Wer hat eigentlich die Kanuslalom-Strecke am Augsburger Eiskanal gebaut? Und wer die Gebäude dort?

Informierten über die Historie der Olympischen Kanustrecke am Augsburger Eiskanal:
Stadtarchiv-Mitarbeiter Thomas Schreiner, Eva Maria Müller und Karl Heinz Englet.


Bei einem Vortrag im Augsburger Stadtarchiv konnten Interessierte erfahren, wie die Kanuslalom-Strecke am Augsburger Eiskanal zu den Olympischen Spielen 1972 entstanden ist, auf der schon zum zweiten Mal eine Kanuslalom-Weltmeisterschaft stattfindet. Dieses Jahr vom 26. Juli bis zum 31. Juli. 

Thema: Wasser macht Geschichte. Damals. Heute. Morgen. – 50 Jahre Olympische Kanuslalom-Anlage am Eiskanal


Am 13. Mai 1970 fiel die Entscheidung des Internationalen Olympischen Komitees für Augsburg als Austragungsort der Wettkämpfe im Kanuslalom bei den Olympischen Sommerspielen von 1972. Der Vortrag im Augsburger widmete sich der bewegten Baugeschichte der weltweit ersten künstlichen Kanuslalom-Arena, den Leitmotiven und Zielsetzungen der damaligen Akteure sowie der Geschichte des Kanusports in Augsburg. 

Anschließend fand eine angeregte Gesprächsrunde mit dem achtfachen Deutschen Meister und Kanu-Weltmeister Karl Heinz Englet statt, der noch einige Internas erzählen konnte. 

Die Dozentin, Eva-Maria Müller M.A., aus Augsburg ist die Tochter des damaligen Architekten Erich Müller, vom Architektur-Büro Brockel & Müller, das für die Gebäude an der Olympischen Kanuslalom-Strecke zuständig war. 

In seinem Buch "Der Mann des Feuers" schilder Karl Heinz Englet den Bau der Kanuslalom-Strecke am Augsburger Eiskanal mit viel Insider-Wissen:

Im Juli 1970, zwei Jahre vor der Olympiade, setzte sich Oberbürgermeister Pepper für die Medien in einen Schaufelbagger. Der erste Spatenstich wurde mechanisch getätigt. Die Bauarbeiten begannen. Es wurde geschaufelt, gebaggert und betoniert. Obwohl ein künstliches Gewässer entstand, jedoch optisch kaum von einer Naturstrecke zu unterscheiden, gesäumt von Sitz- und Stehrängen auf beiden Seiten, bildet es ein aufsehenerregendes Open-Air-Kanu-Stadion.

Sanierungsarbeiten.
 

Die technischen Daten der Strecke: 660 m lang, 10 m breit, Gefälle 4,5 m. Die Hälfte der Olympiastrecke befand sich noch im alten Kanal. Der interessanteste Teil begann nach der Brücke, beim Einstich quer durchs Gelände, hinüber zum Lech. Zwischenzeitlich wurde die Strecke zweimal verkürzt. Der aktuelle Start ist nun beim Einstich. Die Kanuten können jetzt in ihrem gesamten Lauf vom Start bis zum Ziel im TV gezeigt werden. Fahrtdauer durch die reißenden Wellen hinab, rund 100 Sekunden.

Das sanierte Restaurant, jetzt ein Gebäude für die Wettkampf-Leitung.


Schnell bekamen die Betonfelsen in Streckenverlauf ihre Namen. Gleich nach dem Start, der Schleusendurchfahrt, kommt der „Zuckerhut“ - Rio lässt grüßen. Danach folgt die „Waschmaschine“, eine Wasserwalze mit unterschiedlichen Strömungen, die große Herausforderungen an die Kanuten stellt. Die „Bogenbrücke“, das schnellste Teilstück, taucht dann mit dem „Bogenbrückenschwall“ und einem starken Kehrwasser auf. Weiter geht’s zum „Moby Dick“, ein Koloss, der umfahren werden muss. Nach einem Sprintstück folgt „Die Restaurantwalze“, die wieder alles abverlangt. Mit den Kräften fast am Ende will der „Korkenzieher“ besiegt werden. Unter der zweiten Brücke müssen im Finalsprint die letzten Kraftreserven herhalten.

Zuschauer an der Kanuslalom-Strecke.

 
Die Arbeiten für unseren neuen Kanukanal dauerten ein Jahr. Die spannende Erstbefahrung wurde mir gegönnt. Gleich hinter mir Horst Woppowa und alle anderen mutigen Augsburger Kanuten. Welche ein neues Fahrgefühl. Das Wasser brodelt und pulsiert. Es wird von steilen Wänden zurückgeworfen. Eine völlig neue Fahrtechnik ist ab sofort angesagt.

Im Spätsommer 1971 war die offizielle Einweihung mit der sogenannten Pre-Premiere. Es ist üblich, dass 1 Jahr vor Weltmeisterschaft oder vor Olympischen Spielen die Wasserläufe in einem Wettkampf getestet werden. Die Slalom-Kanuten aus aller Welt staunten über unsere neuartige Kanu-Strecke und waren begeistert. Gigantische Stimmung, auch wenn diese Veranstaltung in einer Baustelle gestemmt wurde.

Frisch renoviertes Gelände an der Kanuslalom-Strecke.

 
Hohe Anerkennung an die Bauleute. An ihrer Spitze Ingenieur Hillmeier. Das Augsburger Architekturbüro Brockel und Müller war für die Hochbauten zuständig. Es wurde äußerst zweckmäßig gebaut.

So entstand ein Start- und Zielhaus, die beiden Bootshäuser, der Wettkampfturm, in dem heute das Kanumuseum beheimatet ist, das Restaurant sowie das Bundesleistungszentrum, das als einziges Bauwerk inzwischen erneuert wurde. Ohne diese Gebäude wären Veranstaltungen nicht mehr durchführbar. Auch die beiden Augsburger Clubs, AKV und Kanu Schwaben, fanden hier ihre neue Heimat.

Wichtig: Zu erwähnen sind die Kosten. Inklusive eines Teiles der Kuhsee-Sanierung beliefen sie sich auf DM 16,0 Mio. Für eine olympische Sportanlage bedeutete dies, dass die Stadt Augsburg 40 % der Kosten zu tragen hatte. Die restlichen 60 % teilten sich der Bund und das Land.

Deutsche Kanuten bei der Kanuslalom-WM 2022.
 

Faszinierend, alles wurde termingerecht fertig, sogar die Naturstehwelle, wunderbar gestaltet von dem Münchner Landschaftsarchitekten Gottfried Hansjakob. Die Olympischen Spiele 1972 konnten beginnen – wir waren bereit.

Dass die Kanustrecke heute in einem für alle zugänglichen Naherholungsgebiet eingebettet ist, ein zusätzlicher Glücksfall. Ihr Charme besteht noch immer, auch wenn heutzutage weltweit schwierigere und modernere künstliche Wildwasserstrecken auf Kanuten warten.


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Mehr Information zur Kanuslalom-WM 2022 ist hier zu finden.
Mehr Information zum Bau der Olympischen Kanuslalom-Strecke in Augsburg ist hier zu finden.
Das Buch "Der Mann des Feuers" von Karl Heinz Englet ist hier zu bekommen.

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