Der witzigste Frankenstein, den Sie je sehen werden!


Beim Einsammeln von Leichenteilen stört der Assistent nur.


Das Augsburger Sensemble hat mit „Frankenstein Unlimited“ eine sehr witzige Fassung des Klassikers von Mary Shelley auf die Bühne gebracht: die Geschichte von Doktor Frankenstein, der eine eigene Kreatur erschafft, welche aus Mangel an Liebe zum gefährlichen Monster wird. Die Inhalte des Original-Romans von Mary Shelley werden leicht gekürzt nachgespielt und alle Szenen getreulich am Whiteboard abgehakt. Es entsteht eine turbulente Komödie über Liebe, Monster und den drohenden Tod.

„Frankenstein Unlimited“ wurde wie „Hamlet for you“ (auf den sich im „Frankenstein“ viele Anspielungen finden) von Sebastian Seidel für die beiden Schauspieler Birgit Linner und Jörg Schur geschrieben. Seidel arbeitet als Dramatiker, Regisseur und Theaterleiter. Seit 2000 leitet er das von ihm gegründete Sensemble Theater Augsburg, eine freie Bühne für zeitgenössische Dramatik. Er erhielt den Kunstförderpreis, die Ehrenmedaille und den Zukunftspreis der Stadt Augsburg. Seine Theaterstücke werden international gespielt.


Frankenstein ernsthaft und blutig

Als Spiel im Spiel agieren Birgit Linner und Jörg Schur, Publikumslieblinge am Sensemble und spätestens seit „Hamlet for you“ ein Dauerbrenner-Duo. Der „Spielleiter“ Theo (Jörg Schur) will Frankenstein ernsthaft inszenieren und rennt auch vor der Aufführung und in der Pause nervös herum, während sein naiver Assistent Bernhard (Birgit Linner) die Ruhe weg hat.

Zunächst wird kurz die Geschichte des Viktor Frankenstein nachgespielt, der aus den schweizerischen Bergen nach Ingolstadt kommt und die Naturwissenschaften studiert. Dort entwickelt er den Ehrgeiz, einen künstlichen Menschen zu schaffen. Und jetzt geht es richtig los auf der Bühne! Da spritzt das Blut, die Leichenteile fliegen: Arme, Beine, Hände, Füße einer Schaufensterpuppe – und auch der Rumpf („Schau Theo, die hat sogar einen Busen!“ als Frankenstein dem Monster auch noch eine Gefährtin schaffen soll).

Schon die Vorbereitung auf die Operation ist für Doktor Frankenstein nicht ganz einfach.



Die Modernisierung eines alten Themas

Dass es zum Thema des künstlichen Menschen auch aktuelle Bezüge gibt, bringt Spielleiter Theo durch einen kleinen wissenschaftlichen Exkurs über Künstliche Intelligenz zum Ausdruck: „Außerdem ist das Monster unglaublich intelligent und bringt sich alles selber bei…Das Monster besitzt eine sagenhafte künstliche Intelligenz…Wenn du so willst, hat Frankenstein schon vor 200 Jahren das Wunder vollbracht, eine Maschine zu bauen, die intelligent reagiert.“ Was von seinem Assistenten aufgegriffen und natürlich ins Lächerliche gezogen wird: „So, das wäre geschafft, nun ab in den Thermomixer…Ein Hoch auf die digitale Revolution! KI for Everybody!“

Dabei ist das zentrale Thema der Geschichte, die Einsamkeit des Monsters, das eigentlich Moderne daran. In der Version des Sensemble ist das Monster nur hässlich, bei Mary Shelley wird es aber von der Gesellschaft wegen seiner Andersartigkeit abgelehnt – also keine Akzeptanz von Diversität! Die Ablehnung endet schließlich in Einsamkeit und diese ruft Aggression hervor – auch in den Zeiten von Corona-Lockdowns konnte man diesen Mechanismus beobachten. Assistent Bernhard stellt im Sensemble zu Recht immer wieder die Frage, warum das Monster seine Einsamkeit in grausamen Morden kompensieren will.


Umwerfende Komik

Trotz allen Grusels im Thema begeistert vor allem Birgit Linners Spielfreude. Sie reicht bis zum Rand des Klamauks, ihre Mimik ist immer gut für Lachanfälle im Publikum – und ja, Birgit/Bernhard, Dein Boris-Karloff-Monster IST grandios! Im großen Finale im Eis sogar ein kleines bisschen unheimlich…
Jörg Schur treibt dagegen die Ernsthaftigkeit des Spielleiters und Frankensteins („Ich wollte nichts weniger als der Menschheit bislang unbekannte Wege erschließen…und der Welt das tiefste Geheimnis der Schöpfung offenbaren!“) so auf die Spitze, dass die Zuschauer auch hier bald vor Lachen losplatzen.

Nach schwungvollem Disco-Ausklang zum Mitklatschen mit „I am what I am“ vom Ghettoblaster gibt es tosenden Applaus.

Bericht und Fotos: Sabine Sirach

Auf geteilter Bühne wird ein Brief in Genf geschrieben und in Ingolstadt gelesen.



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