Baukunst in Augsburg

Buch für alle die irgendein Interesse an Augsburger Stadt- und Baukultur haben.

Augsburgs Stadtbild zwischen Weimarer Republik und dem 2. Weltkrieg Gesehen durch das bauliche Vergrößerungsglas


Der  renommierte Wißner-Verlag aus Haunstetten veröffentlichte wieder einmal eine faszinierende Dokumentation zu  Augsburgs (naher) Geschichte.  Ein 230seitiger Bildband über die „Baukunst in Augsburg 1918  -1945“ von Karl Fieger zeigt ein bisher einmaliges Portrait der Stadt. Mit mehr als 700 Bildern veranschaulicht der Autor  Einzelhäuser, Wohnanlagen, Geschäftslokale, Gemeinbedarfsanlagen, Kirchen und Kasernengebäude von Zeit geprägter Bedeutung.


Lechburg, kein Ort für Revolutionäre.


Bildband - kein Bilderbuch


Ein Bildband, kein Bilderbuch, weil alle in exzellenter Qualität ausgeführten Fotos mehr sind als eine Wiedergabe bestehender Gebäude. Karl Fieger lässt sie trotz knapper und manchmal auch ungenauer Texte ihre Entstehungsgeschichte und Funktion erzählen. Das Buch ist sowohl kulturhistorisch als auch architektonisch verständlich aufgebaut. Beginnend mit der Abkehr vom Historismus über das sog. Neuen Bauen hin zum Artdeco und endend in den Baustilen massiver Präsenz der NS-Zeit. 

Zäune, Spitzen, Türgläser und andere Details als Ausdruck der Feinsinnigkeit.


Sehen und Erkennen


Es ist auch ein akribischer Band. Sämtliche in dieser Zeit wirkenden Bauherren wie gemeinnützige Genossenschaften, WBG Augsburg,  Einzelbauherren und  öffentliche Auftraggeber listete Fieger auf. Besonders wertvoll sind die Bilder der baulichen Details wie Hauseingänge, Türen, Gesimse, Dachformen oder auch Treppenhäuser. Wohnungsbau von innen, Eindrücke die auch ein interessierter Stadtspaziergänger nicht wahrnimmt. Sehen und Erkennen!

Expressionismus in Oberhausen: da lohnt es sich hinzuschauen.

Bürgersinn und Eitelkeiten


Der Autor erläutert die oft untrennbare Verbindung von gesellschaftlichen Entwicklungen und Bauformen, etwa bei den Wohnhöfen als Ausdruck des „Demokratischen Bauens“ oder der Geschichte der Augsburger Baugenossenschaften. Durch historische Zitate erklärt er auch die Denkweisen und die Handlungsmaxime von großen gemeinnützigen Baugesellschaften wie die WBG (heute Wohnbaugruppe Augsburg). Sie ist es die mit der ihr vom Stadtrat übertragenden Gemeinwohlverpflichtung einen Großteil des Buches bestimmt. Aber auch kleinere Unternehmen und Einzelbauherren, so zeigt der Autor beeindruckend, haben bestechende Bauten und Bauwerksdetails hinterlassen. Bürgersinn eben. Herr Fieger scheut sich auch nicht auf  gesellschaftspolitische Eitelkeiten hin zu weisen. Manches lässt den Leser schmunzeln, „...wer  eine komfortable (Wohn)burg bewohnt muss nicht (zur Revolution) auf die Straße gehen“.

Am Ende des Buches versteht man die Stadt warum sie heute so ist wie sie ist. Schaffe funktionales und werthaltiges auch wenn das Gemeinwohl sich dies eigentlich nicht leisten kann manchmal auch nicht will.

Lessinghof, wo Kurven auf Gerade treffen.

Unvollständiges eingeräumt


Kein publiziertes Werk ist perfekt, diese Stadtgeschichte ist sowohl optisch als auch textlich nahe dran. Das gilt selbst dann wenn man die Quellen kritisch hinterfragt. Im Klappentext räumt der Autor schon vorsorglich ein es ist ihm nicht gelungen zu den „gewünschten Informationen“ zu kommen. Nur so ist es zu erklären warum er zum Beispiel bei der Beurteilung städtebaulicher Entwicklungen der Minderheitsmeinung einer Historikerin folgt, die vermutlich selbst nie einen Bebauungsplan oder ein Zeit prägendes Bauwerk errichtet hat? Oder, daß die Beschreibung einer baulich banalen Fahrzeughalle, für 14 Monate als Zwangsarbeiter KZ genutzt, angemessen Raum einnimmt, aber die 50jährige Nutzung durch die US-amerikanischen Befreier, der in jener Halle ein einmaliges Erinnerungswerk gewidmet ist, unerwähnt bleibt. Es spricht aber nicht gegen den Apfel wenn er einen Wurm hat.


Ein Buch für alle die irgendein Interesse an Augsburger Stadt- und Baukultur haben. Leicht zu lesen, spannend in den Zusammenhängen und handwerklich hervorragend gemacht.



Karl Fieger: Baukunst in Augsburg 1918-1945 / Wißner Verlag 2024 / € 28.-


Edgar Mathe






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