Bert Brecht: Drückeberger oder Revoluzzer? Riesenstreit der Brecht-Fans!

"Wer glaubt, Brecht sei 1919 in Augsburg, kurz nach dem Ersten Weltkrieg, der Revolution begegnet und habe sich ihr dann in den folgenden Jahren zunehmend angenähert, um ihr dann, bis zu seinem Tod in der DDR, die Treue zu halten, der geht fehl, und zwar gründlich",
behauptet der Brecht-Experte 
Jürgen Hillesheim und löst damit einen furiosen Brecht-Streit aus.


Plakat zur Brecht-Ausstellung.

In Augsburg wird um die Rolle des Lyrikers, Dramatikers und weltweit berühmter Theatermachers, Bert Brecht, vehement gestritten. Bert Brecht wurde am 10.02.1898 in Augsburg im Lechviertel geboren. Als die Revolution nach dem 1. Weltkrieg in Deutschland ausbrach, war Brecht gerade mit seinen ersten Werken beschäftigt. Er schrieb damals auch die "Legende vom toten Soldaten".

 Die Augsburger Brecht-Fans werfen nun dem Brecht-Beauftragten Jürgen Hillesheim vor, dass er den jungen Bert Brecht als feigen Drückeberger beim Umsturz nach dem ersten Weltkrieg hinstellt. Das missfällt vielen Mitgliedern im Augsburger Brecht-Kreis und anderen Brecht-Experten gewaltig. Sie sehen die Rolle ihres Idols ganz anders und viel kämpferischer für die Revolution und die Räte-Republik wie Hillesheim.

Michael Friedrichs beschäftigt sich auch als Herausgeber des "Dreigroschenhefts" stark
mit Bert Brecht.


Über den berühmten Augsburger Künstler Brecht und dessen Agieren in der Revolution nach dem 1. Weltkrieg sagt Hillesheim: "Brecht selbst verhielt sich in Augsburg um Ostern 1919, als es zu räterevolutionären Ausschreitungen kam, ähnlich wie im Ersten Weltkrieg, zu Zeiten des Augusterlebnisses: Wieder war etwas los in Augsburg, Teile der Bevölkerung auf den Beinen, wieder beobachtete Brecht distanziert, diskutierte mit den Räterevolutionären, machte sich wichtig, verschaffte sich über sie Publikationsmöglichkeiten, ließ sich aber nicht vereinnahmen."


Prospekt der Regio Augsburg, die auch Veranstalter der
Hillesheim-Buch-Präsentation ist.

Jakob Hayner wirft in der Januarausgabe der renommierten Zeitschrift, »Theater der Zeit«,  dem verbeamteten Brecht-Experten Hillesheim mit seinem Brecht-Artikel in der FAZ vor: »Das ist eine Mischung aus groben Fehlinterpretationen, in zahlreichen entscheidenden Auslassungen in Bezug auf Werk und Leben, pseudokritischen Bemerkungen und unbewiesenen Unterstellungen über Brecht.«

Zerstört Hillesheim das Denkmal Brecht, von dem er lebt?


Hillesheim-Widersacher bei der Diskussion um Brecht und Revolution:
Reinhold Forster von der Geschichtsagentur Augsburg.

Hillesheim behauptete in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über Brecht: "Er war immun gegenüber der Revolution, trotz aller Lippenbekenntnisse, bis zu seiner Zeit in der DDR." Damit brachte er viele Brecht-Freunde gegen sich auf. Und noch mehr mit der Drückeberger-These, die durch den Historiker Reinhold Forster in a3kultur so widerrufen wird: "Im Rückblick beschreibt sich Brecht selbst zu Beginn der Revolution als einen von vielen Soldaten, die selbstverständlich von dem Krieg genug hatten, aber nicht imstande waren, politisch zu denken. Er selbst habe es verstanden, durch Glück begünstigt, sich einem Fronteinsatz zu entziehen. Wenn Hillesheim aber davon spricht, Brecht habe sich vor einem Fronteinsatz gedrückt, so bedient Hillesheim – bewusst oder unwissentlich – das Narrativ rechtsnationalistischer Kreise, wonach vor allem die Feigheit und die Drückebergerei von Juden und linken, pauschal als Bolschewisten oder Spartakisten bezeichneten Intellektuellen schuld an der Niederlage Deutschlands gewesen seien."


Brecht auf einem Buch-Cover zum Thema Flüchtlinge in Augsburg: Gestaltet von Peter Lochmüller.
Herausgeber: Arno Löb.

Der Augsburger Historiker Reinhold Foster kritisiert die aktuelle Brecht-Ausstellung, bei der Hillesheim mitgewirkt hat, sehr heftig: "Geradezu peinlich sind die äußeren Rahmenbedingungen der Ausstellung in der Staats- und Stadtbibliothek: Möchte man die Ausstellung besuchen, muss man sich erst an der Buchausgabe anmelden, um dann persönlich zur Ausstellung begleitet und beaufsichtigt zu werden. Die Ausstellung selbst befindet sich in einem euphemistisch als »Cimeliensaal« bezeichneten, ungeheizten (!) Raum, der eher einer Abstellkammer gleicht."


Was meint wohl Dr. Helmut Gier, einstiger Hüter der Augsburger Brecht-Schätze
zu den umstrittenen Brecht-Thesen von Hillesheim?

Neues Buch über Brecht von Prof. Jürgen Hillesheim. Hillesheim ist  seit 1991
Leiter der Bertolt-Brecht-Forschungsstätte der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg


Bevor die Ausstellung über Bert Brechts Rolle in der Räte-Republik in der Staats- und Stadtbiblliothek am 26. April 2019 endet, begleitet der Augsburger Bert-Brecht-Kreis unter Vorsitz von Michael Friedrichs am Donnerstag, 25.4., 19 Uhr, im Augsburger Brechthaus, Auf dem Rain 7, eine Buchvorstellung und Diskussion zu Brecht.

Die Tourismus-Organisation, Regio-Augsburg, schreibt zur Hillesheim-Brecht-Buch-Präsentation: "Im Frühjahr 2019 jähren sich zum 100. Mal die Vorgänge um die Räterepublik, die Brecht in Augsburg zum Teil miterlebte. Er entwickelte aufgrund seiner Kriegserfahrungen ein spezifisches Revolutionsverständnis, das dazu führte, dass er dem Kommunismus gegenüber letztlich immun blieb. Die Räterevolution betrachtete er schlicht als Fortsetzung des Kriegs, als Fortsetzung des Leids, wenn auch nun unter anderer Flagge. Das brachte er nicht nur durch mehrere Gedichte der Hauspostille, sondern vor allem durch die Komödie Trommeln in der Nacht zum Ausdruck. Das Lehr stück Die Maßnahme kann wohl als kommunistisches Propagandastück gelesen werden, auf einer anderen Ebene jedoch auch als ein Werk, in dem der Autor die Kreuzigung des Individuums durch eine totalitäre Ideologie anklagt. Bis zuletzt lassen sich mehr oder minder verdeckte Vorbehalte der Revolution gegenüber nachweisen, bis hin zu den Buckower Elegien".

Zuerst wollte Jürgen Hillesheim bei seiner Buch-Vorstellung keine Diskussion über sein Brecht-Verständnis im Brechthaus zulassen. Allerdings wurde er dann von Augsburgs Kultur-Referent Thomas Weitzel dahingehend aufgefordert und verdonnert, dem wiederum die Brecht-Kreis-Leute dazu inständig geraten hatten.

Das wird eine Brecht-Diskussion, die sicherlich sehr kontrovers und hitzig verlaufen wird. Denn auch die Kontrahenten von Hillesheim diskutieren bei diesem bisher schon sehr heftig geführten Meinungsstreit mit: Dr. Helmut Gier (ehemaliger Leiter der Staats- und Stadtbibliothek, langjähriger Vorsitzender des Augsburger Brecht-Kreises) und der Geschichts-Agent Reinhold Forster.

"Wer die Wahrheit nicht weiß, der ist ein Dummkopf. Aber wer sie weiß und eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher." (Bert Brecht in Galileo)

Der Autor Hans-Christian Kirsch schreibt im Buch "In Baals Welt!" über die Kindheit
und Jugend des Bert Brecht in Augsburg auch Brechts Verhalten in den Wirren der Revolution nach dem 1. Weltkrieg. Kirsch sieht dabei Brecht auf der Seite der Revoluzzer.
Dieses Kirsch-Buch wurde auf Wunsch des CSU-Stadtrats, Erich Maiberger, aus dem Brechthaus verbannt.

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Die Ausstellung
„… vollens ganz zum Bolschewisten geworden …“?

Die Räterepublik 1919 in der Wahrnehmung Bertolt Brechts

dauert vom 01.03.2019 bis 26.04.2019

Öffnungszeiten
Montag–Freitag, 11:00–16:00 Uhr
im Unteren Cimeliensaal
der Augsburger Staats- und Stadtbibliothek

In Kooperation mit der Brecht-Forschungsstätte der Stadt Augsburg

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Staats- und Stadtbibliothek Augsburg
Schaezlerstr. 25
86152 Augsburg

Telefon: +49 821 71013-2739
Fax: +49 821 71013-2732

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