Wir sind nicht allein!

Lisa K.: "Wir sind nicht allein!"


Lisa K., die im Landkreis Augsburg lebt, hat für Menschen mit starker Sehbehinderung eine Gruppe für junge Menschen gegründet. Sie ist 32 Jahre alt, war eine Frühgeburt und kam mit einem Gewicht von nur 800 Gramm auf die Welt. Dadurch ist sie seit kleinauf hochgradig kurzsichtig.

Lisa K. erzählt über sich: "Durch meine unzureichend entwickelte Netzhaut und der dadurch resultierenden erhöhten Sensibilität, mussten meine Augen seit kleinauf in regelmäßigen Abständen kontrolliert werden. Vor kurzem erkrankte ich an Netzhautablösungen mit insgesamt 10 Löchern und musste sofort am linken Auge notoperiert werden. Unbehandelt führt diese Erkrankung zur Erblindung. Seither habe ich Öl im Auge, um die Netzhaut zu stabilisieren. Das Öl füllt das Auge komplett aus, um die Netzhaut wieder an die darunter liegenden Strukturen anzudrücken, etwa so wie bei einem mit Wasser gefüllten Luftballon. Ohne Inhalt würde der Ballon bildlich in sich zusammen fallen und dadurch zur Erblindung führen. Meine Sehfähigkeit liegt seit den Op's nur noch bei 10%. Rechts 60%. 

Mein Alltag gestaltet sich aktuell durch viele Behördengänge, Arztbesuche, Anpassungen, Ernährungsfragen und die Organisation der Selbsthilfegruppe „Junge Retina Augsburg“. Meine Familie, meine Freunde sowie die Initiative eine Selbsthilfegruppe speziell für junge Leute zu gründen, sind mein Anker in dieser schweren Zeit. Seitdem beschäftige ich mich selbst sehr viel mit den Themen Auge, Sehverlust, Beruf, Ernährung und weiterer Zukunftsplanungen. 

Im Rahmen meiner täglichen Recherchen bin ich vor circa einem Jahr auf die Pro Retina gestoßen und habe durch den vielseitigen Austausch mein Wissen stark erweitern können. Nach und nach habe ich wichtige Kontakte geknüpft und dadurch sehr viel Hilfe erfahren oder auch weitergeben können. Innerhalb der "Pro Retina e. V. - Selbsthilfevereinigung von Menschen mit Netzhautdegenerationen" geht es für alle Altersgruppen um gemeinsamen Erfahrungsaustausch, Beratung in allen Lebensbereichen wie Berufliche Orientierung, Verstehen von Diagnosen, Hilfsmittelberatung und Möglichkeiten für Freizeit und Sport. 

All diese wichtigen, doch selbstverständlichen Dinge gehören zur Alltagsbewältigung eines Menschen mit Sehproblemen dazu. Wir sprechen Leute an, die selbst betroffen sind, deren Verwandte, Freunde und allgemein Interessierte und klären gemeinsam alle offenen Fragen."

Frage: Wie kam es zu der Idee, eine eigene Gruppe bei Pro Retina e. V. - Selbsthilfevereinigung von Menschen mit Netzhautdegenerationen für junge Menschen zu gründen?

Lisa K.: Ich lernte vor einiger Zeit bei einem gemeinsamen Treffen der Pro Retina Augsburg die Regionalgruppenleitung Marion Goth kennen. Bei unserem Zusammentreffen war mir schnell klar… Ich dürfte hier am Tisch wohl mit die Jüngste sein. Natürlich haben vor allem junge Leute ganz andere Themen, über die sie bei so einem Treffen zum Beispiel sprechen möchten. Schnell war somit klar – Zusammen mit Andreas und Rasmus Wir sind nicht allein! Wir jungen Betroffenen wollen junge Menschen mit ähnlichen Bedürfnissen unterstützen.

Frage:  Barrierefreiheit und Mobilität? Wo sehen Sie die größten Herausforderungen im Hinblick auf die neue Gruppe?

Lisa K.: Es gibt immer Barrieren, im Kopf des Betroffenen und in den Köpfen der Mitmenschen. Beide gilt es abzubauen.

Frage: Barrieren können jedoch durch Offenheit und mit guter Kommunikation angegangen werden.

Lisa K.: Bei Menschen mit Netzhautdegenerationen oder auch krankhafter Kurzsichtigkeit ist oft der Verlauf langsam, das heißt sie können in jungen Jahren noch einen relativ guten Visus (Sehschärfe) und ein gutes Gesichtsfeld haben, um relativ selbstständig mobil zu sein. Häufig ist das Nachtsehen eingeschränkt, da können wir uns gegenseitig unterstützen, denn in der Gruppe helfen wir einander.
Und selbstverständlich sind Angehörige und Freunde ebenfalls herzlich willkommen, so lernen sie leichter einen unbeschwerten Umgang mit sehbehinderten Menschen.
Marion Goth meint: Eine große Herausforderung ist es für mich, die jungen Leute zu motivieren, sich einer Gruppe anzuschließen, von der man nicht nur jetzt, sondern auch später nur profitieren kann.

Frage: Wie finden die Leute zu Ihnen?

Lisa K.: Die Pro Retina e.V. verfügt deutschlandweit über ein hervorragendes Netzwerk, welches Hilfe suchende Personen untereinander vernetzt. Ebenso sind wir speziell für junge Leute auf Instagram unter „Junge Retina“, per E-Mail jugend@pro-retina.de / info@pro-retina.de oder auf der allgemeinen Homepage www.pro-retina.de vertreten. Nicht zu vergessen ist für mich die regionale Öffentlichkeitsarbeit, die mich durch dieses Interview unterstützt, um in der Region viele junge Leute anzusprechen.

Frage: Wer soll kommen? Wie ist es, wenn auch Sehende Interesse an der Gruppe finden, sind sie auch willkommen?

Lisa K.: Was für eine Frage (Lisa schmunzelt), es ist jeder zwischen 18 und 35 Jahren herzlich willkommen. Denn auch hier gilt wieder das Motto: Wir sind nicht alleine! Uns beziehungsweise mir ist es egal, ob die Diagnose erst seit Kurzem gestellt wurde, man sie seit Geburt an hat und/oder auf aktuelle Fragen wie berufliche Zukunft, Umgang mit der Erkrankung als Angehöriger teilnehmen möchte. Nur so bildet sich eine inklusive Gesellschaft.

Frage: Warum sollen die Leute zum ersten Treffen kommen?

Lisa K.: Wir sind nicht allein! Wir unterstützen bei allen wichtigen Lebensfragen rundum die Themen Diagnose, Beruf, Freizeit und Sport

Frage: Was erwarten die Besucher bei Treffen? Was ist geplant? 

Lisa K.: Ein nettes unverbindliches kennenlernen und beisammensitzen in geselliger Runde, vielleicht bei einem ausgiebigen Frühstück und guten Gesprächen. Erstmal auf sich zukommen lassen, wer kommt und was sie/er dann aus ihrem/seinem eigenen Rucksack preisgeben will. Jeder Impuls ist willkommen.

Frage: Was ist ihr größter Wunsch für das erste Treffen, die Gruppe, an die Leute, die kommen?

Lisa K.: Ungezwungenheit, Geselligkeit und Raum für alle Emotionen. Motto: Wir sind nicht allein.

Frage: Was wünschen sie sich persönlich am meisten?

Lisa K.: Mehr Offenheit und Akzeptanz sehbeeinträchtigter Menschen in der Gesellschaft. Prävention, richtige Zuordnung von Symptomen und insbesondere Barrierefreiheit in den Städten und Umgebung.


Treffen sind am 30.04.22 und 21.05.22 jeweils 10 Uhr im Thalia Kaffeehaus, Augsburg

* Mehr Information und Kontakt: per E-Mail jugend@pro-retina.de / info@pro-retina.de oder auf der allgemeinen Homepage www.pro-retina.de

Lisa K. hat Gruppe für stark sehbehinderte junge Menschen gegründet.

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