Kleiner Horror-Laden in der Stadthalle Gersthofen: "Gib's mir!"


Wer zuletzt lacht ...


Botanophobie. Schon mal gehört? Nein? Botanophobie meint die Angst vor Pflanzen und deren Sporen, Auswüchsen und Ablegern. Ob der eine oder andere Zuschauer, der sich zusammen mit uns am Samstagabend das Musical 'Der kleine Horrorladen' in der Stadthalle Gersthofen angesehen hat, zum potentiellen Kandidaten für jene Angststörung mutiert ist, bleibt ungewiss.

MONSTER

Ganz so gruselig, wie man meinen könnte, stellte sich die dargebotene Geschichte von Seymour (gespielt von Oliver Morschel), seines Zeichens Angestellter in einem Blumenladen, von dessen Kollegin Audrey (Dorothee Kahler), in welche Seymour heimlich verliebt ist, und von Audrey Zwo, der sprechenden, singenden und sich bald zum Monster entwickelnden Fleisch fressenden Pflanze, dann doch nicht dar.

Seymour im zahnärztlichen Würgegriff.




Obwohl: bereits in der 10-minütigen Einführung zum Stück erklärt Klaus Seiffert, Regisseur und Darsteller des Mr. Mushnik (Besitzer des Blumenladens), den Anwesenden, dass sich seine Inszenierung eher am Original-Horror-B-Movie 'Kleiner Laden voller Schrecken' von Roger Corman (1960) als an späteren Verfilmungen oder Umsetzungen orientiert. Sprich: man erwarte kein Happy-End.

BLECHMÜLLEIMER

Das Ausgangsbild zeigt spartanisch die Fassade von 'Mr. Mushnik's Flower Shop' vor dem zwei Blechmülleimer platziert wurden. Im Publikum tummeln sich mindestens vier Kinder und höchstens zehn Jugendliche, wobei sich die Altersstruktur jenseits der 50 einpendelt. Die Halle ist rechtzeitig zum Beginn bestens gefüllt.

Audrey träumt vom Heim im Grünen.

PENNER

Den Eröffnungssong markiert der Titeltrack 'Kleiner Horrorladen', bei dem die drei Tänzerinnen/Chor-Sängerinnen Crystal (gespielt von Aswintha Vermeulen), Ronnette (Meimouna Coffi) und Chiffon (Giselle Ramsey) ein erstes Mal zeigen, wie gut ihr dreistimmiger Gesang harmoniert. Die Bühne dreht sich und zeigt nun das Innere des Blumenladens, wo Seymour, der ein wenig den Nerds aus 'Big Bang Theory' ähnelt, Audrey, die vom Aussehen und der Stimme her ziemlich die Original-Figur widerspiegelt, und Mr. Mushnik aufgrund ausbleibender Kunden nix zu tun haben. Intoniert wird derweil einer der Hits des Musicals 'Downtown (Skid Row)', bei welchem die eben genannten gesangliche Unterstützung von zwei verwahrlosten Pennern bekommen, gespielt von Mario Mariano, der sonst im Stück die Stimme der Pflanze Audrey Zwo übernimmt, und Lukas Schneider, verantwortlich für die Bewegungen bzw. das Figurenspiel von Audrey Zwo. Schon hier mischen sich tragische Untertöne in das Dargebotene, wünscht sich doch Audrey nichts lieber, als aus Skid Row (vormals armes Stadtviertel in Los Angeles) auszubrechen (anschließend thematisiert im toll gesungenen Lied 'Im Grünen irgendwo').

BLUT

Seymour scheint nun einen absurden und, wie sich herausstellen sollte, gemeingefährlichen Plan ausgeheckt zu haben, um mit Audrey zusammen der Armut und Tristesse zu entkommen: Er macht Mr. Mushnik den Vorschlag, Audrey Zwo, die er zuvor in einem ominösen chinesischen Laden gekauft hatte, ins Schaufenster zu stellen. Ihr 'außerirdisches' Aussehen und ihre Fähigkeit, immens schnell zu wachsen, lockt dann auch immer mehr Kunden in den Laden, wodurch Seymours Plan aufzugehen scheint. Was die anderen jedoch nicht wissen: er muss der Pflanze stetig wenige Tropfen Blut füttern, damit sie wächst und gedeiht.

GEWALT

Audrey hat derweil ganz andere Probleme, ist sie doch mit dem sadistischen Zahnarzt Orin Scrivello (herausragend gespielt von Sven Olaf Denkinger, der daneben auch die Rollen von J. Luce, Pressevertreterin, des Skip Smith, Künstleragent, und des Mr. Martin von der 'Plant Corporation' einnimmt) liiert. Jener misshandelt sie, sodass sie mal mit einem Veilchen, mal mit einem lädierten Arm zur Arbeit erscheint. Das Thema der häuslichen Gewalt wird im Stück zwar nur gestreift, bleibt jedoch als integraler Teil der Geschichte in Erinnerung.

Mushnik und Sohn.

HÖHEPUNKT

Der Laden wird alsbald renoviert und Audrey Zwo ein zweites Mal enthüllt, nun deutlich gewachsen, bevor einer der Song-Höhepunkte folgt: der flotte Rock n' Roller 'Zahnarzt', klasse intoniert darstellerisch umgesetzt von Denkinger, der es in Nullkommanichts schafft, das Publikum von seinem verachtenswerten Charakter zu überzeugen.

ÜBERDOSIS

Während Rundfunk und Fernsehen nun über die wundersame Pflanze berichten und nachdem Mr. Mushnik Seymour adoptiert hat ('Mushnik & Sohn'), wachsen mit Audrey Zwo auch Seymours Probleme, denn die Pflanze macht ihm unmissverständlich klar, dass sie mehr Blut und Menschenfleisch benötigt ('Gib's mir' richtig cool gesungen von Mariano, dessen US-Akzent der Pflanze gut zu Gesicht steht). Der Zahnarzt bietet sich als Opfer an und so besucht Seymour ihn in seiner Praxis, will ihn erschießen, doch stirbt der Quacksalber vorher an einer Überdosis Lachgas, er lacht sich quasi tot, was es für Seymour einfacher macht, ihn anschließend zu verfüttern.

Auf zur Weltherrschaft ...

KARDINALSFEHLER

Nach der Pause nimmt das Schicksal unerbittlich seinen Lauf. Audrey Zwo ist nun 'fast zwei Meter groß', der Laden boomt und die Angestellten rotieren ob der Aufträge und Anfragen. Alles scheint perfekt, als sich Audrey und Seymour zum Song 'Jetzt hast du Seymour' zum ersten Mal küssen. Doch ahnt Mr. Mushnik, dass das Verschwinden des Zahnarztes mit Audrey Zwos rapidem Wachstum zu tun hat. Kurzum beschließt Seymour, dass, um sein Glück nicht zu gefährden, Mushnik weg muss ('Essenszeit'). Er bringt ihn mit vermeintlich in Audrey Zwos Rachen verstecktem Geld dazu, in die Pflanze zu kriechen. Ein Kardinalsfehler! Und schwuppdiwupp wird auch Mushnik verschluckt.

Mr. Mushniks Flower-Shop.

WAFFEN

Immer mehr Gewissensbisse plagen den eigentlich 'Kleinen Angestellten', er belügt Audrey wegen Mushnik und dem Zahnarzt und die Pflanze entwickelt einen immer unstillbareren Hunger. Trotzdem unterschreibt er einen Vertrag, der ihn zum Verkauf von Ablegern der Pflanze verpflichtet, beschließt aber gleichzeitig Audrey Zwo umzubringen. Audrey gesteht danach Seymour ihre unerschütterliche Liebe (auch ohne Pflanzenerfolg), kommt jedoch in jenem Augenblick in den Laden zurück, als Seymour gerade die Waffen holen will, um die Pflanze vom Erdboden zu tilgen. Nach einem tollen Duett von Audrey und Audrey Zwo ('Essenszeit Reprise/Audreys Tod') wird Audrey geschnappt. Seymour kann sie zwar noch aus den Fängen der monströsen Fliegenfalle retten, doch stirbt sie kurz danach entkräftet in seinen Armen und wird nach ihrem letzten Willen, mit der Pflanze eins zu werden, ebenfalls verfüttert.

HERRSCHAFT

Es stellt sich heraus, dass das Ziel der Pflanze von Anfang an die Herrschaft über die Welt war, was ihr mit der Verbreitung ihrer Ableger gelingen soll. Seymour versucht noch vergeblich sie mit Gewehr, Machete und Rattengift zu töten, doch Audrey Zwo entpuppt sich als zu stark und mittlerweile unverwundbar. Es kommt, wie es kommen musste, und auch Seymour wird zum Ende gefressen. Wie anfangs versprochen, gibt es also alles andere als ein Happy End.

Kleiner Horror-Laden - Reprise.


APPLAUS

Zum Finale der kurzweiligen Veranstaltung dürfen alle beteiligten Schauspieler nochmal innerhalb eines Medleys Highlights des Stücks singen und sich ihren wohl verdienten Applaus abholen. So neigt sich ein toller Abend in feiner Atmosphäre dem Ende zu, nach welchem sich die Anwesenden gut unterhalten auf den Weg nach Hause machen dürfen. Kompliment an die Schauspieler, die Band und den Regisseur. Hat uns gefreut, dieses Stück nach langer, langer Zeit mal wieder live auf Brettern gesehen zu haben.


Bericht und Fotos von Dennis "Doc" Fuchs

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