Der Matrose und Augsburgs Localbahn: Optischer und akustischer Genuss!

Elmar Kretz: Augsburger Eisenbahnhistoriker und Seefahrer


Franz Fischer, Datschiburgs schillernder Kino-Impressario, lud am vergangenen Sonntag zu einer interessanten Matinee in seine Thalia Kinos. Zu Gast war Elmar Kretz, bekannter Dokumentarfilmer in Sachen umweltbewusster Regionalverkehr. 

 Schiene ist ökologischer als Straße 


 In seiner Reihe Augsburg und dessen Bahnen (Stauden-, Welden- und Straßenbahn) zeigte Kretz sehenswertes Film-Kaleidoskop über die Schienenwege der inzwischen 135-jährigen Augsburger Localbahn (AL). Elmar Kretz erwies sich als profunder Kenner der Industrie- und Verkehrsgeschichte Augsburgs. 

 Schiff und Eisenbahn-Wasser und Dampf 


Dabei ist Elmar Kretz kein gebürtiger Augsburg, aber er lebt seit Mitte der 1970er Jahre in der Brecht-Stadt, sofern man die Siebentischwald-Enklave Siebenbrunn zur Stadt zählt. Geboren, so der 75-Jährige," ist er anderswo. Deshalb begann sein berufliches Leben zwar mit den Eisenbahn identischen Elementen Wasser und Dampf, aber mit einem anderen Medium, der Christlichen Seefahrt. So bezeichnet man im Gegensatz zur (militärischen) Marine die Handeisschifffahrt. Elmar Kretz erwarb das Matrosenpatent (Vergleichbar mit dem Gesellenbrief) und befuhr alle Weltmeere. Mit Ausnahme von Australien ankerten seine Stückgutfrachter an allen Kontinenten. Seemannsgarn sind nicht seine Sache, aber Geschichten von 20 Meter hohen Kavenzmännern (Monsterwellen!) weiß er zu berichten.  Von den 2000 geladenen VW Käfern waren danach 400 weitgehend verbeult und übereinander geschichtet. Auch der Blinde Passagier war hoch erstaunt, als er in Erwartung einer kurzen Mittelmeerüberfahrt sich hungernd in den tobenden Gestaden des Golf von Biscaya bei den Matrosen des Hapag Lloyd Frachters zeigte. 

Alles nur Erinnerung?

 
Statt Kapitänspatent - Stellwerkschef 


Kretz wollte das Kapitänspatent erwerben. Aber ebenso wie der Strukturwandel die AL mit dem Niedergang der Textilindustrie traf, veränderte sich der Frachtverkehr zur See. Mit den riesigen Containerschiffen verschwand der Stückguttransport auf den kleineren Frachtschiffe. Weniger Schiffsoffiziere wurden benötigt. So kam Elmar Kretz zur Deutschen Bahn in vielerlei Funktionen. Zuletzt leitete er das Hauptstellwerk im Augsburger Hauptbahnhof. 

Das Transportmittel als Wohlstandsmerkmal änderte sich für Kretz, nicht aber die gemeinsame Botschaft die in Schiffen und Bahn stecken.

Die aldn Schdrossabahna werdn ausrangiert.

Ökologie und Ökonomie

Das zeigt der Film von Kretz über den Schienenweg der AL zu den Augsburger Industriebetrieben deutlich:

- Schienentransport ist wirtschaftlicher als Lastkraftwagenverkehr, da der Aufwand je Tonne und Kilometer geringer ist.

- Der ökologische Fußabdruck der Bahn ist nachhaltiger als der der Straße. weil der Schadstoffausstoß je Transporteinheit und Last geringer ist. Nicht zu vergessen: Die Bahnstrecken verbrauchen weniger Landschaft.

Natürlich bereitet Bahnfahren auch mehr Freude. Elmar Kretz, Kameramann, Regisseur und Produzent in einer Person führt in seinem Film nicht durch Augsburgs industrielles Herz, sondern öffnete dem "Mitreisenden" auch die grünen Hinterhöfe in der sogenannten Ringbahn rund um die Innenstadt. Der 90-minütige Film ist bewegte Stadtgeschichte. Mit der Zugfahrt (die Kamera war nicht im Führerstand sondern auf der vorderen Kupplung montiert) öffneten sich die Tore von Unternehmen, die ansonsten verschlossen sind. Ein optischer und akustischer Genuss sind die Aufnahmen von drei (!) Diesellokomotiven an einem Güterzug. Die AL fuhr für die finnische Firma UPM Kymene (ehemals Haindl Papier) von Schongau Rohstoffe zur Papierproduktion nach Augsburg. Am Ortsausgang von Schongau beginnt eine fette Steigung welche die AL-Loks mit insgesamt 4000 PS im lautem Getöse und wildem Knurren überwanden.


Brücke über den Stadtbach zum "Haindl".

Vergangenheit und Zukunft

Elmar Kretz' Film ist aus dem Jahr 2018. Schon in diesem Jahr war die in ihren besten Zeiten ca. 1,0 Mio Tonnen Güter befördernde AL (ersetzt ca. 50.000 LKW-Fahrten) nicht auf Rosen gebettet. Zwischenzeitlich sind viele damals noch angeschlossene Betriebe auf den Straßentransport übergegangen. Begründung: Ist halt billiger. Klar, die AL muss für ihr Netzwerk selbst aufkommen, die Straßen bezahlen weitgehend die Allgemeinheit. Man argumentiere auch nicht mit der LKW-Maut, deren Aufkommen deckt nicht mal den Bauunterhalt für Straßenschäden durch die LKWs. Die AL kämpft aus den bereits genannten Gründen mit der Wettbewerbsfähigkeit. So ist der Film zwar kein Abgesang auf ein zukunftsfähiges Transportmittel, aber es ist wie mit der Stadt Augsburg: Große Vergangenheit-unsichere Zukunft.

Die DVD über den Film ist leider vergriffen, bleibt zu hoffen, dass Elmar Kretz für dieses spannende Augsburg-Thema nochmals Gastgeber findet. Es ist zu wichtig als dass man es als Nostalgie abtut, damit das Bessere bleibt.


Text und Fotos: Edgar Mathe


Als man mit Dampf noch durch das Textilviertel fuhr.


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