KOSTÜM Marie Wildmann | MODISTIN Caroline Bertozzi | GEWANDMEISTERIN DAMEN Andrea Klaus, Claudia Neumann | GEWANDMEISTERIN HERREN Maria Schreyer, Amira Bornschier | LEITUNG ANKLEIDEWESEN Laura Pairan | LEITUNG FUNDUS Katharina Riegl, Daniela Viola | AUSBILDUNGSLEITUNG Claudia Neumann, Maria Schreyer | LEITUNG STATISTERIE Daniela Tiggemann | BIBLIOTHEK Larysa Bylchynska


Orchestration von Doug Besterman
Vokalsätze und zusätzliche Arrangements nach Michael Kosarin
Am Broadway produziert von Whoopi Goldberg & Stage Entertainment In Verbindung mit The Shubert Organization und Disney Theatrical Productions
Die Originalproduktion wurde in Verbindung mit Peter Schneider & Michael Reno entwickelt und von Stage Entertainment produziert.
Produktion der Uraufführung durch Pasadena Playhouse, Pasadena, Kalifornien – Alliance Theatre, Atlanta, Georgia Sheldon Epps, Artistic Director – Susan V. Booth, Artistic Director Lyla White, Executive Director – Tom Pechar, Managing Director Tom Ware, Producing Director

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