Nach der Stadtratssitzung zum Thema Architekten-Kündigung beim Augsburger Theater-Umbau, äußert sich der bekannte Augsburger Bau-Unternehmer Bernhard Spielberger zu diesem für
Augsburg einmaligen Vorgang. Der neue Augsburger Bau-Referent Steffen Kercher hat mit Hilfe der Oberbügermeisterin Eva Weber dem Architekten-Team Achatz in einer Geheimaktion beim gigantischen Theater-Umbau gekündigt. Dieser kann der Stadt, ihre Bürgerinnen und Bürgern, zu den bisherigen geschätzten 417 Millionen Euro noch viele weitere Millionen Euro kosten:
Ich bin wütend und traurig zugleich, dass hier anscheinend zig Millionen an Steuergelder aufgrund persönlicher Eitelkeiten der beiden städtischen Akteure verblödet werden, wenn gleichzeitig meine Mitarbeiter keine Kita- und Hort-Plätze für ihre Kids finden und deshalb bei mir nicht arbeiten können, so dass ich und viele andere Unternehmen ihren Geschäftsbetrieb fast nicht aufrechterhalten können.
Ich gehe sehr selten ins Theater und verstehe deswegen wohl auch nicht, wie man hunderte Millionen Euro für ein paar wenige Gäste im Jahr, deren Eintrittskarten auch noch vom Steuergeld anderer subventioniert werden müssen, damit sie überhaupt dorthin gehen, verblöden kann. Besonders, da diese zig Millionen gleichzeitig an anderen Stellen wie Schulen, Kitas, Altenhilfe etc. fehlen.
Dass Behörden ein Eigenleben haben ist mir leidlich bekannt. Ebenso, dass so mancher Politiker ein größeres Ego als Fähigkeiten hat, auch. Aber so einen offensichtlichen Quatsch habe ich noch nicht gehört. Hören die sich eigentlich selber zu?
Altes Protest-Bild gegen zu teuren Theater-Umbau in Augsburg. |
Der Baureferent und die OB erklärten nun wiederholt und ohne rot zu werden, dass eine Kündigung des Architekten - wohl wegen ca. 70.000 Euro Nachtragshonorar - weder Verzögerungen noch Kostensteigerungen bei einem zwischenzeitlich fast 500 Millionen Euro teuren Megaprojekt zur Folge hätten.
Vor wenigen Wochen erklärten uns beide noch, dass man Kostensteigerungen in Höhe von ca. 77.000.000 Euro beim Theater eben hinnehmen müsse, um jetzt bei einem Nachtrag des Architekten von 70.000 Euro plötzlich eine rote Linie erkannt zu haben, da der Architekt nur an seinem Honorar interessiert wäre und „man“ Schaden von der Stadt abwenden müsse.
Kein halbwegs erfahrener Bauherr würde wegen einem so, im Vergleich zu den Gesamtkosten, läppischen Betrag den Architekten kündigen. Keiner. Einen Architekten zu diesem Zeitpunkt eines Bauvorhabens zu kündigen ist meiner Erfahrung nach so ziemlich das Dümmste, was man tun kann.
Augsburgs OB Eva Weber und ihr neuer Bau-Referent Steffen Kercher. Sie kündigten im Alleingang dem Theater-Architekten-Team Achatz. Ihre rote Linie ist wenig glaubhaft. |
Der bisherige Architekt hat der OB nicht ihre goldene Stadtkette gestohlen, sondern für möglicherweise zusätzliche Leistungen zusätzliches Honorar verlangt. Ein völlig legitimer Versuch. Nichts ist auf dieser Welt umsonst und schon gar nicht in der HOAI (Honorarordnung für Architekten und Igenieure).
Auch der Hinweis vom bisherigen Architekten, dass ohne diese zusätzliche Planung alle Beteiligten nicht weiter arbeiten können und er deshalb möglichst schnell eine Genehmigung/Beauftrages des Nachtrags benötigt, ist ein ganz alltäglicher Vorgang auf jeder Baustelle und gehört zudem zu den Pflichten eines Architekten. Einfach nachzulesen in der HOAI.
Man setzt sich zusammen und tauscht seine Standpunkte aus. Möglicherweise zahlt oder beauftragt man diesen läppischen Betrag (verglichen mit den Baukosten) unter Vorbehalt. Aber man kündigt doch nicht, nie, niemals nicht den Architektenvertrag, der sicher mehr als 5 Mio. Honorar beinhaltet, wegen so einer Bagatelle.
Bus vor dem Augsburger Theater. |
Diese angebliche rote Linie, die nun die OB und der Baureferent gefunden haben möchte und der angebliche "Nasenring, mit dem man sich nicht durch die Manege führen lassen möchte", ist wenig glaubhaft, geradezu lachhaft. Die HOAI regelt die Kompetenzen des Architekten und hierzu gehören eben auch seine Hinweispflichten.
Apropos Kompetenzen:
Nachdem der Stadtrat von der Kündigung überrascht wurde, gehe ich davon aus, dass er der Kündigung bisher nicht zugestimmt hat. Eine solche Kündigung, welche ein Kostenrisiko von mehreren Hundert Millionen Euro beinhaltet, dürfte wohl kaum zum Tagesgeschäft zählen, so dass auch eine OB oder ein Baureferent einen entsprechenden Stadtratsbeschluss benötigt. Ich gehe mal nicht davon aus, dass der Stadtrat den beiden einen „Persil-Schein“ für das Theater gegeben hat und die zwei selbstherrlich über zig Millionen entscheiden dürfen.
Laut bisherigen Presseberichten hat der Stadtrat der Kündigung bisher nicht offiziell zugestimmt. Über die 77 Mio Mehrkosten wurde der Stadtrat vor der Sommerpause informiert, aber über das 70.000 Euro Nachtragshonorar des Architekten, welches bereits seit Monaten auf dem Tisch lag, also die "Rote LInie" nicht.
Merkwürdig.
Ist eine solche Kündigung, mal unterstellt, dass der Stadtrat seine Zustimmung aus Risiko- und Kostengründen nicht erteilen wird, überhaupt wirksam? Haben OB und Baureferent etwa vollmachtslos und ohne Entscheidungskompetenz gehandelt?
Muss diese Frage nicht zuerst geklärt werden, bevor eine weitere EU-weite Ausschreibung erfolgt?
Wer trägt die zig Millionen an Kosten dieser voreiligen Kündigung und warum konnte man die paar Wochen bis zur nächsten Stadtratssitzung oder in dieser Größenordnung außerordentlich einberufenen Stadtratssitzung nicht abwarten? Auch diese berechtigte Fragen wird von der Opposition sicher noch gestellt werden.
Eine neue EU-weite Architekten-Ausschreibung kann nach Angaben des Baureferenten ohnehin erst im nächsten Jahr erfolgen. Warum dann diese überstürzte Kündigung des bisherigen Architekten? Will man nun allen Ernstes eine Baustelle ohne Architekten vorbereiten und glaubt, dass dies ohne weitere Verzögerungen und Mehrkosten ablaufen wird? Das ist völlig illusorisch und bestenfalls naiv. Allein die Ausschreibungskosten werden ein Vielfaches der vom bisherigen Architekten geforderten Nachtragshonorar in Höhe von 70.000 Euro kosten.
Und dann erklärt uns die beiden Stadtvertreter auch noch, dass sie den restlichen Vertrag mit dem Architekten wegen fehlender Vertrauensbasis ebenfalls beenden wollen.
Flyer der Initiative Kulturelle Stadtentwicklung Augsburg, die sich gegen eine zu hohe Verschuldung der Stadt Ausburg aussprach. |
Ist denn das deren erstes Bauvorhaben?
Kein erfahrener, seriöser Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht hätte eine solche Vorgehensweise empfohlen (außer im Hinblick auf sein Honorar). Der bisherige Architekt bekommt nun sein Geld – möglicherweise wird man vor Gericht irgendeinen Vergleich in fünf bis zehn Jahren erzielen. Also wohl zu einem Zeitpunkt, an dem die beiden Kündigungsakteure wohl nicht mehr im Amt sein werden.
Der neue EU-weit gesuchte und gefundene Architekt wird -natürlich nach langer aufwändiger Prüfung und Hinterfragen der Bestandspläne- die bestehende Planung aus Haftungsgründen ablehnen und fast von vorne beginnen. Falls der neue Architekt nicht von Anfang an in der Haftung stehen möchte, muss und wird er das tun.
Das hat Auswirkungen auf alle anderen Fachplaner, denn die fangen auch wieder von vorne an. Genau das war ja wohl der Grund für die 70.000 Euro Nachtrag des Architekten – eine geänderte Planung eines neuen Fachplaners, da der bisherige ausgeschieden ist. Die bereits beauftragten Baufirmen werden Behinderungen anmelden, da ihnen die Ausführungspläne nicht rechtzeitig zur Verfügung gestellt werden. Auch hier droht ein Kostendesaster.
Zudem wird der neue Planer nicht den Fehler machen und nach umfangreichen Kostenprüfungen die angesetzten Baukosten zu gering ansetzen. Warum auch, denn die Stadt kann nicht mehr zurück und bekanntlich bedeuten höhere Baukosten auch ein höheres Architektenhonorar und zudem wird er sich später nicht den Vorwurf von Mehrkosten konfrontiert werden wollen.
Bekannter Augsburger Bau-Unternehmer Bernhard Spielberger: "Das jetzige Drama um das Theater fasziniert mich." |
Und wir sprechen hier nicht nur von ein paar Milliönchen zusätzlich.
Hinzu kommen die Zinsen für das halbe Milliardenprojekt, welche pro Monat schon das das Nachtragshonorar des Architekten (die "Rote Linie") um ein Zigfaches übersteigen.
OB und Baureferent wirken überfordert und haben anstatt Schaden abzuwenden, wohl größtmöglichen Schaden angerichtet.
Mein Vorschlag:
Der bisherige Architekt macht weiter und OB sowie Baureferent geben das Projekt und alle Entscheidungen an einen externen professionellen „Oberbaustellen-Koordinator“ ab und halten sich zukünftig raus, denn sie können es offensichtlich nicht.
Text: Bernhard Spielberger
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