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| IHK-Gebäude in Augsburg: Überdimensionale Blumentröge als Fassadendekor? |
Die Handelskammer für Augsburg und Schwaben (IHK) will ihren Verwaltungssitz in der Stettenstraße instandsetzen und energetisch ertüchtigen. Deshalb soll das im sog. Brutalismus (Architekturstil mit Sprachdefinition Béton Brut) gebaute Gebäude, insbesondere die Fassade erneuert werden. Primärziel ist, den Energieverbrauch zu reduzieren und zweitens das Verwaltungsgebäude räumlich zu reduzieren. So gewinnt man nicht nur ökologische Verbesserungen wie der IHK Pressesprecher Herr Schörg erläuterte, sondern auch im Gebäude mehr Flächen und kann deshalb andere angemietete Standorte räumen. Weniger ist mehr.
Energieeinsparung versus Fassadenschönheit
Hauptaugenmerk ist die Beseitigung der Betonschäden. Aufgrund des notwendigen intensiven Eingriffs muss die Fassade komplett „runter“, denn die gesetzlichen Anforderungen des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) sind nicht verhandelbar und erfordern ein neues energetisches Gesamtkonzept.
Der Fassadenabbruch erzürnt die Gralshüter der Architekturgeschichte und Stadtgestalt als schändlichen Umgang mit der Formensprache des baulichen Modernismus in den 1970er Jahren. Die fordern den Erhalt der Fassade, gegebenenfalls mit der enteigungsgleichen Unterschutzstellung des gesamten IHK Gebäudes als Baudenkmal. Sie werfen zwar unausgesprochen, doch erkennbar, der IHK vor sie hätte sich nicht intensiv mit der Erhaltungswürdigkeit der Fassade auseinander gesetzt. Interessant ist dies, weil ein Beschwerdeführer/in bei der Entscheidungsfindung eingebunden war.
Nicht mehr originales Bauwerk
Nun lässt sich trefflich streiten ob der „Betonbunker“ mit seinen fetten Brüstungen als Bauwerk oder Skulptur (wie von Architekturhistorikern interpretiert) im Laubwald der Stettenstraße steht, doch leichtfertig hat sich, so Herr Schörg, die IHK die Entscheidung gegen den Erhalt nicht gemacht. Wenig ist von der ursprünglichen Güte wie dem Schalungsmuster im Beton als prägendes Element übrig, da in den 1990er Jahren schon einmal saniert werden musste. Dies ist bei Betonfassaden üblich, da das in den Wohlstandsjahren der Bundesrepublik als Jahrhundertbaustoff von Architekten gerühmte Material sich als „Mission Impossible“ (Selbstzerstörung nach kurzer Zeit) erwies. Durch Wassereintrag auf die Stahlarmierungen zerbröselte der Baustoff schneller als ein zeitgenössischer Alfa Romeo.
Aufgrund der Anbauten und Erweiterungen des Gebäudes wurde zudem die Solitärwirkung von Fassade und Bauwerk verstümmelt. Unter Abwägung von Funktion und Form ist für jeden der das Architektur-Normativ von Louis Sullivan ernst nimmt, eindeutig, dass diese schauerliche Ornamentik der Moderne sich dem Nutzen der Energieeinsparung und dem Gebrauch als Verwaltungsgebäude unterzuordnen hat. Dazu suchte die IHK in einem sogenannten EU-weiten offenen Verfahren die beste Lösung.
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| Deutliche Betonschäden unterhalb der oberen Trittgitter. |
Manche Architekten denken andersherum
Ungeachtet dessen, dass die Abbruchkritiker auch die neue Fassade sinngemäß als banale Neugestaltung betrachten, kümmert sie wenig mit welchem wirtschaftlichen Risiko ein Bauherr an solch umfassende Modernisierung herangeht. Schon aus diesem Grund laufen Argumente ins Leere, die behaupten. Erhalt wäre günstiger als Neubau (die Fachoberschule lässt grüßen!). Architekt Titus Bernhard weist glaubwürdig nach, dass eine Instandsetzung der Fassade rund 4 Millionen Euro mehr kosten würde. Die als nachhaltige Ersparnis von Abbruchmaterial getarnte Forderung zum Erhalt ist widerlegt wenn man den wirtschaftlichen und technischen Aufwand für die baulichen Alternativen (Neubau oder weiterhin hoher Energieverbrauch) evaluiert.
Die IHK als Körperschaft des Öffentlichen Rechts hat sich nicht nur vor seinen Gremien zu rechtfertigen. sondern auch gegenüber seinen (Zwangs) Mitgliedern, die die Modernisierung über ihre Beiträge finanzieren müssen. Treibt man die wirtschaftliche Gedankenlosigkeit der Abbruchkritiker auf die Spitze. so finanzieren alle Bürger über die Handelspreise von Gütern und/oder Dienstleistungen der IHK-Mitglieder den Erhalt der Fassade und damit die energetische Ineffizienz.
Natürlich könnte man die Fassade unangetastet lassen und anstelle des heutigen Gebäudes auf der grünen Wiese einen Neubau errichten. Das Wirtschaftsreferat der Stadt Augsburg wäre sicher nicht erfreut. wenn ein weiteres Großbauwerk in der Innenstadt leer steht und einer neuen Nutzung harren würde.
| Beton grau - trotz Himmel blau. |
Schönheit kostet …
… aber nicht das Geld der Abbruchkritiker. Denen ist die negative (?) Stadtgestalt wichtiger als die Energieverbrauchseinsparungsziele von Stadt Augsburg, Bundesrepublik und Europäische Union. Ihr Verständnis sehen die Kritiker als alleinige Deutungshoheit für die brachiale Symbolik einer vergangenen Epoche.
Klar: Ein Fisch auf dem Fahrrad sieht gut aus. Er ist aber nutzlos.
Bleibt nur zu hoffen, dass die IHK sich nicht durch die Meinung der elitären Architektur-Multiplikatoren von ihrem Vorhaben abbringen lässt.
Text: Edgar Mathe
Quellenangaben:
Geplanter IHK Neubau sorgt für Ärger, Augsburger Allgemeine vom 18-9-2025, Seite 36
Gespräch mit Herrn Thomas Schörg, Pressesprecher der IHK Augsburg und Schwaben
Gespräch mit Herrn Architekt Titus Bernhard, BdA
Fotos:
IHK Augsburg und Schwaben


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