Künstler des Monats: Der Schauspieler, Sänger und Autor Matthias Klösel

Matthias Klösel in "Ein Bericht für eine Akademie" von Franz Kafka.

Matthias Klösel belebt mit seiner Theaterwerkstatt das Augsburger Kulturleben ungemein. Vor einigen Wochen schaffte er es sogar mit seiner "Edgar Allan Late Night Show" den Fünffingerlesturm am Stadtgraben mit Augsburgs kleinstem Theatersaal zu präsentieren. Und es war ein voller Erfolg. Jede Veranstaltung in diesem historischen Mauerwerk war ausverkauft. Natürlich war Matthias Klösels düsteres Programm mit Horror-Stücken des berühmt-berüchtigten Autors Edgar Allan Poe bestens für packende Aufführungen in diesem alten Turm am breiten Wassergraben geeignet. Besonders nachts, wenn die Fledermäuse um den Fünfgratturm, volkstümlich Fünffingerlesturm genannt, herum ihre Kreise ziehen.

Das Publikum erstarrt wenn Matthias Klösel mit hypnotischer Stimme vom tödlichen Pendel in der Grube mit Ratten, vom eingemauerten Besserwisser oder vom verräterischen Herz berichtet. Ein Mönchschor liefert schauerlichen Gesang. Mit der Geige erzeugt Matthias Klösel melancholische Melodien, die in Gänsehaut-Dissonanzen enden. Das Licht der Taschenlampe lässt den Zuschauer-Atem im dichtgedrängten dunklen Raum stocken, wenn es das Gesicht des Schauspielers in eine schreckliche schwarz-weiße Fratze verwandelt. Manche nennen den Schauspieler Matthias Klösel auch den "Mann mit den unzähligen Gesichtern."


N
icht weit vom Fünffingerlesturm entfernt, bei der Augsburger Kahnfahrt neben dem Oblatter Wall und dem Krankenhaus Vincentinum, war Klösel schon einige Jahre in den Sommermonaten aktiv. Dort führte er mit Daniela Nering die Kahnfart-Festpiele 2024 auf, wobei das Publikum in Booten sitzt und begleitet mit Live-Musik von Bühne zu Bühne mitrudert. Matthias Klösel erzählt als Eugen Hecht und Bert Brecht über seine Liebe zu Frauen und singt mit Daniela Nering Songs. Die "Kahnfahrt-Festspiele" sind inzwischen eine erfolgreiche Reihe auf und am Wasser - wo Bert Brecht aufwuchs und als Autor begann - vom Tourismus-Verein Regio Augsburg promotet wird, die vom Buchändler Kurt Idrizovic aus der Buchhandlung am Obstmarkt entwickelt wurde.


Nach dem Abitur absolvierte Matthias Klösel zunächst eine Schreinerlehre. Daher hätte alles ganz anders bei ihm laufen können. Doch nachdem er bei einer freien Theatergruppe Bühnenluft geschnuppert hatte, war klar, "dass ich lieber diesen Weg als Theater-Mann gehen möchte. Ich mag Sprache und Sprachen. Im Theater fühle ich mich daher sehr wohl, und das ist bis heute so." Es folgten für ihn Engagements in der Spielküche Augsburg, Stadttheater Augsburg, Sensemble Theater Augsburg, Theater Ingolstadt, Kreuzgangspiele Feuchtwangen, City-Club Augsburg, Komödie im Bayerischen Hof und anderen Theatern. Inzwischen ist er in ganz Süddeutschland unterwegs, von Rothenburg ob der Tauber bis nach München. 

Matthias Klösel und Daniela Nering bei den Kahnfahrt-Festpielen 2024.


Matthias Klösel leitet die Theaterwerkstatt Augsburg. Das ist ein Forum für zeitgenössisches Theater. Modernes Volkstheater aus der eigenen Schreibwerkstatt bilden einen Schwerpunkt der Arbeiten. Politisch und gesellschaftlich brennende Themen werden aufgegriffen und theatralisch umgesetzt. Mit diesen Stücken ist die Theaterwerkstatt immer wieder in Schulen aktiv, um politische Themen sinnlich ansprechend zu vermitteln. Zum Thema Antisemitismus steigt Klösel mit "Ein ganz gewöhnlicher Jude" von Charles Lewinsky auf die Bühne, oder bestreitet eine "vertiefende Lesung" zur Ausstellung über das Mädchen Gabi aus dem Allgäu, das von den Nazis im KZ ermordet wurde.  Mit Olaf Ude spielt Matthias Klösel "Empfänger unbekannt", wobei es um einen berührenden Briefwechsel zwischen  zwei Freunden geht, deren Freundschaft durch die Nazi-Herrschaft in Deutschland völlig zerbricht.

Für die verschiedenen Projekte wird von Matthias Klösel jeweils ein Pool aus Schauspielern und Regisseuren zusammengestellt. Sei es Matthias Ubert als Elias Holl und Wini Gropper als Bert Brecht. Regisseure wie Leif Eric Young, Gianna Formicorne, Jürg Schlachter und  Holger Seitz für ein Fußball-Drama. Klösel scheut  nicht vor Slapstick zurück, wenn er beim Speed-Stück über die Abenteuer des Odysseus auf hoher See mit Puppen als "Schmierenkomödiant" mit einem "geilen Beat" herumalbert. Viel gelacht wird auch, wenn er als Schrebergärtner einen Kleinkrieg mit den Nachbarn anzettelt. Faszinierend ist sein Auftritt als sprchender und denkender Affe im dem Franz Kafka-Stück "Ein Bericht für eine Akademie". "Klösel braucht kein aufgesetzt dramatisches Flüstern, oder übertriebenes Geschrei, um Wirkung zu erzielen", meint der Kultur-Journalist Sebastian Kraus.

Matthias Klösel ist mit Tom Gratza sozial aktiv.

Mit dem Komponisten, Texter und Musiker Tom Gratza hat Matthias Klösel einige Programme auf die Bühne gebracht. "Das seid ihr Hunde wert" sind Rebellenlieder von Erich Mühsam, wobei Matthias Kloesel den aufmüpfigen Gesangspart übernimmt und Tom Gratza ins Piano hämmert. Das kommt an. Sogar in Münchens Künstlerkneipen wird dieses dynamische Duo gebucht. Schon bei "Lech, du wilder Hund", einem Heimat-Stück mit einem Wasserfall aus Balladen und Texten über den Gebirgsfluss Lech und das Wasser, reißen die beiden ihr begeistertes Publikum mit. Matthias Klösel gibt dabei den Klempner mit Balladengesang und Tom Gratza begleitet am Piana, ohne dabei nur plätschernde Töne hören zu lassen.

Matthias Klösel beim Interview auf dem Augsburger Lueginsland.
Foto: Alexander Möckl (a3kultur)

Manchmal muss Matthias Klösel drei verschiedene Stücke samt Text im Kopf parat haben, weil diese im gleichen Monat aufgeführt werden. Wie macht er das nur? Matthias Klösel: "Ich kann sie jederzeit einzeln abrufen. Natürlich muss ich vor jeder Aufführung den dazugehörigen Text duchgehen." Zum Entspannen wandert er gerne durch die Landschaft. In Augsburg sieht man ihn auf dem Fahrrad durch die Straßen brausen. Warum tut er sich das Theater als freischaffender Schauspieler überhaupt an? "Ich mache es einfach gerne", ist die lapidare Antwort von Matthias Klösel. "Außerdem fordert die Schauspielerei Körper und Geist und ist zudem unglaublich abwechslungsreich." Beim Gespräch mit Alexander Möckl von a3kultur sagt Matthias Klösel auf die Frage "du bist Schauspieler und Autor in einer Person. Hilft dir das?": "Ich finde, das befruchtet sich gegenseitig. Da ich ebenso für andere schreibe, weiß ich, wie das geht. Wenn ich dann für mich selbst schreibe, habe ich den entsprechenden Abstand und kann für meine Rollen den richtigen Ton treffen. Die Herangehensweise ist die gleiche. Erst habe ich eine Idee, dann plane ich schon das Setting, die einzelnen Stationen, überlege, welches Team mit dabei ist, und so weiter. Dann erst kommt der Text. Aber der größte Vorteil ist natürlich, dass ich mir die besten Rollen einfach selbst schreibe!"

Matthias Klösel mit Grusel-Grimasse bei seiner
"Edgar Allan Poe Late Night Show".

Matthias Klösel wohnt in der Augsburger Altstadt, zwischen Fischertor und Dom. Er liebt es, bei seinen Theaterstücken den vollen Überblick zu haben. Darauf hat er lange hingearbeitet. Er sucht sich den Stoff heraus, der ihm gefällt, schreibt seinen eigenen Text dazu, oder nimmt sich einen passenden Text. So bleibt er Herr seiner Aufführungen. Und er ist sich nicht zu schade bei seinen Ein-Mann-Aufführungen an der Kasse zu stehen und mit dem wartenden Publikum über vergangene oder über kommende Stücke aus seiner Theaterwerkstatt zu plaudern. Dabei wird er oft gefragt, wie er sein Theaterleben führt. "Meistens bin ich als Einzelkämpfer unterwegs. Meine Solostücke lassen sich natürlich viel unkomplizierter umsetzen, da ja nur ich entscheiden muss, ob ich das machen will oder nicht. Ein Theaterstück im Ensemble ist schon ein enormer Aufwand. Wo ist der geeignete Raum? Leider hat Augsburg da zwei wichtige Auftrittsorte für die freie Szene verloren: den Hoffmann-Keller und natürlich die Werkstattgalerie Krüggling, wo ich oft aufgetreten bin", ist dann von ihm zu hören.

Matthias Klösel im 
Fünffingerlesturm.

Übrigens: Matthias Klösel hat den Kriminalroman „Tourneekoller“ geschrieben, in dem er humorvoll die Geschehnisse hinter den Kulissen des Theaters verarbeitet. Was geschieht, bis sich der Vorhang vor vor der Bühne endlich hebt? Lampenfieber, Streit, Intrigen, Zusammenbruch, Chaos? Davon weiß Matthias Klösel sicher ganz viel. 

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