Turandot auf der Freilichtbühne: Supermotiviertes Ensemble, Todesprinzessin mit Wunderstimme und Glücksmomente!

Prinzessin Turandot (Sally du Randt), am Boden zerstört.


Fulminante Premiere von Puccinis Oper "Turandot" auf der Augsburger Freilichtbühne. Staats-Intendant André Bücker hat alle Register gezogen, das Märchen farbenfroh, mit allen dramaturgischen Brüchen auf die schwierig zu organisierende Open-Air-Bühne am Roten Tor in Szene zu setzen. Kein China-Kitsch, sondern expressive Kostüme und ein supermotiviertes Ensemble.

"Wenn der Gong ertönt, frohlockt der Tod".


In seinem, 1926 posthum uraufgeführten Meisterwerk vertonte Giacomo Puccini ein altes persisches Märchen, das der italienische Dichter Carlo Gozzi im 18. Jahrhundert als Schauspiel veröffentlichte. Im 100. Todesjahr von Giacomo Puccini zeigt das Staatstheater Augsburg in diesem Sommer, mit welcher musikalischen Brillanz der legendäre italienische Komponist sein Publikum bis heute zu fesseln vermag. Nach zwölf Jahren ist damit zum ersten Mal wieder Oper auf der weitläufigen Bühne am Roten Tor zu erleben! Turandot tritt als Tochter des chinesischen Kaisers auf. Wer sie heiraten will, muss drei Rätsel lösen. Schaffen viele Kandidaten nicht und verlieren dann Kopf und Leben. Bis Prinz Calaf auftaucht, der sich trotz einer Hinrichtungsaktion in Turandot hoffnungslos verliebt, auch wenn es sein Untergang sein könnte.

Ping, Pang und Pong, die unheimlichen Helfer der Prinzessin Turandot.

Ping, Pang,Pong als degenerierte Hofschranzen, teils in Transgenderoutfit mit einem sehr gut disponierten Roman Poboinyi (der nächste Calaf?), Claudio Zazarro und dem sowieso schon hochgewachsenen Wiard Witholt in Plateauschuhen sind in stimmlicher Hochform. Die drei sonst oft auf Commedia dell Árte reduzierten Figuren agierten als die wahren Strippenzieher - böse, lamoryant und vor allem zynisch, bis hin zum erbarmungslosen Folterknecht. Bravo!

Avtandil Kaspeli als Timur besetzen zu können - reiner Luxus und Xavier Moreno war ein szenisch vielleicht etwas reduzierter Calaf, aber sein baritonaler Heldentenor ließ keinen Zweifel aufkommen, dass er diese Wahnsinnspartie ohne Ermüdung durchsteht und bescherte dem Publikum wahre Glücksmomente. Was für eine grandiose Wohltat, zwei Sängerinnen wie Jihyun Cecilia Lee und Sally du Randt im Ensemble zu haben. Die beiden Kontrahentinnen im Stück: Die innig, unglücklich liebende Liu und die bis zum Schluss eiskalte schneeköniginnenhafte Turandot mit blauen Haaren und Goldrüstung, die sogar in der letzten Szene nicht einmal davor zurückschreckt, den lästigen Bräutigam  erstechen zu wollen. Lius Gesang ist voller Hoffnung, Sehnsucht und Melancholie, wovon selbst ein Herz aus Stein zutiefst berührt wird.

Prinz Calaf (Xavier Moreno), Sohn des einstigen Tataren-Königs.


Die lyrische mit wunderbarem weich angesetzten Sopran, die endlosen musikalischen Bögen bis ins leiseste Pianissimo auskostende Lee, und als Gegensatz eine verblüffend jugendlich klingende, eiskalte, scharf timbrierte Granate - du Randt, die eben wie in anderen Inszenierungen keine Läuterung durch Calafs Hartnäckigkeit erfährt,- sondern bis zum Schluss die männerhassende Furie bleibt, die sie von Anfang an war und sogar Kindern den Kopf abschlagen lässt. 

Ein schauriges Spektakel vor genialem, sehr geschmackvollem Bühnenbild von Karel Spanhak. Und dieser böseböse Henker mit bluttriefendem Riesenbeil im aufgeblasenen schwarzglänzenden Horror-Lack-Outfit ist eine gelungene Monster-Mixtur aus den Gänsehaut-Rock-Stars Alice Cooper und Gene Simmons von Kiss. Wer zuerst dachte, es findet keine Enthauptung auf der Bühne statt, wurde teilweise getäuscht. Der furchterregende Henker erschien dann doch mit einem blutigen Kopf.


Die gefesselte Sklavin Liu (Jihyun Cecilia Lee) wird gefoltert.


Die Philharmoniker und der Chor in Höchstform. Die stimmliche Wucht des aufgestockten Chors drückte einen mit unglaublicher Energie in die Eisensitze wie beim Raketenstart. Erstaunlich, dass im Zuschauerraum trotz schwierigem Tonmanagement sogar die lyrischen Feinheiten der teilweise impressionistischen Partitur zum Klingen kamen. Ein großer Dank an den GMD Domonkos Hèja!

Ein besonderes Kompliment auch an das Programmheft und seine Macher. Schon das Titelblatt mit dem ausgestanzten Kreis hinter dem ein roter Punkt mit der weißen Schrift "Turandot" zu sehen ist, zeigt die Lust auf ein großartiges Opern-Spektakel auf der Freilichtbühne. Es ist alles superstimmig von der Choreographie, vom schwarz-roten, streng-ästhetischen Bühnenbild, von den herrlichen Kostümen voller Ideen und mit Schreckfratzen, von den faszinierenden weißen Insekten-Masken, die an gefährliche Aliens erinnern, die lautstarken Domsingknaben mit überlangen Armen, die Blechbläser auf der Stadtmauer, bis hin zu diversen Effekten vom pausenlos wabernden Nebel im Hintergrund, den herumgetragenen Kugel-Lichtern, die wie Mega-Leuchtkäfer rüberkommen, bis hin zu den blutigrot beleuchteten Stufen. Es wimmelt nur so von Stufen, die Höhe- und Tiefpunkte signalisieren. Licht und Sound sind optimal. Besser gehts nicht. Selbst der riesige Schatten des Henker-Beils auf einer Wand ist gekonnt hingeworfen.

Wird unter Druck gesetzt um den Namen zu verraten: Timur, der ehemalige Tatarenkönig und
Vater von Prinz Calaf.

Leider gibt es nur wenige Vorstellungen der Oper "Turandot" auf der Freilichtbühne. Musiktheater in dieser enormen Qualität wird vom Augsburger Publikum und den dafür extra anreisenden Gästen sicher gern angenommen. In aller Bescheidenheit: Das ist Weltklasse! Vielleicht gibt es ja doch in der nächsten Saison eine Reprise? 

So toll kann Oper sein! Also, liebe Leute: Hingehn! Hingehn! Hingehen!


Bericht: Eric Lamey
Fotos: Jan-Pieter Fuhr

Umherwandernde Irrlichter auf der Freilichtbühne.



TURANDOT
Das Team

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Musikalische Leitung: Domonkos Héja
Inszenierung: André Bücker
Bühne: Karel Spanhak
Kostüme: Aleksandra Kica
Licht: Marco Vitale
Dramaturgie: Sophie Walz
Einstudierung der Chöre: Katsiaryna Ihnatsyeva-Cadek

Turandot: Sally du Randt
Calaf: Xavier Moreno
Liù: Jihyun Cecilia Lee
Timur Avtandil Kaspeli
Altoum: Oliver Scherer
Ping: Wiard Witholt
Pang: Claudio Zazzaro
Pong: Roman Poboinyi
Ein Mandarin: László Papp
Henker: Luca Nenning
Prinz von Persien: Eduard Ahmetaj/Jonathan Utz

Statisterie des Staatstheaters Augsburg
Opernchor des Staatstheater Augsburg, Extra-Chor des Staatstheater Augsburg, Augsburger Domsingknaben,
Augsburger Philharmoniker

Regieassistenz und Abendspielleitung: Yi Ling Heather Tan, Alexander Binner
Nachdirigat: Ivan Demidov
Musikalische Einstudierung: Volker Hiemeyer, Szilvia Miko, Miacheal Wagner
Einstudierung Opern- & Extrachor: Katsiaryna Ihnatsyeva-Cadek
Einstudierung Domsingknaben: Stefan Steinemann
Bühnenbildassistenz: Franziska Kohl
Produktionsleitung Kostüm: Katja Schröpfer
Theatervermittlung: Juliana Bernecker

Inspizienz: Sibylle Schmalbrock
Licht-Inspizienz: Yevheniia Sobolevska
Souflage: Dilia Maria Tedeschi
Bühnenmeister: Ulrich Lindenfelser, Claus Walch
Beleuchtungsmeister: Marco Vitale
Ton: Georg Sturm, Moritz Kobel, Matthias Zimmer
Maske: Laura Brucklachner, Juliane Buchin, Christina Böhler, Marvin Butschek, Anne Doldi, Veronika Eßer, Amelie Feldmann, Elsa Kiesel, Ingo Kiesel, Eun-A Kim, Lara Krause, Eliah Lindenfelser, Elias Loeb, Jessica Molnar, Tristan Reuter, Cornelia Schnell, Nina Schiffelholz, Thyra Templiner
Requisite: Violet Klas, Karoline Kuschmitz
Akleider:innen: Sabri Alp, Carolin Haidinger, Beate Holzmann, Edith Miller, Laura Pairan, Pauline Pappe, Johanna Rehn, Gitana Reingard, Andrea Rembt, Verena Scheuerer, Alexander Schneider, Ida Zoe Starken, Pauline Walcher, Aline Weyel Eva Wiedemann
Übertitel: Elsa Freudenberg, Paula Gutfleisch, Yongxin Xia


Für eine gute Inklusion hat das Staatstheater Augsburg wieder gesorgt: Durch einen Quickreader (QR) im Programmheft können auf Deutsch, auf Englisch und für Menschen mit Hörbehindertug die Untertitel im Stück auf dem Smartphone mitgelesen werden. Auf der Informationsseite Informationsseite des Staatstheaters im Internet wird auch in einfacher Sprache informiert.


Hier finden Sie die nächsten Termine und weitere Information zu "Turandot".

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