Das Wasser ruft in die Brechtbühne

Storch und Krabbe treffen aufeinander.
(Foto: Jan-Pieter Fuhr)




Das Staatstheater spielt eine märchenhafte Kooperation mit Kapstadt

Kooperationen sind für das Staatstheater Augsburg ja grundsätzlich nichts Neues. Was es allerdings bedeutet, wenn die Kooperationspartner über 9.000 Kilometer Luftlinie voneinander entfernt sind, erprobte das Projekt »Iskhalo somlambo / Der Ruf des Wassers«. Initiiert wurde es von Andreas Hillger (der dann auch den Text schrieb) 2018 anlässlich einer Südafrika-Reise, wo ihm die Verbindung des Wasser-Welterbes und des Wasser-Notstandes in Kapstadt auffiel. Den Kontakt zu dem Puppenspiel-Kollektiv Ukwanda Puppets & Designs Art Collective aus Kapstadt stellte die weltberühmte Handspring Puppet Company her (die schon in Augsburg gastierte); sie unterstützte auch tatkräftig während der gesamten Projektlaufzeit. Gefördert wurde das Projekt durch die Kulturstiftung des Bundes. Das Stück wird jetzt in Augsburg und im September in Kapstadt in je fünf Vorstellungen aufgeführt.

Der Storch im Flug.
(Foto: Jan-Pieter Fuhr)


Unter der Leitung der Augsburger Regisseurin Dorothea Schroeder erarbeiteten die Ukwanda-Puppenspieler und hiesige SchauspielerInnen ein Stück rund um das Thema Wasser, das in beiden Städten auf völlig unterschiedliche Art und Weise eine bedeutende Rolle spielt. Die Kontakte fanden persönlich bei Reisen vor Ort statt, aber auch via Zoom. Nach über vier Jahren erlebte das Stück nun endlich auf der Brechtbühne seine Uraufführung.

Es war einmal vor langer, langer Zeit...« so beginnt das Stück. Es nähert sich dem Thema Wasser auf poetisch-märchenhafte und zugleich realistisch-wissenschaftliche Weise. Das Märchen: In einem kleinen Dorf in Südafrika versiegt das Wasser. Ein Mädchen bittet eine Krabbe um Wasser, verrät aber den Standort ihrer Quelle, die dadurch auch versiegt. Die Krabbe sucht verzweifelt nach Wasser, bis sie einem Storch begegnet. Und der hilft ihr: Er fliegt mit ihr bis über die Alpen nach Augsburg, wo sie endlich Wasser findet und auf die Wassergötter vom Augustusbrunnen trifft: Lech, Wertach und Singold als etwas alberne Brunnenfiguren, die ihr das Augsburger Wassersystem erklären, mit Bächen, Kanälen und Wassertürmen.

Die Ziege ist aus Packpapier geformt.
(Foto: Jan-Pieter Fuhr)


Die Inszenierung erzählt auch von sich selbst: wie die Truppe am 16. März 2020 wegen Corona die Puppen in Augsburg zurücklassen und Hals über Kopf nach Hause zurückfliegen musste. Auch die große Wasserkrise von 2018 in Kapstadt wird dargestellt. Aufgrund einer fünfjährigen Dürre wäre Kapstadt beinahe das Wasser ausgegangen; „Day Zero“ nahte, der Tag, an dem es kein Trinkwasser mehr gegeben hätte. Die Regierung veröffentlichte einen Plan, nach dem jeder Bürger nur noch 50 Liter Wasser pro Tag hätte verbrauchen dürfen (zum Vergleich: in Deutschland sind es 127 Liter pro Kopf – 4 Eimer voll Wasser, oder 6 Toilettenspülungen). Es gab also zahlreiche Ideen, Wasser zu sparen: Ein Beispiel: Damit man die Dusche nicht länger als 2 Minuten laufen ließ, wurden sogenannte Shower Songs komponiert. 2-Minuten Songs, die man beim Duschen hören könne – was die Truppe auf der Bühne mit einem Wasch-Schaff sehr schön synchron demonstriert.

Die Krabbe erschreckt die Wassergötter des Augustusbrunnens.
(Foto: Jan-Pieter Fuhr)


Was Machtgier anrichtet, thematisiert das Stück durch das Handeln des Storches. Er stellt sich als verwandelter Augsburger Wassermeister heraus, der das Wasser nicht mehr gerecht verteilt, sondern die Reichen bevorzugt. Er wird von der Göttin Singold dazu verdammt, als Storch ruhelos umherzuziehen: “Erst wenn das Elend dieser Welt unerträglich wird und du wieder gelernt hast, den Schmerz und die Not eines Anderen nachzufühlen, wirst du erlöst sein.“ Eine Parallele zur Machtgier des Storches zieht das Stück in einem Dialog mit Elon Musk, dessen Gigafactory Brandenburg das Wasser abgräbt. Ebenso prangert es den enormen Wasserverbrauch für Schnittblumen an (Deutschland hat den höchsten Schnittblumenverbrauch Europas). Waldbrände werden ebenso angesprochen wie Dammbau, Wasserverschmutzung und Gletscherschmelze. Die Figur der Spinne freut sich über die Wüste, die sich immer mehr ausbreitet: „Pah, water! That´s so 80s! Desert is the new thing!“

Die Riesenkrabbe benötigt 6 Spieler.
(Foto: Jan-Pieter Fuhr)



Das Stück bestreiten sechs Spieler: drei erfahrene Puppenspieler aus Südafrika und drei Schau- und Puppenspieler aus Halle und Augsburg. Sie sprechen die Texte in drei Sprachen: deutsch, englisch und Xhosa. Wer aufmerksam zuhört, entdeckt in der Xhosa-Sprache die berühmten Klicklaute – mit deren Aussprache wir Europäer massive Schwierigkeiten hätten!

Die schönen, detailreichen Puppen sind aus Holz und Polystyrol und werden in offener Spielweise an ihren Beinen und mittels Drahtschlaufen und -zügen bewegt. Dabei gelingen den Spielern in bewundernswerter Zusammenarbeit (bis zu sechs Spieler führen gemeinsam eine Figur!) natürliche und lebendige Bewegungen: Der verlegene Storch legt den Kopf zur Seite und hebt einen Fuß; die Krabbe läuft seitwärts, droht im Angriff mit den Scheren, bewegt suchend ihre Augenstiele und wippt vor Begeisterung über das Wasser mit dem Körper auf und ab. Storch und Krabbe gibt es in verschiedenen Größen; die Krabbe kommt am Ende als Riesenfigur aus den Kulissen und nimmt dem Publikum schier den Atem.

Die Kulissen sind denkbar schlicht, das Wichtigste sind zwei Bahnen Packpapier, von denen immer wieder Papier abgerissen und zu Figuren geformt wird: Zu Anfang das kleine Dorf mit seinen Bäumen, das während der ganzen Vorstellung mahnend vorne stehen bleibt, später die Figur einer lebensgroßen Ziege und ein paar gedankenlos flatternde Schmetterlinge. Mittels Projektionen ist auch das aus Papier gebastelte Augsburg zu sehen, komplett mit Perlachturm, Wassertürmen, Augustusbrunnen und sogar einer Trambahn! Stimmungsvolles Licht deutet Wasser und Feuer an, Übertitel erleichtern das Verständnis der Texte. Der Drummer Fabian Löbhard unterstützt mit zurückhaltender Musik die Atmosphäre.

Fazit des Stücks ob unseres gedankenlosen Umgangs mit Wasser: „Sind wir denn alle wahnsinnig? Was machen wir denn mit unserer Erde? We have to change, now!“ Und an die Augsburger gewandt: „Herzlichen Glückwunsch zur Erbschaft. Erbe verpflichtet. Uns wird hier in den nächsten Jahren das Wasser mit ziemlicher Sicherheit nicht ausgehen.“ Damit nicht alles im Öko-Appell versandet, speit am Ende die Riesenkrabbe all das Wasser aus, das den Menschen noch verblieben ist: „Hier, nehmt das Wasser. Es ist noch genug für alle da. Noch ist es nicht zu spät. Verteilt es gerecht.”

Das Ensemble mit Riesenkrabbe beim verdienten Applaus
(Foto: Sabine Sirach)

Schön, dass Augsburg den Status als Welterbe-Stadt nun auch dazu nutzt, um auf das Thema der Wasserknappheit hinzuweisen – in Zeiten, wo in Norditalien eine Dürre herrscht, die auch die Menschen diesseits der Alpen aufweckt. Übrigens: Auch das Water&Sound-Festival (vom 28. Juli bis 7. August an verschiedenen Spielorten) widmet sich dem Thema der Wasserknappheit in Afrika, dann in der Sahara und im Sahel.

Zur Premiere gabs einen Krabben-Kuchen.
(Foto: Sabine Sirach)



Nächste Vorstellungen in der Augsburger brechtbühne am Gaswerk täglich bis Samstag, 16.7. jeweils um 19:30 Uhr.

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»Iskhalo somlambo / Der Ruf des Wassers«
Besetzung


Spieler:

Siphokazi Mpofu, Sipho Ngxola und Luyanda Nogodlwana sowie Thomas Prazak, Franziska Rattay und Karoline Stegemann

Inszenierung: Dorothea Schroeder

Texte: Andreas Hillger

Dramaturgie: Sarah Mössner


NAR-Bericht: Sabine Sirach

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