Fragt man den notorischen Augsburger wo er sich in seiner Freizeit am liebsten „rumtreibt“ dann sagt er spätestens beim dritten Ort „am Hochablass `halt“.
Nicht weil der „Hohe Ablaß“ zum Weltkulturerbe Wasser gehört, sondern weil er eine einzigartige Komposition aus Naturraum und erlebbarer Technik ist. Zu jeder Jahreszeit bietet Lech, Auenlandschaft, Siebentischwald oder die Stauwehre faszinierende Ansichten und Einblicke. Nicht zuletzt deshalb gibt es eine Vielzahl von Büchern zu Einzelthemen des Hochablass.
Erstes Gesamtwerk zur Bedeutung des Großen Lechwehrs
Neu ist ein hoch technisches aber auch verständliches Buch von Frau Notburga Burkhardt. Mit akribischen Recherchen unterlegt veröffentlichte die ehemalige Mathematik und Physiklehrerin ein spannendes Werk zu Augsburgs Lebensader. Vor allem bebilderte sie die Entstehungsgeschichte des „Augspurgischen Hochablass-Churbayerische Flossfahrt“ mit noch nie veröffentlichten Fotografien und Grafiken. Frau Burkhardt beginnt historisch ohne sich in der schwierigen Gemengelage von Freier Reichsstadt und Wittelsbacher Eitelkeiten zu verlieren. Sie überlässt es anderen zum Beispiel über die nackten Hintern der Friedberger Uferböscher zu schreiben die damit die Seidenschuh bekleideten Ratsherren der Reichsstadt provozieren wollten. Auch verliert sie kein Wort über die verlorene Protestdepesche an den Herzog die mittels Wurf von der Augsburger Lechseite aus ans östliche Ufer geschleudert werden sollte, mangels Fertigkeiten jedoch im Fluss davon trieb.
Streng nach Fakten, Quellen sicher begründet Frau Burkhardt daß der Ursprung des Augsburger Wohlstandes im Hochablass lag.
Zähmen und Kontrollieren sonst droht Gersthofen!
Der Hochablass so belegt die Autorin hatte eine doppelte Bestimmung. Wasserstraße für die Floss-Ökonomie und Brauchwasser - Zuflussregulierer. Der Ablass zähmt auch heute noch den Fluss. Die technischen Meisterleistungen der Wasserbauer und Ingenieure sind eindrucksvoll beschrieben und bebildert. Frau Burkhardt vertritt zu Recht die Meinung daß ohne den Hochablass „als Zähmer und Bremser“ die wirtschaftliche Bedeutung Augsburgs auf dem Niveau Gersthofens geblieben wäre denn dann fließe der Lech nur an Augsburg vorbei. Die austarierte Wassermenge in den Stadtkanälen trieb ab dem 14. Jahrhundert über die Verteilbäche alle Mühlen und Kraftwerke an. Selbst „Tschäkob the Fugger“ hätte nur Handwebstühle betreiben können.
Flöße deren größte Länge 100 bayer. Fuß (ca.30m) waren die Transportträger für Salt, Holz oder auch Rohstoffe löschten Waren und sömmerten (zerlegte und getrocknetes Holz) Flösse nach dem Abzweig oder am Hochablass..
Fallhöhe bestimmt Begriff
Schon bevor der heutige Ablass im Jahr 1912 nach der großen Juni Überschwemmung 1910 gebaut wurde gab es ein Streichwehr (das Wasser streicht über die Geländestufen), um zum einen den Wasserzufluss am Stadtbacheinlauf zu gewährleisten und zum anderen das Geschiebe (Kiesmenge) zu regulieren. Frau Burkhardt liefert dazu sehr gut erklärende Bilder und historische Zeichnungen. Weil der Lech innerhalb Augsburgs rd. 3,25 ‰ Gefälle hat (Vergleich: Donau bei der Lechmündung 0,34‰), musste über alle Jahrhunderte der Fluss nicht nur gebändigt sondern auch gesteuert werden. Die Autorin beschreibt diesen oft lebensgefährlichen Kampf mit Kieslasten und Überschwemmungen sehr eindringlich und umfangreich.
Haus des Schleusenwärters, dahinter Gasthaus am Hochablass. |
Cataracta Major
Qualitativer und mengenmäßiger Schwerpunkt des 300seitigen, manchmal auch sehr technischen Werkes, ist der „Neue Ablass“ von 1912. Auch Nicht-Ingenieure werden sich an den künstlerisch gezeichneten Grafiken und Plänen des Wehres mit Schleusenwärterhaus erfreuen. Frau Burkhardt sammelte die Entwürfe und Ausführungspläne für das Wehr mit nunmehr fast sieben Meter Fallhöhe. Besonders beeindruckend sind die Bilder von Bau und Einweihung. Warum kein Foto von einem Floß in der Flossgasse, etwa mit dem Prinzregenten zu sehen ist begründet die Autorin: „ Die Strömung in der Flossgasse war so schnell, früher aufgrund des hohen Eingangsgefälles als „Cataracta Major“ bezeichnet, daß die Verschlusszeiten der damaligen Fotografie nicht ausreichten die Durchfahrt Personen scharf zu belichten“. Und wer will denn schon einen verwischten Prinzregenten sehen?
Foto: lima423 |
Wichtiges Buch zu Geschichte und Augsburger Selbstverständnis
Dieses einmalige Werk wird sicher nicht die Bestsellerlisten stürmen, es zeigt aber ein Alleinstellungsmerkmal Augsburgs in der Technik- und Wirtschaftsgeschichte Deutschlands. Die Verfasserin setzte dem Lech-Niagara-Fall ein angemessenes bibliophiles Denkmal. Das entstand sicher nur deshalb weil der Wißner-Verlag aus Augsburg-Haunstetten sich des Themas annahm. Aus dem Klappentext ist nicht ersichtlich ob seitens der ansonsten emsigen historischen öffentlichen Einrichtungen dieses Buch finanziell gefördert wurde.
Hoffentlich tragen Verkaufserlöse des Buches die Herstellungskosten. Leider stellt das für die Stadt und Region nicht zu ersetzende Unternehmen der Eheleute Wißner seine Publikationen ein. Insofern fließt wirklich alles den Lech hinunter.
Michael Ehrmanntraut
Zur Autorin: Notburga Burkhardt war bis zu ihrer Pensionierung 2005 über dreißig Jahre lang Lehrerin für Mathematik und Physik am Justus-von-Liebig-Gymnasium in Neusäß. Danach entstand in mühevoller Recherchearbeit dieses Buch über die technische Entwicklung des Augsburger Hochablasses - einem historischen Stauwehr im Fluss Lech, das seit 2019 auf der UNESCO-Weltkulturerbe-Liste steht. Viel Zeit verbrachte sie deshalb in Augsburger Archiven (Stadtarchiv, MAN-Archiv u.a.). Dazu kamen zahlreiche persönliche Gespräche mit Mitarbeitern des Tiefbauamtes. Schriften der Naturforschenden Gesellschaft Augsburg sowie zahlreiche Leihgaben von ehemaligen Kollegen und Kolleginnen halfen, das Bild zu vervollständigen.
Der Hochablass – Technik und Weltkulturerbe / Notburga Burkhardt, 316 Seiten, Abbildungen: über 400 Abb., Diagr., Fotos u. Karten, Hardcover, Format 29,7 x 21,0 cm, Wissner-Verlag,
ISBN: 978-3-95786-333-1, € 49,90
Bilder: Wenn nicht anders gekennzeichnet, aus dem Buch
Michael Ehrmanntraut
Zur Autorin: Notburga Burkhardt war bis zu ihrer Pensionierung 2005 über dreißig Jahre lang Lehrerin für Mathematik und Physik am Justus-von-Liebig-Gymnasium in Neusäß. Danach entstand in mühevoller Recherchearbeit dieses Buch über die technische Entwicklung des Augsburger Hochablasses - einem historischen Stauwehr im Fluss Lech, das seit 2019 auf der UNESCO-Weltkulturerbe-Liste steht. Viel Zeit verbrachte sie deshalb in Augsburger Archiven (Stadtarchiv, MAN-Archiv u.a.). Dazu kamen zahlreiche persönliche Gespräche mit Mitarbeitern des Tiefbauamtes. Schriften der Naturforschenden Gesellschaft Augsburg sowie zahlreiche Leihgaben von ehemaligen Kollegen und Kolleginnen halfen, das Bild zu vervollständigen.
Der Hochablass – Technik und Weltkulturerbe / Notburga Burkhardt, 316 Seiten, Abbildungen: über 400 Abb., Diagr., Fotos u. Karten, Hardcover, Format 29,7 x 21,0 cm, Wissner-Verlag,
ISBN: 978-3-95786-333-1, € 49,90
Bilder: Wenn nicht anders gekennzeichnet, aus dem Buch
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