Max und Moritz: Wenn die bösen Buben knutschen ... und vom Federvieh doch nicht aufgefressen werden!


Max und Moritz geben an den Elektrogitarren die abenteuerlustigen Rocker.

Das Weihnachtsstück für die Familien in Augsburg und Umgebung ist beim Staatstheater Augsburg die wilde Bildergeschichte "Max und Moritz" von Wilhelm Busch in sieben Streichen. Was heutzutage sofort Polizei, Rechtsanwälte und Jusitz auf den Plan rufen würde, galt zur Zeit von Busch noch als Lausbubenstreiche. Voll moralisch, aber ohne Eingriff staatlicher Gewalt. Das Schicksal erledigte die Angelegenheit. Wo heute von erbarmungslosen Erwachsenen immer mehr nach härteren Strafen gerufen wird, wurde früher auch mal drüber gelacht und auf die Schenkel geklopft. Die Streiche von Max und Moritz würden heute zwei Kriminelle aus den beiden frischfrechföhlichen Frechdachsen machen, weil: Diebstahl, Tierquälerei, Sachbeschädigung und Körperverletzung!

Lehrer Lämpel begeistert als Oldtimer-Pädagoge die Kinder.

Zur Inszenierung: Die Streiche der beiden bösen Buben wurden ineinander verwoben. So ergab sich nach der Fassung der Theaterfrau Jutta M. Stark eine durchgehende Geschichte. Die bestohlene Witwe Bolte durfte mit Onkel Fritz kuscheln und der Lehrer Lämpel sauste als Oldschool-Pädagoge durchs Publikum mit ermahnenden Worten. Riesengaudi für die Kinder. Kurz zuckten manche Erwachsene zusammen als Max und Moritz zu knutschen begannen. 

Die Hühner sind los ...


Max und Loritz beim Munkeln im Dunkeln.

Das ganze Spektakel, flott inszeniert von Markus Steinwender, lief mit viel Musik und lustigem Gesang ab, wie ein lebendig gewordener Comic, wie heutzutage die mehr oder weniger heftigen Bildergeschichten von Wilhelm Busch genannt werden. Schön bunt und mit viel Slapstick. Ab und zu kommen Weihnachtsmotive vor. Die Riesenfrau mit Tannenbaum ist die Schau. 

Gerupftes Huhn im Arm von Witwe Bolte.

Sarah Maria Grünig (Florian Gerteis) und John Armin Sander: Sarah Maria Grünig ist Max, der mit dem dunklen pilzartigen Haarschopf, den Wilhelm Busch schon erfunden hat, bevor es die Beatles aus Liverpool gab. Dazu noch blaue Jacke, Hochwasserhose und grüne Socken. Kein farbharmonisches Outfit. Mitgefühl zeigt Max für seine Mitmenschen kaum, doch umso fester scheint seine Freunschaft zu Moritz zu sein. Moritz, dargestellt von John Armin Sander, trägt eine kecke rötliche Punklocke sowie grüne Jacke mit braunkarierter Hose. Also outfitmässig auch nicht besser als sein Freund Max. Beide spielten unbekümmert das zerstörerische Duo, das ohne Rücksicht auf Verluste den Leuten in ihrem Umfeld Schabernack angedeihen lässt.

Witwe Bolte macht sich an Onkel Fritz ran.

Wie schon bei der Bilderbuchgeschichte, habe ich für die beiden Bösewichte viel Sympathie entwickelt. Irgendwie habe ich noch immer das Gefühl, dieses Lausbuben-Duo geht auf die Spießbürger in unserer Gesellschaft los. Ich glaube, das hat der Wilhelm Busch auch so gemeint, der gerne die satten und scheinheiligen Bürger veräppelte. Mal wieder reinblättern in sein Werk und schnell wird das klar.

Max und Moritz beobachten den Schneidermeister.


Riesige Hühner gackern herum, ein Brückengeländer kracht weg, Konfettikanonen spucken ihre schimmenrde Ladung durch die Luft und die mit Pulver geladene Pfeife explodiert derart beeindruckend, dass ich fast vom Stuhl falle. Leise und laute Gags am Fließband machen das Stück zu einem grandiosen Weihnachts-Spekulatius für Große und Klein. Das ist fein! 

Brückengeländer angesägt, Schneidermeister Böck fällt in Bach.


Wenn dann Max und Moritz als Rockmusiker zum großen Finale mit Elektrogitarren über die Bühne toben, sind wir doch froh, dass sie nicht wie im Original zwischen die Mühlsteine gesteckt werden, wo sie laut Wilhelm Busch "fein geschrotet und in Stücken" von Enten aufgefuttert werden. Dieser grausame Tod bleibt den begeisterten Kindern im Martini-Park erspart. Sonst wärs auch kein lustiges Familienereignis und kein Spaß in "Laurel & Hardy"-Manier.

Schneidermeister Böck, flachgelegt und gebügelt.

Sarah Maria Grünig wurde bei der Aufführung am, 10. Dezember 2023, die ich im Martini-Park besuchte, wegen Erkrankung mit Florian Gerteis ersetzt. Wie von Mitgliedern des Theater-Teams zu hören war, hielt er sich genau an die Rollenvorgabe seiner Schauspielkollegin. Das verdient natürlich ein besonderes Lob, für so eine schnelle und bravouröse Besetzungsänderung!

Getümmel auf der Bühne.

Natalie Hünig: Eine gemütliche Witwe Bolte, der die geliebten Hühner getötet und gestohlen werden. Fernab von heutigen Mastbetrieben mit unzähligen Hühnern, tröstet sich Witwe Bolte jedoch mit einem Hahn, sprich Mann, sprich Onkel Fritz und legt noch den nassen Schneider Böck flach, um ihn ordentlich zu bügeln. Witzig gespielt von Natalie Hünig, der wir gerne zurufen: "Chickenwings sind so gesund!"

Max und Moritz als Säckeschlitzer.

Christina Jung: Sie gibt den pfiffigen Bäcker, der die beiden Lausbuben - umwickelt von Teig - im Backofen in zwei zuckerleckere Osterkuchen verwandelt. Ja, Christina Jung, so wie du das spielst, stellen wir uns einen fleißigen Handwerker vor.

Julius Kuhn: Logo hat er als ziemlich dödeliger altmodischer Lehrer viel Erfolg bei den Kindern im Publikum. Die amüsieren sich köstlich über den pädagogischen Sonderknaller, der gute Ratschläge fürs Lernen und Leben verteilt, aber halt zu komisch, zu lächerlich rüberkommt.

Stefan Leibold: Auch wenn er meistens als Musiker am Rande agiert, taucht er ab und zu mit verschiedenen Masken ins Stück ein. Er gehört zu den Hauptdarstellern. Schließlich ist er der musikalische Ideenschmied.

Igitt, Kratzkäfer ins Bett von Onkel Fritz.

Bühnenbild: Wunderbar, wunderbar, wunderbar, eine Guckkastenbühne mit vielen Überraschungen. Max und Moritz klettern darauf herum wie an einer Boulderwand im Kletterzentrum. Die Schubladen gebieren Menschen und Gegenstände, die das Spiel bereichern. Auf der Bühnen öffnen sich Klappen wie bei einem Adventskalender. Mal schauen Köpfe hervor, mal werden damit überlüssige Personen in den Untergrund geschickt. Echt grandios. Superkompliment!

Riesenfrau mit Weihnachtsbaum.

Kostüme: Was passt besser zu Max und Moritz als krachig bunte Kleidung? Karolin Schreiber und ihr Team haben ganze Arbeit geleistet. Vielleicht beraten durch Schneidermeister Böck? Auch wenn Karl Lagerfeld sich dafür im Grab umdreht, und Giorgio Armani einen Hautausschlag bekommt, die beiden sind für ihre Abenteur auf der Bühne des Augsburger Staatstheater stilsicher gekleidet. Es sind allerdings klare Farben wie beim gesamten Bühnenbild.





Maske:
Liebe Juliane Buchin, lieber Peter Dirsch und Ingo Kiesel, schön, dass Max und Moritz die prägnanten Frisuren und Geischter bekommen, die wir von den Illustrationen des Wilhelm Busch gewöhnt sind. Bestens gestaltet! Dankeschön!

Original-Bilder von Wilhelm Busch.


Als ich nach der Vorstellung mit dem Theaterbus vom Martini-Park aus in Richtung City-Galerie fahre, höre ich ein Kind fragen: "Sag mal Oma, wer waren die zwei Menschen, die immer links und rechts auf der Bühne standen?" Die Oma wusste es: "Das sind Gebärdendolmetscher für Menschen mit Hörbehinderung". Diese waren wunderbar ins gesamte Stück integriert. Das Augsburger Staatstheater leistet inzwischen hervorragende Dinge zur Inklusion. Regisseur David Ortmann hält mehrsprachige Audioguides für Besucher bereit. Alle Achtung, das ist ein toller Sevice. Und er bekommt begeisterte Reaktionen dafür. Manchmal gibt er bis zu 15 Stück aus. 



Ein gelungenes Projekt, bei dem laut Ortmann Spartenleitung, Dramaturgie, Tonabteilung und Vorderhauspersonal Hand in Hand arbeiten. Ideal für Kinder, die gerade erst Deutsch lernen. Wahlweise gibt's die Audioguides gratis in ukrainischer, arabischer oder Leichter Sprache. Ausliegende Postkarten ausfüllen und vor Beginn des Stücks gegen ein Gerät austauschen.

Und die Moral von diesem Stück:
Weil es kein Ende gibt mit Federvieh
die beide auffressen, so ein Unglück
Drum sagen wir: jetzt oder nie!
Besucht bald dies tolle Familienstück! 

P.S.: Gute Sache, das gefaltete Programm für die Besucher als Max-und-Moritz-Poster mit einem Wörtersuchspiel. Dazu Informationen zu den sieben Streichen und den gesamten Macherinnen und Machern des Stückes.


Bericht: Lina Mann
Fotos: Jan Pieter Fuhr

Weitere Termine zu "Max und Moritz" sind hier zu finden.


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