Walter Groos: Gerechter unter den Völkern!

Auf der Leinwand im vollen Augustana-Saal zu sehen: Walter Groos.


Der Augsbürger Walter Groos, der von 1898 bis 1979 lebte, war wie sein Klassenkamerad Bert Brecht ein konsequenter Gegner der Nationalsozialisten. Groos wurde Ingenieur, heiratete eine „halbjüdische“ Frau und wurde in der NS-Zeit mit dem Bahnausbau zum KZ-Außenlager Kaufering beauftragt. Die Lebensbedingungen der Häftlinge schockierten ihn so, dass er sie mit allen Kräften und ohne Rücksicht auf eigenes Risiko, mit Kleidung, Lebensmitteln und Medikamenten unterstützte. Dafür wurde er 1995 von Yad Vashem als „Gerechter unter den Völkern“ ausgezeichnet.

Der bis auf den letzten Platz gefüllte Augustana-Saal war der richtige räumliche Rahmen mitten in Augsburg, für eine Veranstaltung, die einen Augsburger ehrte: Walter Groos, einziger Augsburger, an den in der Holocaust Gedenkstätten Yad Vashem in Jerusalem erinnert wird. Groos war ein Schulfreund des weltweit berühmtesten Augsburger Autors Bertolt Brecht. Beide feiern dieses Jahr ihren 125. Geburtstag, denn Groos kam, wie auch Brecht, 1898 in Augsburg auf die Welt.

Nachdem Pfarrer Dr. Martin Beck als Hausherr des Annaforums die Gäste begrüßt hatte, berichtete Dr. Michael Friedrichs, was er über Walter Groos erfahren hatte, der auch bei der Schülerzeitung "Die Ernte" mitgeschrieben hatte, in der auch Brecht seine Beiträge veröffentlichte.

Es war ein wunderbarer informativer und auch kultureller Abend bei dem 8. Schauspieler der Theatergruppe des Maria Ward Gymnasiums in Augsburg Szenen von Brecht und Groos auf die Bühne brachten.  Isabell Münsch mit ihrer faszinierenden Stimme und Tasten-Virtuose Geoffrey Abbott am Piano umrahmten die Veranstaltung mit den intensiven Klängen, die in die Herzen wanderten.

Augsburgs lebende Kanu-Legende, Karl Heinz Englet, der Neffe von Walter Groos würzte den Abend mit persönlichen Anekdoten über den Bruder seines Vaters. Kompetent war der Vortrag zu Walter Groos und seinen Aktivitäten von Dr. Michael Friedrichs, der viele Quellen zum Leben von Groos studiert hatte.

Dr. Michael Friedrichs erzählt über Walter Groos.
 

Eine eindrucksvolle Theaterszene wurde dazu von Schülerinnen und Schülern des Maria Ward Gymnasiums aufgeführt. Musikalische Begleitung erfolgte durch Isabell Münsch und Geoff Abbott. Reichlicher Beifall kam.

Dr. Michael Friedrichs, Vorsitzender des Augsburger Brechtkreises, war bei der Recherche zu Brechts Schülerzeitung "Die Ernte" auf die beeindruckende Lebensgeschichte des Walter Groos gestoßen.

Über Walter Groos wird gesagt: Er war ein Realist und praktischer Mensch, eher mathematisch begabt und weniger musisch, das überließ er lieber seinem Mitschüler, Banknachbarn und Jugendfreund Bertolt Brecht, der im gleichen Jahr in Augsburg geboren wurde. Groos war ein Mann der Tat und der
Problemlösung. Er wurde Mitbegründer der Spickel-Siedlung in Augsburg. Er gehörte zu den Naturfreunden, den damaligen ‚Wandervögeln’ und war Bewunderer der Bauhausbewegung in der Architektur.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten, 1933, lebte er weiter sein bisheriges Leben, rief weder ‚Heil’ noch kämpfte er gegen das Regime. Es wurde ihm eine Trennung von seiner Frau geraten, mit der er Kinder hatte. Sie galt damals als "Halbjüdin". Das lehnte Groos ab.

Walter Groos wurde 1944 als Bauleiter auf eine Baustelle in Oberottmarshausen, nahe Landsberg, am Lech geschickt. Hier war das Konzentrationslager Kaufering, ein Außenlager des KZ Dachau. Walter Groos musste nun der brutalen Realität ins Auge schauen.

Unter den Gefangenen wurde das Konzentrationslager Kaufering als das "Kalte Krematorium" bezeichnet, denn die Sterberate der Häftlinge war sehr hoch. Tausende, zumeist jüdische Gefangene, arbeiteten unter mörderischen Bedingungen. Groos half den Gefangenen über den harten Winter zu kommen. Er verteilte warme Handschuhe und Lebensmittel, doch was am wichtigsten war, auch Medikamente. Groos schmuggelte sie verbotenerweise in das Lager. So konnten manche KZ-Insassen überleben.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war Groos von 1945 bis 1952 der Leiter des Augsburger Wasser- und Brückenbauamtes.  Zusammen mit Ludwig Ohlenroth unternahm er archäologische Spurensicherungen im kriegszerstörten Augsburg. Groos war MItglied der Naturwissenschafltichen Gesellschaft und auch Mitbegründer der "Augsburger Blätter", die Beiträge zur Augsburger Stadtgeschichte brachten. Leider wurden diese informativen "Augsburger Blätter" bisher nicht ordentlich archiviert und warten noch in Kisten auf ihre nötige Veröffentlichung.

Walter Groos verstarb am 24. Dezember 1979. Bei der Trauerfeier waren auch die Familien ehemaliger KZ-Insassen am Grab: die von Mendel Thomas und Alexander Rothschild. Sie blieben nach der Befreiung aus dem KZ weiter mit Groos freundschaftlich verbunden. Am 9. Januar 1994 wurde Walter Groos von der internationalen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem als "Gerechter unter den Völkern" ausgezeichnet.

Karl-Heinz Englet, Neffe von Walter Groos, ist seinem Onkel heute noch dankbar. Groos verschaffte seinem Bruder nach dem Krieg eine Stellung in 'Augsburg als Schleusenwärter am Lech. Dort wuchs auch Karl-Heinz Englet auf, der sich zu Bert Brecht bekennt. In seinem Buch "Der Mann des Feuers" schildert Englet auch diese Geschichte aus seinem ereignisreichen Leben. Englet sagte bei seinem Schlusswort: "Wäre der kleine Karl-Heinz später mit dem Kanu Deutscher Meister und Mannschaftsweltmeister geworden, wenn er nicht durch seinen Onkel Walter nach Augsburg an den Hochablass gekommen wäre? Nein, sicher nicht. Danke, lieber Onkel Walter!"

Isabell Münsch begeistert mit ihrem Gesang.


Zitieren wir zum Schluss Bert Brecht:

Vorwärts und nicht vergessen
Und die Frage konkret gestellt
Beim Hungern und beim Essen:
Wessen Morgen ist der Morgen?
Wessen Welt ist die Welt?

Die Veranstaltung "125 Jahre Walter Groos - Gerechter unter den Völkern", gehört zu der neuen Reihe "Augsburger Beiträge zur historisch-politischen Bildung". Die „Augsburger Beiträge“ werden von der Stadt Augsburg gemeinsam mit zahlreichen Kooperationspartnern organisiert. Seit 2021 bietet diese Veranstaltungsreihe Fachleuten, Medienschaffenden sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unterschiedlicher Disziplinen ein öffentliches Forum zu historischen und aktuellen Themen.

Diese Veranstaltung über erfolgte in Kooperation mit dem Bert Brecht Kreis Augsburg e.V.

Karl-Heinz Englet freut sich über die gelungene Veranstaltung zu seinem
tapferen Onkel Walter Groos.



Fotos: Lina Mann

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