Theater-Fest: Ist der Kapitalismus endlich vorbei?

André Bücker als Auktionator bei der Kostümversteigerung.


Viel zum Staunen, Mitmachen und Vorfreuen:
Das Theaterfest im Martinipark


Ein vielfältiges Programm gab es beim Theaterfest im Martinipark – bei schönstem Sommerwetter und viel guter Laune. Auf mehreren Bühnen draußen und drinnen konnte man Ausschnitte aus Produktionen der gerade ablaufenden und der kommenden Spielzeit sehen, außerdem gab es viele Mitmachaktionen für groß und klein.

Kinder konnten auf Schnitzeljagd gehen, Banner bemalen oder im Familienkonzert den „Zauberlehrling“ anhören. Die Erwachsenen hatten die Möglichkeit, sich Taschen aus alten Theaterbannern zu nähen (unter Anleitung!), beim Sunset Clubbing zu tanzen, Digitaltheater mit VR-Brille auszuprobieren, ein Kostüm zu ersteigern und Tickets für die neue Theatersaison zu kaufen.

Das Publikum sammelt sich im Schatten.


Die Kostümversteigerung moderierte Intendant André Bücker amüsant und spontan als Auktionator. Da gab es mittelalterliche Kleider, Musical-Kostüme und sogar ein Doppelkleid für zwei Personen (das man später am Abend angezogen an zwei Schönheiten bewundern konnte). Das Publikum saß im Schatten und freute sich.

Einen Ausblick auf die Kooperation des Staatstheaters mit der südafrikanischen Puppenspieltruppe Ukwanda aus Kapstadt bekam man durch die große Krabbe, die von ihren Puppenspielern sehr lebendig über die Wege geführt wurde (Aufführungen vom 12. bis 16. Juli in der Brechtbühne). Die Südafrikaner freuten sich über die Neugier der Besucher und waren für interessierte Fragen zu haben.

Das mittelalterliche Burgunder-Kleid geht für 110 Euro weg.

Das Doppelkleid steht noch zur Versteigerung …


Staunen machte die Aktualität des von Natalie Hünig und Pascal Riedel gelesenen Essays des großen Ökonomen John Maynard Keynes aus dem Jahr 1928: Unter dem Titel „Die wirtschaftlichen Möglichkeiten unserer Enkel“ gab er einen „Grundkurs Ökonomie I“ mit einer Anklage gegen ausufernden Kapitalismus. Sein Ausblick: Das wirtschaftliche Problem, sprich der Kampf ums Dasein, werde in 100 Jahren (also jetzt!) erledigt sein – aber ob das eine Wohltat darstellen würde? Seine Lösung: Mehr Dinge für uns selbst tun; nur 15 Stunden pro Woche arbeiten – das würde ausreichen, um die Grundbedürfnisse zu befriedigen. Voraussetzungen: Das Wachstum der Weltbevölkerung einschränken und: keine Kriege mehr! Die Lesung des klugen Essays wurde untermalt mit witzig-assoziativen Bildern, Videos und Liedern: „Ist der Kapitalismus endlich vorbei?“

…und ziert am Abend zwei Schönheiten.

An der mobilen Theaterkasse kann man schon Tickets für die neue Spielzeit kaufen …

… und diverse Sachen mit der pinkfarbenen Ananas am Merchandising-Stand erstehen.


Höhepunkt des Abends war dann die „Spielzeitshow“, in der die Ensembles aller Sparten (bis auf das Digitaltheater) erste Ausschnitte aus den Inszenierungen des neuen Spielplans zeigten – moderiert wiederum von André Bücker. Anhand der optimistischen Ouvertüre aus „Fidelio“ hörte man das Motto der Spielzeit 22/23 heraus: „Aufbruch“. Einen überraschend witzig-modernen Pas De Deux sah man zur klassischen Musik von Carl Maria von Weber, und das Ballett-Ensemble begeisterte das Publikum mit einer Szene aus Metamorphers (Musik: Béla Bartók). Viel Chor gab es zu Szenen aus Rossinis Komischer Oper „Il viaggio a Reims“ und Verdis „La traviata“; auch aus der spartenübergreifenden Ballettoper „Fairy Queen“ von Henry Purcell waren zwei Chorlieder zu hören. 

Als Vorgeschmack auf „Der Ruf des Wassers“ kann man die Krabbe aus Südafrika bestaunen und ihre Puppenspieler kennenlernen.

Natalie Hünig und Pascal Riedel lesen den Essay von John Maynard Keynes.

Florian Gerteis wieder umwerfend als Suppenkasper aus dem Shockheaded Peter.


Dagegen brillierte Olena Sloia als Solistin mit Auszügen aus der Mono-Oper „Das Tagebuch der Anne Frank“. Auch die Schauspielsparte bot so einiges: Florian Gerteis riss die Zuschauer wieder mit als Suppenkasper aus „Shockheaded Peter“ (Wiederaufnahme). Den „Coup des Jahres“ (Bücker) landete das Staatstheater damit, dass es die deutschsprachige Erstaufführung des Kassenschlagers „Jerusalem“ an Land ziehen konnte, in der Spielzeitshow gab es daraus den „Monolog des Gingers“, aus dem man den Inhalt des Stückes erahnen kann. Und das ökonomische Thema tauchte wieder auf in einer Szene aus der Komödie „Nein zum Geld!“ von Flavia Coste. Man kann sich also auf so manch Neues freuen.

Wiard Witholt und der Damenchor in der Komischen Oper „Il viaggio a Reims“.



Text und Fotos: Sabine Sirach

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