Augsburger Hotelturm - besonders wertvoll?

Hinter der Ruine: Der Augsburger Hotelturm.



Wäre der Augsburger Hotelturm ein Mensch dann würde man sagen: „Der hat aber auch ein Pech!“

Am 3. Dezember 2024 wurde der 115 Meter hohe „Maiskolben“ unter Denkmalschutz gestellt. Für die Eigentümer neue Unwägbarkeiten in Besitz und Vermögen. Als hätte die lange Geschichte nicht schon genügend Pleiten und Pannen.


Augsburg nicht Chicago



Begründet wurde die Unterschutzstellung mit ... städtebaulicher Bedeutung im Interesse der Allgemeinheit ... (Art.1 Bayer. DenkmalschutzG). Damit ist sicher nicht die politische Entstehungsgeschichte gemeint, denn der Hotelturm sollte als bizarres Symbol eines modernen Augsburgs spätestens zur Olympiade 1972 das Stadtbild mit seinen Renaissancebauten und Kathedralen tatsächlich überragen. Dazu lobte die Stadt schon 1968 einen Investorenwettbewerb für Teile des Wittelsbacher Parks aus, nachdem das Bebauungsplanverfahren wegen der Gefahr eines „Klein-Chicago“ für das Gelände an der Gögginger Brücke bis zur Morellstraße gescheitert war.

Das Original-Bauwerk in Chicago.

Verzwergter Klon in Augsburg.


Das Investorenverfahren für ein Hotel zur Ergänzung der Kongresshalle ergab nur einen Interessenten, den Augsburger Ackergerätehändler Otto Schnitzenbaumer. Dessen Architekten forcierten wegen der Ensemblewirkung mit der neuen Kongreßhalle die städtebauliche Dominante mittels Hochhaus.


Klon statt Original



Dazu entwarfen sie einen zunächst nur 50 Meter hohen runden Hotelturm dessen Fassade je nach Betrachter als Maiskolben oder Flaschenreinigerbürste bezeichnet wurde. Zwei solcher 180 Meter hohen Gebäude standen in Chicago (sic!) und galten als die komfortabelsten Wohntürme der Welt. Für Augsburger Verhältnisse wurde daraus ein Turm, gestalterisch weitgehend kopiert und auf zunächst weniger als ein Drittel verzwergt. Das Projekt, weil die Stadt dringend vor der Olympiade ein Kongreßhotel benötigte, schnell genehmigt.


Wachstum durch rechnen



Otto Schnitzenbaumer war ein kluger Rechner. Das hatte er vermutlich mit seinem Münchner Schicki-Micki Nachtlokal „Yellow Submarine“ gelernt. Neben den Eventgebühren mussten die Besucher damals sechs DM Eintritt bezahlen wenn sie die Nähe der lebenden Haifische in seinem Show-Bassin genießen wollten.

Die ersten Wirtschaftlichkeitsberechnungen die Schnitzenbaumer zusammen mit dem Holiday Inn Konzern vorlegte gingen noch von einer Kostendeckung der Investitionen mit einem 400 Betten Hotel bei 45 Meter Höhe aus. Die nächste Rentabilitätsbetrachtung benötigte oberhalb des Hotels zusätzlich noch private Apartments. Also wuchs der Turm auf 65 Meter. Nicht genug, plötzlich war von Insolvenzgefahr die Rede wenn das Gebäude nicht mindestens einhundert Meter hoch wird. Vierzig fürs Hotel, sechzig für die Apartments. Die Stadt unter Druck aufgrund des Fertigstellungsbedarfes bis zur Olympiade 1972 in München, mit Kajakslalom am Augsburger Eiskanal, musste zustimmen. Das Zähne zeigen des Haifisch-Aquariumsbetreiber reichte aus.




Aufruhr im Stadtrat



Inquisitor gegen parlamentarische Mauscheleien, Stadtrat Erich Maiberger gefiel das überhaupt nicht. Er prangerte das „sich über den Tisch ziehen lassende Genehmigungsverfahren“ an. Er sprach von einem „Betondenkmal (!), Hauptsache modern und der abgesägte Gaskessel, nun drei auf einander getürmt, sei nur eine billige Kopie aus den USA. Außerdem könne die neue Augsburger Architekturikone sich nicht mit dem Elias Holl'schen Rathaus messen“.

Erstaunlich, daß das Gebäude als Baulückenbebauung nach § 34 Baugesetzbuch genehmigt wurde. Diese Norm kann nur angewendet werden wenn sich das neue Gebäude „in die Nachbarschaft“ einfügt. Die Häuser im Antonsviertel sind alle maximal fünfgeschossig. Aber vielleicht nahm man die Türme der Kirche zum Vergleich. Auf die erforderlichen 500 Kfz Stellplätze wurde auch verzichtet.

Für Verdruss sorgte zudem die Begründung wonach es zu wenig Hotelbetten in Augsburg gab, wurden doch kurz zuvor die Nobelhotels „Kaiserhof“ und „Drei Kronen“ abgerissen anstatt modernisiert.

Erich Maiberger, ehrenwerter Gymnasiallehrer, Spitzname unter den Pennälern „Öli“,  nicht nur wegen seiner geschmeidigen Haarpräparation, gründete eine Bürgerinitiative um den Bau des Hotelturms zu verhindern. Zeitzeugen behaupten dazu hätte er sich auch an das Rathaus gekettet um seiner Forderung „Rettet den Wittelsbacher Park“ Nachdruck zu verleihen.

Erstaunlich wenig Aufsehen erregte der gewaltige Windfallprofit den Schnitzenbaumer aufgrund der verdreifachten Nutzfläche erzielte. Das Grundstück erwarb er zu einem begünstigten Preis aus der Grünfläche des Parks. Im Juni 1972, kurz vor dem Beginn der Olympischen Spiele war trotz aller Fehden und Zerwürfnisse die Fertigstellung des zu dieser Zeit höchsten europäischen Hotelturms.

Verrostete Balkongeländer dürfen nur artgleich ersetzt werden, selbst wenn der Wind durchpfeift und man nicht draußen sitzen kann.



Pleitenjahre



Schon drei Jahre nach Eröffnung des Hotels geriet der Turm ins Schwanken. Schnitzenbaumer verkaufte das Gebäude an einen anderen schillernden Augsburger, Johann Glöggler. Der hatte sein Vermögen mit dem Ausbeinen von Texilunternehmen verdiente. Glöggler konnte aber den Kaufpreis von 50 Mio DM (spekulativ ca. 15 Mio DM über Schnitzenbaumers Invest) nicht bezahlen, weil er selbst vor der Insolvenz stand. Für rund 20 Mio DM wurde das Gebäude dann im zweiten Ausschreibungsverfahren 1980 versteigert. Die neuen Eigentümer teilten den Hotelturm auf. Oben 328 Apartments nach Wohnungseigentumsrecht - unten Hotel mit Dachrestaurant und Parkhaus. 1993 war der Hotelteil wieder pleite. Im Zuge des Balkankrieges wollte der Konkursverwalter der Regierung von Schwaben die Hotelzimmer als Asylbewerberheim andienen. Die Stadt wehrte sich und so wurde das Hotel an weitere Finanzinvestoren weitergereicht, ohne daß eine nachhaltige Nutzung gefunden wurde.


Kurze Erfolgsstory



In 2000 kaufte ein Immobilienfonds den Hotelteil (Dorint Gruppe) mit seinen 11 Stockwerken und modernisierte ihn nach einigen Jahren. Die Eigentumsapartments befinden zwischen 12. und 33. Geschoss. Im vormaligen Dachrestaurant zog ein Rundfunkunternehmen ein. Nach 16 Jahren war auch dieser Investor pleite. Wieder ein neuer Hotelbetreiber und Käufer. Der betreibt das Hotel noch heute. Der Rundfunkunternehmer ist aber zwischenzeitlich wieder ausgezogen. Das oberste Aussichtsgeschoss ist verschlossen. Bisher haben die Augsburger vom neuen „Wahrzeichen“ von Augsburg recht wenig. Auch das dazugehörige Parkhaus ist nicht nutzbar. Aber dies ist eine andere - gruselige - Geschichte.


Warum also Denkmal ?



Selbst wenn eine auch teilweise öffentliche Nutzung nicht möglich ist, kann solch ein Gebäude unter Denkmalschutz gestellt werden. Im Allgemeinen muss ein öffentliches Interesse bestehen welches das Gebäude als kulturelles Erbe rechtfertigt. Einzelmerkmal ist die besondere Architektur und die Bedeutung für die Stadtgestalt.

Eine mögliche detaillierte Begründung liefert schon im Jahr 2001 ein werbe orientiertes Augsburger Stadtmagazin, Zitat: "Mit dem Hotelturm wuchs auch Augsburgs Horizont ... Der raffiniert konstruierte Stahlbetonbau führte den Augsburgern eine ganz neue Architektur vor Augen. Nicht nur Renaissance-Fassaden, sondern auch Sichtbeton. Nicht nur Schrebergarten, sondern auch zweiundzwanzig (falsch: 33, der Autor) Stock. Nicht nur Kleinstadtenge, sondern Internationalität. Ein neues Lebensgefühl. Und das heißt damals wie heute mehr Urbanität für die zwischen Wertach und Lech oft so eingeklemmte Stadt“. (Aus Neue Szene Augsburg, 4/2001). 
Dieser Bedeutungsglorifizierung für die Allgemeinheit kann man folgen, muss man aber nicht. Denn Konsequenzen hat eine Denkmalschutzeigenschaft für die Öffentlichkeit nicht.


Enteignungsgleicher Vorgang ?



Dagegen sind Besitzer, Betreiber und Eigentümer des Turms vom Denkmalschutz nun unmittelbar betroffen. Er hat vielfältige Auswirkungen. Grundsätzlich ist eine Unterschutzstellung eine Misstrauenserklärung gegenüber dem Eigentümer durch das “Öffentliche Interesse“, was immer man darunter versteht und wer es auch immer festlegt. Kernthese ist, daß die Gefahr besteht, der Grundstücks/Gebäudeeigentümer kommt seiner Verpflichtung nach Art. 14 Grundgesetz - Eigentum verpflichtet – nicht nach. Hätte das „Öffentliche Interesse“ kein Misstrauen, wäre eine Unterschutzstellung nicht nötig, denn die Erwartung auf „Gesetzestreue“ reichte aus.

Weil dem nicht so ist, wird die Denkmalschutzeigenschaft nach Interessenlage (jeder, sofern er eine „Berechtigung“ nachweist, kann einen Antrag stellen) festgelegt. Die führt unter Umständen zur Unverkäuflichkeit einer Immobilie. Bestes Beispiel ist der Offiziersclub in der ehemaligen Sheridan Kaserne. Seit mehr als 15 Jahren versucht die Stadt das Gebäude zu veräußern, bis heute vergeblich. Dem Vernehmen nach beurteilen potentielle Investoren die Einschränkungen durch den Denkmalschutz als zu risikoreich, auch unter Berücksichtigung der sogenannten steuerlichen Vergünstigungen oder etwaiger Fördermittel.

Hotelturm: Je nach Betrachter, Maiskolben oder Flaschenreinigerbürste.


Function follows Form- Umkehr der Effizienz



Abriss und Neubau gehen auch nicht, der Hotelturm steht somit ewig ungeachtet seiner Bausubstanz. Die Eigentümer sind verpflichtet alles zu unterlassen, was die Existenz des Turms gefährdet. Es bleibt nur die denkmalgerechte Nutzung, hier Gebäudesicherung anstatt Modernisierung. Bei den Appartments des Hotelturms bedeutet dies, daß zur Bewahrung der Denkmalform keine auch noch so kleine Änderungen „außen“ gegebenenfalls auch „Innen“ ohne Genehmigung der Unteren Denkmalschutzbehörde vorgenommen werden dürfen. Verrostete Balkongeländer dürfen nur artgleich ersetzt werden, selbst wenn der Wind durchpfeift und man nicht draußen sitzen kann. Das eherne Prinzip des berühmten Architekten F.L. Wright „form follows function“ gilt beim Denkmalschutz nicht. Richtig skurril wird der Denkmalschutz, weil diese Objekte von der Energetischen Erneuerungspflicht (GebäudeEnergiegesetz) ausgenommen sind. Co2-Einsparung und Heizungskostenreduzierung muss man nicht machen, wenn aber, dann zu den Vorgaben des Denkmalschutzes. Nicht genug, sollte das Problem Parkhaus wirklich vor dem jüngsten Tag gelöst werden, so muss ein dortiger Neubau auf die nachbarschaftlichen Befindlichkeiten des Denkmalschutzes - Hotelturm - Rücksicht nehmen.

Maliziös betrachtet ist Denkmalschutz schon so etwas wie gesetzgeberischer Sozialismus durch die Verwaltung. Nutzt den unbekannten „Vielen“, schadet den bekannten „Einzelnen“, sofern das Objekt nicht als Liebhaberei betrieben wird.


Michael Ehrmanntraut


Bilder: Autor, Regio Augsburg


Quellen: Stefan Paulus, das ist Chikago in Augsburg,

in Augsburg und Amerika, Wißner Verlag 2013

Stadtarchiv Augsburg











Kommentare