Umstrittene Vereinigung der Augsburger und Münchner Bahnen und Busse: Augsburg als Parkplatz von München?

Liebt Augsburg die Vereinigung mit München?

Augsburg, 10. Juli 2025 / Die Gerüchte verdichten sich: Eine Vereinigung der Verkehrsverbünde von Augsburg (AVV) und München (MVV) steht im Raum. Was auf den ersten Blick wie ein Fortschritt für die Pendler der Region klingt, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als schleichende Enteignung der Brecht-Stadt zugunsten der notorisch überforderten bayerischen Landeshauptstadt.

Man muss schon eine gehörige Portion bayerischen Optimismus mitbringen, um in dieser angedachten Fusion mehr als eine einseitige Übernahme zu sehen. Die offizielle Lesart? „Synergien nutzen“, „Vernetzung stärken“, „Attraktivität des öffentlichen Nahverkehrs steigern“. Phrasen, so hohl wie die Versprechungen, dass der neue Münchner Bahnhof oder der Augsburger Theaterumbau pünktlich fertig wird. In Wahrheit geht es darum, Münchens chronisches Verkehrsinfarkt-Problem auf die umliegenden Städte abzuwälzen. Und Augsburg, mit seiner vergleichsweise intakten Infrastruktur und seinem noch bezahlbaren Wohnraum, scheint da der ideale Sündenbock, oder besser gesagt: der ideale Parkplatz.

Landrat Sailer will die Vereinigung und treibt OB Weber vor sich her.

OB Weber: Der Verkehr ist wohl nicht ihr Lieblingsthema.
(Bild: b4bschwaben.de)


Der Augsburger als Anhängsel des Münchner Pendlermobils
Stellen Sie sich vor: Die U-Bahn fährt bis zum Augsburger Rathausplatz. Klingt verlockend, oder? Für den Münchner. Der Augsburger hingegen wird sich fragen, wann er das letzte Mal ohne Gedränge in seiner eigenen Tramlinie 2 saß. Der charmante, überschaubare Augsburger Nahverkehr, der noch so etwas wie eine persönliche Note besitzt, wird zum seelenlosen Zubringerdienst für die Heerscharen der Isar-Metropole degradiert. Wir werden zum Anhängsel am Münchner Pendlermobil, ein Fußabtreter für all jene, die sich das Leben in der teuersten deutschen Großstadt nicht mehr leisten können oder wollen, aber natürlich jeden Morgen pünktlich im Büro der bayerischen Staatsregierung sitzen müssen.

Die Konsequenzen sind absehbar und für jeden, der nicht im Dunstkreis des Münchner Marketingapparats lebt, erschreckend klar:

  • Der Preis schlägt zu Buche, natürlich bei uns: Während man uns mit der vagen Hoffnung auf günstigere Tickets ködert, wird die Realität wohl eher eine Angleichung nach oben bedeuten. Die Münchner Preise, notorisch hoch und wenig transparent, werden sich über das beschauliche Augsburg legen wie ein Mehltau. Plötzlich kostet die Fahrt zum Badesee mehr als der Eintritt ins Freibad. Und die vielgepriesenen „Tarifzonen“ werden so komplex wie die bayerische Bürokratie selbst.

  • Volle Bahnen, leere Versprechungen: Was nützt die vermeintliche Anbindung an München, wenn die Züge und Bahnen bereits in Geltendorf aus allen Nähten platzen? Der Augsburger, der bisher noch einen Sitzplatz ergattern konnte, wird sich in Zukunft mit der täglichen Sardinenbüchsen-Erfahrung der Münchner begnügen müssen. Die Kapazitäten werden nicht von heute auf morgen wachsen, aber die Fahrgastzahlen mit Sicherheit.

  • Der Fokus verschiebt sich: Bisher war der AVV (und davor die Stadtwerke Augsburg) bemüht, die Mobilitätsbedürfnisse der Augsburger möglichst optimal zu erfüllen. Mit der Vereinigung wird der Fokus unweigerlich auf die Achse München-Augsburg verlagert. Was ist mit den Querverbindungen innerhalb Augsburgs? Mit den Buslinien in den Stadtteilen, die nicht direkt am Hauptbahnhof liegen? Sie könnten zu den ersten Opfern im Rationalisierungswahn eines übermächtigen Münchner Verbundes werden. "Augsburg-Land" wird zur verkehrstechnischen Niemandsland, während die Pendlerströme nach München priorisiert werden.

  • Verlust der lokalen Kontrolle: Der Augsburger hat bisher immerhin noch das Gefühl gehabt, dass seine Stadt Einfluss auf den lokalen Nahverkehr hat. Nach der Fusion? Entscheidungen werden in der Münchner Zentrale getroffen, von Leuten, die Augsburg höchstens von der Durchreise auf der A8 kennen. Lokale Besonderheiten, flexible Anpassungen an Augsburger Bedürfnisse – das alles wird im Moloch des Großverbundes untergehen. Das Diktat der Metropole wird sich auch auf unseren ÖPNV erstrecken.

  • Die Stadt als Schlafsaal mit Gleisanschluss: Letztlich ist es eine weitere Etappe auf dem Weg zur kompletten Provinzialisierung Augsburgs. Wir werden zum erweiterten Einzugsgebiet, zur Überlaufregion für Münchens ungelöste Probleme. Die Idee einer eigenständigen, starken Stadtregion Augsburg wird konterkariert. Stattdessen werden wir zum Schlafsaal mit Gleisanschluss, während die Wertschöpfung und die Entscheidungszentren weiterhin in der Ferne liegen.

Wer profitiert wirklich von der Vereinigung?

Es ist eine Rechnung, die nicht aufgehen kann. Der Augsburger mag sich anfangs über ein vermeintlich besseres Ticketangebot freuen, doch der Preis, den er dafür zahlen wird, ist ein Verlust an Lebensqualität, an Eigenständigkeit und an jener Identität, die Augsburg bisher so besonders gemacht hat.

Man kann nur hoffen, dass die Verantwortlichen in Augsburg noch einen Funken kritischen Geistes besitzen und diesen Ausverkauf der eigenen Infrastruktur nicht widerstandslos hinnehmen. Ansonsten bleibt uns nur, uns an die neuen Verhältnisse zu gewöhnen und die tägliche Fahrt im überfüllten Zug als eine Art unfreiwillige Meditation über die Tücken der bayerischen Dominanz zu begreifen. 

Bis jetzt hat sich Augsburgs Oberbürgermeisterin Eva Weber von Landrat Martin Sailer und seinen Vereinigungswünschen brav antreiben lassen. Doch immer stärker kommt auch Kritik ins Spiel. Nicht nur vom Gründer des AVV, Herbert König, der auch schon als Chef des MVV arbeitete, sondern auch von Augsburger Stadträten wie Roland Wegner. 

Das stärkste Argument gegen diese Vereinigung ist ganz einfach: das Deutschland-Ticket!
Damit sind alle Probleme mit diversen Preisen und Zonen hinfällig.



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Stadtrat Roland Wegner von der V-Partei:
Kostenloser ÖPNV für alle – statt teurer AVV/MVV-Fusion
Stadtrat Wegner sieht keine Vorteile bei der Vereinigung und fordert neue Denkweise beim Nahverkehr.   .



Die geplante Zusammenlegung des Augsburger Verkehrsverbunds (AVV) mit dem Münchner MVV stößt bei der V-Partei³ auf Kritik. Der Augsburger Stadtrat Roland Wegner warnt vor hohen Verwaltungskosten und einem geringen Nutzen – und fordert stattdessen eine zukunftsweisende Lösung: kostenlosen öffentlichen Nahverkehr für alle.

„Was für Schulkinder bereits möglich ist, muss auch für alle anderen möglich gemacht werden: ein kostenfreier Zugang zum öffentlichen Nahverkehr – unabhängig vom Einkommen und nicht nur auf die marginale City-Zone Augsburgs beschränkt“, so Wegner. „Statt kostspieliger Verwaltungsfusionen braucht es echte Bewegung: sozial gerecht, ökologisch sinnvoll und für die Menschen kostenlos. Augsburg – Stadt und Landkreis – und natürlich auch München mit Umland könnten hier mutig vorangehen.“

Die V-Partei³ kritisiert, dass eine AVV/MVV-Fusion erhebliche finanzielle und personelle Ressourcen binden würde, ohne die grundlegenden Probleme im öffentlichen Nahverkehr zu lösen. Viele Pendler*innen nutzen bereits das Deutschlandticket. Ene neue Tarifstruktur würde für alle anderen keine zusätzlichen Vorteile bringen. Im Gegenteil: Tarifangleichungen werden insbesondere im ländlichen Raum zu höheren Preisen führen.

„Was wir brauchen, ist keine Fusion zwischen Augsburg und München, sondern ein echter Systemwandel“, betont Wegner. „Mutige Reformen – wie ein kostenloser Nahverkehr – sind ein realistischer und dringend nötiger Schritt für eine sozialere und klimafreundlichere Mobilität.“

Als Vorbild für die Machbarkeit nennt er internationale Beispiele: Luxemburg hat 2020 den ÖPNV für alle kostenlos gemacht – unabhängig vom Wohnort. Und in Estlands Hauptstadt Tallinn fahren dort gemeldete Einwohner*innen bereits seit 2013 kostenlos.

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Augsburgs Grüne:
"Volle Kontrolle über das eigene Nahverkehrsangebot behalten"

Die Augsburger Stadtratsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN begrüßt die Debatten und Überlegungen zum Beitritt der Region Augsburg und des AVVs in den Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV), die im heutigen Wirtschaftsausschuss präsentiert worden sind.

Augsburgs Grüne sind halbherzig für die Vereinigung.



Peter Rauscher, Vorsitzender der Grünen Stadtratsfraktion: “Im Grundsatz unterstützen wir den MVV-Beitritt – weil er Mobilität in Augsburg und ganz Südbayern einfacher, gerechter und besser vernetzt macht. Einheitliche Tarife bringen besonders Gelegenheitsnutzer*innen, Schüler´*innen sowie Familien mehr Übersicht und weniger Hürden. Dass Augsburger Jugendliche mit ihrem 365-Euro-Ticket künftig auch klimafreundlich nach München oder gar bis nach Garmisch-Partenkirchen fahren können – und umgekehrt – ist ein echter Fortschritt. Klar ist aber auch: Die Stadt Augsburg muss die volle Kontrolle über das eigene Nahverkehrsangebot behalten. Und: Der Beitritt allein reicht nicht. Wer die Verkehrswende will, muss jetzt massiv in Bus, Bahn und Infrastruktur investieren – Bund und Freistaat sind hier in der Pflicht.”

Matthias Lorentzen, Sprecher für ÖPNV der Grünen Stadtratsfraktion: Die Zusammenarbeit von AVV und MVV kann ein wichtiger Schritt für eine bessere, vernetzte Mobilität in Südbayern sein. Zu den wesentlichen Verbesserungen zählen unter anderem der erweiterte Geltungsbereich und das einheitliche und einfache Tarifsystem in einem großen, erweiterten Verbundgebiet, von dem die über 700.000 Menschen profitieren werden, die im AVV-Verbundgebiet leben. Auch die Gültigkeit des 365-Euro-Tickets für Schüler*innen in ganz Südbayern, günstige Tageskarten für Kinder sowie die Rückkehr des Senioren-Tickets zählen zu den Vorteilen. Das Reisen zwischen den beiden Ballungsräumen Augsburg und München wird somit einfacher, transparenter und in vielen Fällen auch günstiger. Unabhängig vom Deutschlandticket werden somit Reisen von Augsburg nach München und in die Tarifverbünde hinein mit nur einem Ticket möglich. Wir werden den weiteren Prozess nun kritisch begleiten. Sollten sich die bisher vorgelegten Planungen und Aussagen auch in Zukunft so darstellen, stehen wir einer Zusammenführung von AVV und MVV positiv gegenüber.”

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Die Augsburger CSU: "starkes Mobilitätsangebot"


AVV & MVV - Ein Verbund für die ganze Region

Die CSU-Stadtratsfraktion Augsburg sieht in einem möglichen Zusammenschluss von AVV und MVV eine richtungsweisende Entscheidung – und fordert daher eine sorgfältige Prüfung der Vor- und Nachteile. Für die Fraktion ist klar: Ein Schnellschuss kommt nicht in Frage.

Aus unserer Sicht kann ein Zusammenschluss nur unter klaren Voraussetzungen erfolgen: Der Freistaat Bayern muss sich finanziell beteiligen. Zudem darf es keine Mehrbelastung für die Stadt Augsburg oder die Stadtwerke geben. Entscheidend ist außerdem, dass die Bürgerinnen und Bürger spürbar von einem Zusammenschluss profitieren.

Unter diesen Bedingungen kann ein Zusammenschluss von AVV und MVV ein sinnvoller Schritt zu einem moderneren und leistungsfähigeren öffentlichen Nahverkehr in Südbayern sein.

Auch der Geisterfahrer braucht Ratschläge.

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